Jetzt darf sie sich auch mal treiben lassen

Ihren Platz am Schreibtisch tauscht Sabine Schulze nach 22 Jahren als Schulleiterin der Geschwister-Scholl-Schule gegen ein neues Leben im Ruhestand ein. Sie freut sich darauf, mal keine Termine haben zu müssen. Foto: csc

Von Christine Šarac

Steinbach. Es ist Viertel vor acht und die ersten Schüler trudeln auf dem Hof der Geschwister-Scholl-Schule im Hessenring ein. Kinderlachen und muntere Gespräche erfüllen bereits das Treppenhaus. Eine kleine Schülergruppe hüpft die Treppen hinauf auf dem Weg in ihr Klassenzimmer. „So, jetzt geht alle bitte schön auf der rechten Seite leise hoch“, ermahnt Rektorin Sabine Schulze. Sie führt Aufsicht, wie so oft in den vergangenen 22 Jahren, doch vieles wird sie in den kommenden Tagen bis zu den Ferien zum letzten Mal tun, denn sie verabschiedet sich in den Ruhestand.

Auf 40 Dienstjahre als Pädagogin kann Sabine Schulze zurückblicken. Für 460 Schüler, 40 Lehrerkollegen und zwei Konrektorinnen ist sie als Ansprechpartnerin immer da. Auch durch stürmische Zeiten hat sie ihre Schulgemeinde hindurch manövriert. Dazu gehörte zum Beispiel der durch die Coronapandemie bedingte Lockdown 2020. „Das war eine sehr anstrengende Zeit“, sagt Sabine Schulze rückblickend. „Wir hatten keine Erfahrung. Der Fokus lag damals besonders auf den Kindern und Jugendlichen in den weiterführenden Schulen, dennoch hatten wir die ganze Zeit über geöffnet“, so Schulze. Rund 150 Kinder seien täglich in der Notbetreuung gewesen, Kinder, deren Eltern als systemrelevant galten. Als Vorteil habe sich in diesem Zusammenhang die Größe der Schule mit ihren vielen Räumen erwiesen. Darüber hinaus gab es ein Mal pro Woche organisierte Abhol- und Rückbringzeiten für erstellte Arbeitsblätter und Aufgaben für das Lernen zu Hause. „Das Kollegium hat diese herausfordernde Zeit sehr zusammengeschweißt, und wir profitieren davon noch heute“, sagt Sabine Schulze. Auch den Neubau der Schule zu stemmen sei eine große Aufgabe gewesen, so Sabine Schulze, die in Göttingen geboren und aufgewachsen ist und dort auch ihr Lehramtsstudium in den Fächern Deutsch und Biologie absolviert hat. „Drei Jahre lang waren wir während der Bauzeit in die alte Grundschule in Stierstadt ausgelagert“, erinnert sie sich an diese Zeit zurück, in der viel organisiert und geplant werden musste. Im März 2012 war das neue Gebäude schließlich fertiggestellt, und die neue Schule mit Betreuungszentrum und Mensa konnte im Mai desselben Jahres eingeweiht werden.

An all die Aufgaben, die auf sie zukommen könnten, hat Sabine Schulze sicherlich nicht gedacht, als sie 1984 ihr Referendariat in Eschwege beendet hatte. „Damals herrschte Lehrerschwemme, deshalb habe ich mich auch bundesweit beworben“, erinnert sie sich. Sie bekam daraufhin auch eine befristete Stelle in der Nähe von Köln und wenig später eine Planstelle in Frankfurt/Sossenheim. Nach zweieinhalb Jahren übernahm sie bereits dort die Schulleitung und blieb 13 Jahre lang in dieser Position. Seit 1986 wohnt die Mutter einer inzwischen erwachsenen Tochter bereits in Steinbach. „Irgendwann hörte ich, dass hier eine neue Leitung gesucht wird und habe mich beworben, so waren die Wege von der Arbeit nach Hause für mich viel kürzer.“ Seit November 2002 ist sie als Schulleiterin an der Geschwister-Scholl-Schule tätig. Am Mittwoch, 31. Juli, wird ihr offiziell letzter Arbeitstag sein. Am vergangenen Mittwoch ist sie bereits mit einer großen Feier im Schulfoyer verabschiedet worden.

„Beim Beginn von etwas Neuem gibt es immer eine gewisse Unsicherheit, aber ich freue mich auf den neuen Lebensabschnitt“, erzählt Sabine Schulze. Es sei ein guter Zeitpunkt für einen Wechsel gewesen, sagt sie. „Die Schule erlebt einen Umbruch. Im Schuljahr 2025/26 kommt die Ganztagsschule“, erzählt sie. Zudem wird die Geschwister-Scholl-Schule in das Startchancen-Programm des Bundes aufgenommen. Zum Schuljahr 2024/25 soll es schon losgehen mit einer Laufzeit von zehn Jahren. Das bedeutet, es werden Investitionen in eine hochwertige Ausstattung, eine moderne und barrierefreie Schulinfrastruktur sowie in eine zeitgemäße Lernumgebung und lernfördernde Räume wie Kreativlabore gemacht. „Es ist gut, wenn das jemand auf den Weg bringt, der das Projekt kontinuierlich begleiten kann. Jemand, der den modernen Kurs halten kann, sodass die Schule getrost in die Zukunft schauen kann“, findet Sabine Schulze. Erste Schritte hin zur modernen Schule der Zukunft hat Sabine Schulze bereits eingeleitet, zum Beispiel durch die Ausstattung der Klassenräume mit Smartboards, um der Digitalisierung Rechnung zu tragen. „Trotzdem lernen unsere Kinder mit Stift und Heft zu schreiben, und es wird auch noch viel auswendig gelernt. Der Kopf muss nach wie vor angestrengt werden“, sagt sie lächelnd. Zum neuen Schuljahr wird die Schulcloud als Kommunikationsmittel eingeführt, über die Eltern und Lehrer miteinander kommunizieren können. „Die Zettel in der Ranzenpost werden parallel weitergeführt, sollen dann aber wegfallen“, erläutert Sabine Schulze.

Für sie selbst beginnt nun auch ein neuer Lebensabschnitt. „Ich war viele Jahre terminbestimmt, jetzt steht das Ich ganz oben, und ich habe mir vorgenommen, nur das zu tun, was mir guttut“, erklärt sie. Das bedeutet, sich nicht verplanen, sondern mal treiben lassen, reisen, lesen und Zeit für Sport. „Die Kollegen, die Schüler und Eltern werden mir fehlen. Ich habe viel Positives von ihnen in all den Jahren zurückbekommen“, sagt sie dankbar. Ihre Stelle ist ausgeschrieben, doch der Bewerbungsprozess läuft noch. „Wenn ich gebraucht werden sollte, bin ich bereit, zu coachen, aber ich finde, man muss auch loslassen können. Aber den Heringssalat nach den Weihnachtsferien bringe ich selbstverständlich trotzdem vorbei.“ Und was wünscht man einer studierten Deutschlehrerin für ihren Neuanfang nach dem Berufsleben? Vielleicht ein schönes Futur II?

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