Zum Tod der Fotografin Ingeborg Rams

Kameraeinstellungen von Ingeborg Rams. Dieter Rams durfte den Auslöser drücken. Foto: Dieter und Ingeborg Rams Stiftung

Kronberg. – „Wir waren immer ein Team“, sagte Dieter Rams in einem Statement zu seinem 90. Geburtstag am 20. Mai über seine Frau Ingeborg Rams. Denn Ingeborg Rams war weit mehr als die Frau an der Seite des berühmten Industriedesigners: eine engagierte Fotografin mit großer Sensibilität für ihre Objekte und einem eigenen Stil, kurz: ein kreatives Gegenüber auf Augenhöhe. Am 7. Mai ist Ingeborg Rams in ihrem 91. Lebensjahr in Kronberg verstorben.

1931 als Tochter der Bochumer Unternehmerfamilie Kracht geboren, beginnt sie am 1. Juni 1948 im Atelier der Theater-, Architektur- und Werbefotografin Grete Hamer in Bochum eine Ausbildung zur Fotografin. Dabei entwickelt sie in allen Bereichen des Studios ihren eigenen, sehr sachlichen Stil. Bis April 1954 ist sie bei Hamer tätig, gegen Ende als ihre Stellvertreterin. Es entstehen zahlreiche auch freie Industrie- und Landschaftsdarstellungen des Ruhrgebiets, vor allem aber auch Portraits der Schauspielerinnen und Schauspieler des Bochumer Theaters. Danach studiert sie vier Semester lang an der Essener Folkwang-Werkkunstschule in der Fachklasse für Fotografie, die zu der Zeit vom Bauhaus-Schüler Werner Graeff geleitet wird.

Vermittelt durch ihre Freundin Marlene Schneyder, seit 1955 Werbefotografin bei Braun, arbeitet Ingeborg Kracht von Februar bis Juni 1957 bei Mediacolor in Darmstadt, um sich mit der aufkommenden Farbfotografie vertraut zu machen. Dennoch bleibt die Schwarz-weiß-Fotografie immer ihr bevorzugtes Bildmedium. Bei der Internationalen Bauausstellung (Interbau) 1957 in Berlin ist sie zusammen mit Marlene Schneyder erstmals für die Firma Braun tätig, für die ihr späterer Ehemann Dieter Rams als Industriedesigner arbeitet.

Am 1. September 1957 wird sie vom Vorstandsmitglied Albrecht Schultz in der Abteilung „Werbung-Gestaltung“ fest angestellt. Ein Jahr später reisen die zwei Fotografinnen, die stets eine enge Freundschaft verband, mit einem Arbeitsauftrag von Braun zur Weltausstellung nach Brüssel.

Nach dem Ausscheiden der zwei anderen Fotografinnen Ursula Sehring und Marlene Schneyder in den Jahren 1958/59 führt Ingeborg Kracht bei Braun die sachliche Werbefotografie zusammen mit Wilfried Indinger, Ulf Beckert und Pit Schumann weiter. Bis dahin war der Fotografiebereich ausschließlich mit Frauen besetzt. Die große Sensibilität, die das Team den Objekten entgegenbringt, kommuniziert das neue sachliche Braun-Design in überzeugender Weise.

1963 beendet die Fotografin ihre Anstellung bei Braun und besucht für ein halbes Jahr Südafrika. Dabei entstehen zahlreiche Aufnahmen der Bevölkerung des Apartheid-Staates. Vor allem Kinder porträtiert Ingeborg Rams mit großem Einfühlungsvermögen. 1964 wird sie erneut als nun freiberufliche Fotografin für Braun tätig. Daneben arbeitet sie auch im Bereich der Interior- und Sachfotografie für den Möbelhersteller Vitsœ sowie für die Ausstellungsdokumentationen von Dieter Rams, mit dem sie seit Dezember 1967 bis zu ihrem Tod verheiratet war. Zudem entstehen immer wieder freie fotografische Arbeiten. Vor allem auf Naturfotos liegt nun ein besonderer Fokus ihres Interesses.

In der ab dem 20. Mai aktuell neu eingerichteten Dauerausstellung von Dieter Rams im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main sind erstmals auch Fotoarbeiten von Ingeborg Rams für Braun und Vitsœ ausgestellt. Das war schon länger geplant, Ingeborg Rams hat die Ausstellung leider nicht mehr erleben dürfen.



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