„Bürgermeister, rück die Kreppel raus“

Bürgermeister Steffen Bonk, Erster Stadtrat Lars Knobloch und Stadtverordnetenvorsteher Jürgen Galinski (v. l.) sowie alle ihre Mitstreiter ergeben sich der närrischen Übermacht. Foto: csc

Von Christine Šarac

Steinbach. „Nanu“, mag sich mancher gedacht haben, der am Sonntagnachmittag am Rathaus in der Gartenstraße vorbei kam. Ein bunt gekleidetes Völkchen marschierte dort auf. Laut musizierend kam der Fanfarenzug Kronberg die Wiesenstraße herauf, gefolgt von den Gardemädchen der Steinbacher Tanzgarde 08. Die närrische Invasion schien gar kein Ende zu nehmen. Es sah nicht gut aus für Bürgermeister Steffen Bonk, der sich dennoch oben im Sitzungssaal vor dem drohenden Rathaussturm in Sicherheit wähnte.

Mit lautem „Helau“ warfen er als Schornsteinfeger verkleidet und der Erste Stadtrat Lars Knobloch im Napoleon-Kostüm den Kindern unten im Hof Kamelle zu. Unterstützt wurden sie dabei von den Stadtverordneten und Magistratsmitgliedern. Steinbachs Karnevalisten, die sich derweil unten vor dem Rathaus versammelt hatten, brüllten zwar nicht, „Ich will da rein“ wie einst Alt-Kanzler Gerhard Schröder in seinen Jugendzeiten, doch genau das hatten sie natürlich im Sinn. Das Problem hierbei: Bonk und Co. waren nicht gewillt die mit 300 Kreppeln bestückte Stadtkasse und den Rathausschlüssel „einfach so“ herauszugeben. Also taten die Karnevalisten vom SCC, den Pitschetretern und der Tanzgarde 08 genau das, was man in solchen Situationen tut: Sie holten sich Verstärkung.

Aus Oberursel eilte Prinzessin Fiona I. mit ihrem Hofstaat und ihrem Verein, dem KC „The Ravens“, herbei. Auch das Bommersheimer Kinderprinzenpaar Annabel I. und Julius I. und der BCV waren dabei sowie die Bad Homburger Lieblichkeiten Susanne II. und Amy-Julie I. und der Verein Heiterkeit. Damit nicht genug, auch die TCC Pinguine aus Schwalbach, der CluGeHu Weißkirchen und der CV Stierstadt waren versammelt. Ein leises Raunen ging durch die Menge, als der Kappen-Club Niederhöchstadt seine Kanone, den „Alten Fritz“ in Stellung brachte. Mit all der Unterstützung im Rücken trat schließlich der Sitzungspräsident des SCC, Harald Glocksin, nach vorn und wandte sich drohend an die Politiker im Rathaus. „In Staabach is heut mords was los, das Rathaus macht e Terz famos und will a klaane Uffstand probe, doch weit gefehlt die ham verlore.“ Doch das beeindruckte Steffen Bonk und seine Mitstreiter nicht. „Mei Verteidiger und ich stehn siegessicher hier obe, während unne de Mob tut tobe... Ihr seid mit viel Mann und Kanone gekomme doch unser Festung, die wird net genomme.“ Das brachte die Narren gewiss erst recht in Rage, und Harald Glocksin setzte nach einigem Hin und Her zum verbalen Gegenschlag an. „Nun nehm den Mund mal net so voll. Du hast zur Hilf die volle Meut aus Politikern und Wichtigmännern, doch all das wird am End net helfen, wir wolln den Schlüssel und die Gelder, die Stadtkass ist von heut an uns.“ Und um seine Forderung auch gebührend zu unterstreichen, wurde ein donnernder Schuss aus der Kanone abgefeuert, und es schien so, als habe der ein oder andere Politiker bei dem Getöse zusammengezuckt.

Dem ersten folgte ein weiterer Schuss, und langsam wurde Bürgermeister Bonk, Lars Knobloch und alle anderen bewusst, dass sie der närrischen Übermacht wohl doch nicht würden standhalten können. „Ihr übernehmt fortan das Zepter“, verkündete Bonk. „Mit Schlüssel, Stadtkass und Gelächter. Habt Spaß und fröhnt der Tradition. Ich komm zu euch und freu mich schon.“

Und so schwenkte Lars Knobloch schließlich die weiße Fahne, und er und seine Gefolgsleute schickten sich an, mit erhobenen Händen herauszukommen. Tatsächlich öffnete sich wenige Minuten später die Rathaustür und der Stadtverordnetenvorsteher Jürgen Galinski als Musketier verkleidet und Lars Knobloch trugen die offensichtlich schwere, also gut gefüllte, Stadtkasse heraus. Ihnen voraus ging Bürgermeister Bonk mit dem Stadtschlüssel in der Hand. „Jetzt rück die Kreppel raus“, knurrte da ein kleiner, hungriger Pirat mit Augenklappe in der Menge ein wenig ungeduldig.

„Als Narr gefällst du uns nun besser, kreuzen wir friedlich unsre Messer und ziehn gemeinsam zum Bürgerhaus den Sieg zu feiern im eigenen Haus“, schlug Glocksin daraufhin vor. Noch einmal schwenkte Bonk daraufhinden Schlüssel, den Harald Glocksin dann unter großem Hallo und den Worten „Da ist das Ding ja“ an sich nahm. Die kleinen Narren voran ging der Sturm auf die Kreppel in der Stadtkasse los und langsam leerte sich schließlich der Rathausplatz. Gemeinsam jubelnd zog die Narrenschar, Bürgermeister Bonk friedliches Geleit gebend, weiter in den großen Saal des Bürgerhauses, um dort gemeinsam weiterzufeiern.

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