Ein Hauch von Nordsee mitten in der Wetterau

Erfrischung verspricht an heißen Tagen ein Bad in der Nidda, die im Bereich der Stadt Karben an vielen Stellen leicht zu erreichen ist. Hier können Füße gekühlt, Staudämme gebaut und vielerlei Tiere entdeckt werden.Fotos: jas

Von Janine Stavenow

Hochtaunus
. Ferienzeit ist Reisezeit, eigentlich zumindest. In Corona-Jahren aber ist alles anders. Inzidenzen und Virusvarianten grenzen das Reisen stark ein oder machen es sogar ganz unmöglich. Strand und Meer im fernen Süden müssen warten, Erlebnisse, Erholung und Erfrischung vor der eigenen Haustür rücken in den Mittelpunkt. Und Ferien zu Hause können mindestens ebenso spannend und aufregend, erholsam und entspannend oder beeindruckend und bildend sein wie weite Reisen in ferne Länder. Wer diese Erfahrung nicht schon längst gemacht hat, wird vielleicht von Corona dazu genötigt, die nähere Umgebung zu entdecken. In der Ferienserie „Erfrischung gefällig!“ widmen wir uns vor allem Erlebnissen, die Abkühlung an heißen Sommertagen versprechen. Im vierten Teil ist Bad Homburgs Nachbarstadt Karben das Ziel.

Es fühlt sich ein bisschen an wie an der Nordsee: Wiesen so weit das Auge reicht, grasende Kühe, schnell ziehende Wolken, ein ordentliches Lüftchen und überall Vögel. Graureiher, Gänse, Störche, Schwäne und hier und da auch mal eine Möwe. Eine Landschaft zum Abschalten vom Alltag, zum Entspannen, zum Träumen und Spaß haben. Perfekt für einen Ferientag mit der ganzen Familie.

Also nichts wie rauf aufs Rad und ab auf die Regionalpark Niddaroute, den Hessischen Fernradweg R4, der dem Flusslauf der Nidda folgt. Da wir hier und da Station machen wollen, nehmen wir uns nur ein kleines Teilstück der rund 95 Kilometer langen Route vor und starten am Bürgerzentrum in Karben. Im Rucksack: ein bisschen Proviant, eine große Flasche Wasser, Kamera oder Handy, um Fotos zu machen, Sonnencreme und unbedingt ein Fernglas. Wer möchte, nimmt noch die Niddaroute-Karte des Regionalparks Rhein-Main mit. Verfahren aber ist auch ohne Plan fast unmöglich. Der Weg ist bestens ausgeschildert.

Einige hundert Meter radeln wir zunächst gen Süden entlang der renaturierten Nidda und bestaunen die Flusslandschaft, die sich dort in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Noch bis in die 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts war die Nidda konsequent begradigt worden, um die Auenlagen vor Hochwasser zu schützen und besser landwirtschaftlich nutzen zu können oder um Siedlungsgebiete auszuweisen. So erhielt der Flusslauf Dämme und sein heute noch in weiten Teilen bestehendes trapezförmiges Profil. Doch die Maßnahmen hatten negative Veränderungen für die Natur im und am Gewässer zur Folge. Die steilen, befestigten Ufer verhinderten die Ansiedlung von typischer Ufervegetation. Durch die schnelle Strömung bildeten sich keine Flachwasserzonen mehr aus, die den Wasserbewohnern als „Kinderstube“ dienen konnten. Stauwehre versperrten den Fischen die Wege zu ihren Laichgebieten. Auch die Hochwasserproblematik wurde durch diese Maßnahmen nicht geringer. Während bis dahin das über die Ufer getretene Wasser in der Aue zurückgehalten wurde und versickern konnte, verhinderten nun technische Bauwerke diese natürliche Regulierung.

Seit etwa 20 Jahren ist man mit umfangreichen Renaturierungsmaßnahmen dabei, den damals eingeleiteten Prozess mehr als rückgängig zu machen. Auch an der Nidda in Karben und Bad Vilbel. Groß war hier das Engagement, mehr als sehenswert ist das Ergebnis. Bis 2019 waren die Bagger im Einsatz, eine komplett naturnahe Flussschleife inklusive einer Insel wurde neu erschaffen. Der Fluss wurde für die Menschen wieder erlebbar.

An einem der Erlebnispunkte, die im Rahmen der Renaturierung entstanden sind, machen wir Halt: Beim KSV Klein-Karben auf der gegenüberliegenden Flussseite parken wir unsere Fahrräder und rasten auf den neuen Wiesenterrassen. Gemütlich chillen lässt sich hier auf hölzernen Liegen, die nach Lust und Laune gedreht werden können, oder auf großen Liegedecks aus Holz. Wer mag, kann die Füße ins kalte Wasser halten oder gleich ganz untertauchen. Außerdem können die Boule-Kugeln ausgepackt werden. Eine neue Boule-Bahn lädt zum Spiel ein.

Nach dieser kurzen Erfrischung geht es weiter Richtung Bad Vilbel, vorbei an grasenden Kühlen, einer mächtigen Schafherde, einem Schwanenpaar mit Jungtieren bis zum nächsten Punkt, der in der Nähe des Gronauer Hofs zum Verschnaufen einlädt: ein begehbares Vogelnest aus Robinien-Rundhölzern mit einem Durchmesser von drei Metern. Von diesem überdimensionalen Nest oder den ebenfalls zum Entspannen einladenden Holzliegen aus bietet sich ein toller Blick auf die Flussaue. Am Himmel kreisen eine Handvoll Störche, an der Wasserstelle stehen steif und majestätisch einige Graureiher. Zeit, einen Blick durch das Fernglas zu werfen.

Wieder rauf aus Rad und weiter in die Pedale getreten. Vorbei an goldgelben Sonnenblumen und stolzen Pferden, die einen Blick auf vorbeiziehende Radfahrer, Skater und Spaziergänger riskieren, führt die Niddaroute bei Gronau nun über eine kleine Brücke, unter der Nidda und Nidder zusammenfließen. Der Weg knickt scharf nach rechts ab, und unter schattigen Bäumen lassen wir uns gemütlich am Ufer der Nidda weiterrollen, beobachten Angler und hier und da mal einen Kormoran, der nach Fischen taucht.

Zum Rasten geradezu ideal ist der Spiel- und Sportplatz Niddabogen in Dortelweil, der keine zehn Meter vom Fluss entfernt liegt. Die Jüngsten können hier Seilbahn fahren, schaukeln und sich an der großen Wasserspielstelle erfrischen. Aber auch Tore zum Kicken und Wiesen für ein Nickerchen sind dort zu finden. Dann muss eine Entscheidung getroffen werden. Wer müde ist und genug von Sonne, Wind und Niddakühle hat, radelt durch Alt-Dortelweil und vorbei am plätschernden Brunnen an der Dorflinde über die Felder zurück zum Startpunkt nach Karben. Wer Lust auf mehr hat, schwingt sich wieder in den Sattel und schlägt den Weg weiter Richtung Bad Vilbel ein. Wir entscheiden uns für diese Variante und erreichen schon bald den Dottenfelderhof, der nicht nur leckeres Eis zur Abkühlung bietet, sondern vor allem für die Jüngsten jede Menge Abenteuer. Kühe, Hühner, Schweine und Pferde freuen sich über Besucher.

Knapp zwei Kilometer warten nun noch auf uns, ehe wir unser Ziel, den Niddaplatz in Bad Vilbel, erreichen. Vorbei an Römerbrunnen und Wasserburg radeln wir mitten hinein in die Stadt der Quellen. Ziel ist die Büchereibrücke, die sich in beeindruckender Art und Weise über die Nidda spannt. Wer mag, gönnt sich im ebenfalls auf der Brücke gelegenen Café „Wewe“ ein kühles Getränk und ein Stück Kuchen, wer lieber rechts und links des Flusses sitzen möchte, der kann im Restaurant „Mondnacht“ Platz nehmen oder es sich mit einem Eis auf den Sitzstufen direkt am Fluss gemütlich machen. Zurück geht’s bequem mit der S6 nach Groß-Karben.

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