„SegeLn“ als innovatives Konzept am Taunusgymnasium

Landrat Ulrich Krebs (l.) und Schulleiterin Beate Herbst (r.) des Taunusgymnasiums Königstein besuchen die Lernlandschaft bei der Umsetzung des innovativen, pädagogischen Konzepts „SegeLn“. Foto: Hochtaunuskreis

Hochtaunus (how). Am Königsteiner Taunusgymnasium gehen die Schüler der Unterstufe „SegeLn“ – und das gleich mehrfach die Woche, nämlich dann, wenn Deutsch, Englisch oder Mathe auf dem Stundenplan stehen. Jetzt spielt Sport im Profil der Schule zwar eine bedeutende Rolle, aber so weit, dass man deswegen die Hauptfächer ausfallen lässt, geht es dann doch nicht. Hinter „SegeL“ verbirgt sich vielmehr ein ausgeklügeltes pädagogisches Konzept über das das Schulprofil Aufschluss gibt. Denn dort ist „SegeL“ fest verankert und steht für selbstgesteuertes Lernen. Mit anderen Worten: Den Schülern soll eigenverantwortliches Lernen vermittelt werden.

„Wir haben am Ende der Coronazeit und den damit verbundenen Schulschließungen gemerkt, dass einige Schüler nicht in der Lage waren, sich in der Situation des Distanzunterrichts selbst zu organisieren“, berichtet Schulleiterin Beate Herbst, wie es zur Entwicklung des „SegeL“-Konzepts kam. Und, wenn man ehrlich sei, müsse man sich als Schule eingestehen, dass man sie auch nicht im Vorfeld dazu befähigt habe. „Wir waren es daher unseren Schülern schuldig, sie zur Selbstverantwortung zu erziehen und sie zukunftsfähig zu machen. Dazu müssen wir ihnen entsprechende Lernstrategien und -Methoden an die Hand geben“, so die Schulleiterin. „Das bedeutet auch, dass wir wegkommen von einem Unterricht, in dem nur konsumiert wird, was die Lehrkraft erzählt.“

Im Sommer 2023 begann mit einem sehr engagierten Team aus Lehrkräften der erste „SegeL“-Unterricht für die fünften Klassen. Da sich das Prinzip bewährt hat, soll es nun jahrgangsweise erweitert werden. Derzeit wird in der Unterstufe acht Wochenstunden „gesegelt“: drei Stunden Mathe, drei Stunden Deutsch, zwei Stunden Englisch. Hierfür bekommen die Schüler Aufgabenblätter, die sie in einem festgelegten Zeitraum von zwei bis drei Wochen in den so genannten „SegeL“-Stunden während der Schulzeit bearbeiten müssen. „Wir wollen sehen, ob die Schüler den zuvor im Unterricht vermittelten Lerninhalt verstanden haben, ihn anwenden und sich sogar selbstständig Lernstoff aneignen können“, erläutert Schulleiterin Herbst. Wie die Schüler die „SegeL“-Stunden gestalten, bleibt ihnen selbst überlassen. Sie können in einen eigens eingerichteten Stillarbeitsraum gehen, gemeinsam an Lerninseln den Stoff durchgehen oder in einem Klassenraum arbeiten. Pro Klasse steht dabei immer ein Lehrer zur Verfügung, der Hilfestellungen geben kann, wenn es mit dem Verständnis hapert. Alle Lerninhalte der Klassen sind daher gleich und entsprechend aufeinander abgestimmt, sodass eine Lehrkraft beim „SegeLn“ als Ansprechpartner für alle Schüler dienen kann. Das bedeutet übrigens auch, dass alle Klassenarbeiten identisch sind. Was zunächst nach Lernen mit großem Freiraum klingt, ist tatsächlich Lernen innerhalb klar angegrenzter Leitlinien.

So muss jeder Schüler vor Beginn der „SegeL“-Stunde in seinem Logbuch, einer Art Hausaufgabenbuch, eintragen, welche Aufgaben er heute erledigen möchte und am Ende der Stunde vermerken, ob das geklappt hat oder nicht und wo die Probleme lagen. Am Ende der Woche folgt noch eine Wochenreflexion. „Es ist mitunter erstaunlich, was dabei herauskommt. Dann stellen die Schüler nämlich fest, dass der beste Freund möglicherweise gar nicht der beste Lernpartner ist, weil man sich zu leicht ablenken lässt“, berichtet die Schulleiterin aus der Praxis. Schafft ein Schüler das „SegeL“-Pensum nicht, setzen sich Lehrer und Schüler zusammen und schauen, woran es gelegen hat.

Zwei Mal im Halbjahr gibt es ein individuelles Lernentwicklungsgespräch mit der Lehrkraft. Auch hierauf muss sich der Schüler vorbereiten und sich selbst einschätzen. Auf welchen Lernerfolg ist man besonders stolz? Wie schätzt man selbst seine Lernkompetenz ein? Das sind Fragen, die jeder selbst beantworten und ins Logbuch eintragen soll und muss, bevor er in das Gespräch geht. „Wir fordern unsere Schüler zur Selbstreflexion auf, damit sie ihre Stärken und Schwächen kennenlernen und einschätzen können und auch selbst an den Schwächen arbeiten können“, so Herbst.

Damit dieses Konzept funktioniert, hat der Hochtaunuskreis als Schulträger in den vergangenen Jahren einiges im Taunusgymnasium umgebaut. Einzelarbeitsplätze und Stillräume sind entstanden und ausgestattet worden, ebenso die beliebten Lerninseln, die fast so wirken wie Eisenbahn-Abteile. Es sei nicht nur eine Umstellung für die Schüler gewesen, sondern auch für die Lehrkräfte. Die Betreuung sei individueller und damit aufwändiger geworden. „Wir haben dafür die einzelnen Kinder nun viel besser im Blick“, sagt Herbst.

Abgeschlossen ist das „SegeL“-Konzept am Taunusgymnasium noch lange nicht. „Wir entwickeln es weiter“, sagt Herbst. So sei beispielsweise der Mathe-Plan anfangs nicht optimal gewesen. Da habe man jetzt nachgesteuert. Die Reaktion der Eltern auf das pädagogische Konzept sei sehr positiv, auch den meisten Schülern gefalle es, da sie in ihrem eigenen Tempo lernen können. Die Schulleiterin räumt aber auch ein, dass vor allem stärkere Schüler gut mit dem System zurechtkommen. Das ist für die Schulleiterin auch in Ordnung: „Wir sind schließlich ein Gymnasium.“

Landrat Ulrich Krebs, der sich ein Bild von dem neuen pädagogischen Konzept der Schule machen wollte, zeigt sich sehr angetan. „Unsere Gesellschaft und unsere Technik verändern sich rasend schnell. Wir müssen uns immer wieder auf neue Gegebenheiten einstellen. Umso wichtiger ist es, jungen Menschen das Rüstzeug an die Hand zu geben, wie sie eigenverantwortlich in einer komplexer werdenden Welt handeln können.“



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