Oberursel (nora). Den Lebensweg eines Kindes als Vormund zu begleiten kann, eine „sinnstiftende und erfüllende Aufgabe“ sein.Tamara Brendel vom Kinderschutzbund (KSB), Kreisverband Hochtaunus, leitet das Projekt der ehrenamtlichen Vormundschaft seit 2022. Das Projekt, in Kooperation mit dem Stadt- und Kreisjugendamt, befasst sich mit Kindern und Jugendlichen, deren Eltern nicht mehr für sie sorgen können, und vermittelt diese an ehrenamtliche Vormünder. Bislang sind die vermittelten Mündel meist im Alter von neun bis 17 Jahren. Bei den Minderjährigen handelt es sich um Kinder, die entweder als Flüchtlinge unbegleitet nach Deutschland gekommen sind, oder deren Eltern das Sorgerecht entzogen wurde.
Ein Vormund übernimmt dabei jedoch nicht die Aufgabe, das Kind zu adoptieren oder in die eigene Familie aufzunehmen. Es geht darum, als rechtlicher Ansprechpartner, als Vertrauensperson und im besten Falle als Freund da zu sein. Währenddessen ist das Mündel in einem örtlichen Heim oder in einer betreuten Wohngruppe untergebracht. Wichtige Entscheidungen werden auch vom Vormund übernommen, etwa schulische und ärztliche Anliegen.
Außer den formellen Angelegenheiten ist es von ebenso großer Bedeutung, dem Mündel sein Gehör zu schenken. Was sind seine Wünsche? Welche Anliegen hat es? Welche Träume und Ziele im Leben strebt es an? Wo liegen seine Bedürfnisse? Auch Ausflüge, Kinobesuche oder das gemeinsame Spielen und Lernen sind wichtig, um eine Vertrauensbasis zu schaffen. Und bei all diesen Prozessen ist „keiner je alleingelassen“, versichert Tamara Brendel, denn alle Vormünder erhalten fortlaufend Unterstützung durch den Kinderschutzbund und die zuständigen Jugendämter.
Derzeit begleitet die erfahrene Sozialpädagogin Vormünder, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Von Erziehern über Jugendtherapeuten bis hinzu Informatikern sind verschiedenste Menschen im Alter von 26 bis 72 Jahren aktiv in dem Projekt tätig. Sie haben unterschiedliche Motivationen, wenn es darauf ankommt, ein Vormund zu sein. Die meisten geben jedoch an, dass sie der Gesellschaft etwas zurückgeben wollen, da sie selbst das Privileg hatten, in gutem Hause aufzuwachsen oder das Leid der jungen Menschen kennen und ein Hoffnungsträger für sie sein möchten. Alle gemeinsam verbindet der Wunsch, Verantwortung zu übernehmen für diejenigen, die schon viele Beziehungsabbrüche durchmachen mussten und es verdient haben, unterstützt zu werden.
Und da es sich um eine verantwortungsvolle Aufgabe handelt, wird man natürlich sehr gut vorbereitet. Der erste Schritt, den man tätigen kann, ist es, zu einer unverbindlichen Infoveranstaltung am 22. September zu gehen. Dort bekommen die Teilnehmer alle konkreten Informationen zum Thema Vormundschaft und darüber, was dieses Amt für sich selbst und das Kind bedeutet. Diejenigen, bei denen das Interesse nach der Veranstaltung geweckt wurde, können sich im Nachhinein offiziell auf eine ehrenamtliche Vormundschaft bewerben und kommen anschließend in ein Auswahlverfahren. Im weiteren Prozess werden die möglichen Vormünder mit den Mündeln „gematcht“. Das bedeutet, dass je nach Bedarf und individuellen Bedürfnissen geschaut wird, wer mit wem am Besten zusammenpassen könnte. „Schließlich sollen tragfähige und langfristige Beziehungen entstehen“.
Nach diesem etwa zwei- bis dreimonatigen Prozess finden verschiedene Workshops und Seminare statt, in denen die Vormünder intensiv und angemessen auf das Amt vorbereitet werden. Alle sechs Wochen wird zusätzlich der „EV-Treff“ angeboten, bei dem die Vormünder zusammenkommen und sich austauschen. Dabei „entsteht ein gutes Netzwerk und ein gutes Miteinander“, so Tamara Brendel, denn alle stehen sich mit Rat und Tat zur Seite. Dazu kommt alle acht Wochen eine „Supervision“, bei der man, vor allem bei schwierigeren Fällen, von emotionaler Unterstützung profitieren kann.
Brendel bedauert, dass die fehlende Reichweite des Projekts eine große Hürde darstellt. Jede interessierte Person zählt und ist willkommen, aber sie muss dafür erst mal von dem Projekt erfahren.
Zu den formalen Infos über das Amt eines Vormunds erzählte Tamara Brendel eine emotionale Geschichte eines jungen Mündels. Der eritreische Junge wurde in das Programm aufgenommen, nachdem er gezwungen war, aus dem Ausland nach Deutschland zu flüchten. Auf dem langen Weg verlor er seinen Vater, nachdem seine Mutter schon einige Zeit vorher gestorben war. Auf sich alleine gestellt und als Vollwaise in Deutschland angekommen, wünschte sich der 15-jährige Junge nur noch eine Familie. Zur selben Zeit fand sich eine ehrenamtliche Bewerberin im Alter von 70 Jahren, die lange Zeit davor selbst eingewandert war und das Gefühl, in einem fremden Land zu sein, nachvollziehen kann. Die beiden fanden zusammen. Und besser hätte es die beiden nicht treffen können, denn sie verstanden sich von Anfang an sehr gut, und es entstand schnell eine tiefe Vertrauensbasis. Weitere Informationen gibt es für Interessierte unter Telefon 0176-40382587, im Internet unter www.kinderschutzbund-hochtaunus.de oder per E-Mail an vormundschaft[at]ksbht[dot]de.