Drei Frauen und ein Mordfall

Hat die erpresserische Krankenschwester (Astrid Rashed, rechts) zu tief ins Glas geschaut oder hat Miriam Chester (Mackie Heilmann, Mitte) doch nachgeholfen? Annabel (Gerrit Kling, links) ist ratlos. Foto: jbr

Steinbach (jbr). In Schwarz gehüllt streifte eine Gestalt durchs Dunkle. In der Hand eine Geige, aus welcher eine Gänsehaut erregende Melodie erschallte. Die Figur verschwand, es wurde heller und Annabel Chester betrat schwer mit Koffer und Tasche beladen die Szenerie. Schon der erste Auftritt, bei welchem Schauspielerin Gerrit Kling überzeugend den Eindruck vermittelte, in diesem Hinterhof fehl am Platz zu sein, rief beim Publikum Gelächter hervor. Gerade aus Australien eingeflogen und frisch geschieden gelangte sie nach einer Ewigkeit zu ihrem Elternhaus, nachdem der alte Chester, ihr Vater, gestorben war. Der Verstorbene selbst würde zwar während des gesamten Stücks „Falsche Schlange“, mit dem die Steinbacher die Theatersaison im Bürgerhaus eröffneten, nicht auftreten, behielt aber durch seinen alten Schaukelstuhl in der Bühnenmitte eine bedenkliche Präsenz.

Miss Moody trat auf, die ehemalige Pflegerin des alten Mannes. Die merkwürdige Dame gab vor, dringend mit Annabel sprechen zu müssen. Es gehe um ihre Schwester Miriam. Diese hatte es, so erfuhr das Publikum, nie geschafft, sich vom herrschsüchtigen Vater zu lösen. „Ihr Vater fürchtete um sein Leben, Miss Chester!“, eröffnete Alice Moody der nur widerwillig zuhörenden Annabel und hielt dieser eine Briefkopie als Beweis unter die Nase. Weiter berichtete die Krankenschwester, welche Astrid Rashed von Beginn an mit herrlicher Verschlagenheit spielte, die sich später noch zu diabolischem Auftreten eines klassischen Bösewichts entwickeln sollte, sie sei entlassen worden, damit Miriam ihrem alten Herrn unbemerkt schädliche Medikamentendosen verabreichen konnte. Annabel Chester konnte sich das nicht erklären und wollte es auch nicht recht glauben, doch hatte ihr Vater per Testamentsänderung zur Alleinerbin gemacht. Nun wollte die Krankenschwester durch Erpressung einen beträchtlichen Teil davon für sich einstreichen. „Ich komme wieder“, erwähnte Moody bei ihrem Abgang, wobei dies eher nach einer Drohung als nach einem freundlichen Versprechen klang.

Die herzkranke Annabel war völlig durch den Wind. Gegen diese Schwäche würde sie im Lauf des Stücks noch Pillen schlucken, als wären es Bonbons. Der nächste Herzinfarkt-Moment ereignete sich kurze Zeit später, als plötzlich Miriam am Zaun stand. In ihrer Verwahrlosung erschrak sie Annabel und das Publikum. Mackie Heilmann, die Miriam Chester verkörperte, nahm das Publikum ihre Rolle als übertrieben emotionale, vielleicht auch etwas zurückgebliebene Tochter eines greisen Miesepeters sofort ab. Doch sollte sie noch ihr eigenes, teuflisches Genie zeigen.

Zunächst stellte sich Annabel die drängende Frage, wie sie und Miriam aus der scheinbar ausweglosen Situation entkommen könnten. Die Lösung: die gar nicht so hilflose Miriam beging ihren zweiten Mord und versenkte die mit Pillenresten ausgeknockte Erpresserin im Brunnen hinter dem Haus. Mackie Heilmann trug dabei ihre Schauspielkollegin mit beeindruckender Leichtigkeit über die Bühne, was wiederum für großes Erstaunen beim Publikum sorgte. Nun musste noch der Brief verschwinden. Der erwies sich als Fälschung. Alles umsonst! Annabel Chester tobte. Doch das war nicht der einzige Schock: Als die beiden in Haus gehen wollten, hob Miriam plötzlich einen triefnassen Schal vom Verandaboden auf. „Das ist Moodys!“ Die zunehmend unberechenbar werdende Szenerie gewann durch Toneffekte und Gerrit Klings markerschütternde Schreie an packender Spannung.

Dann ging plötzlich alles schnell. In einem kurzen Moment des Alleinseins wurde Annabel erneut von ihrer furchtbaren Kindheit eingeholt. Die Stimme des toten Vaters rief donnernd ihren Namen und Alice Moody stieg mit großem Getöse unerwartet aus dem Brunnen auf. Eine schaurige Kulisse bot sich den Zuschauern, als Annabels Herz einfach stehen blieb. Dann trat Miriam hervor und stellte den Kassettenrekorder ab. Miriam und Alice hatten sich verschworen, um an Annabels Erbe zu gelangen. Miriam beseitigte Alice Moody ein zweites Mal, um nicht eilen zu müssen sollte damit aber nicht davonkommen.

Mit simplen Mitteln schuf das Trio einen gelungenen Abend mit viel Humor sowie einer ordentlichen Prise Spannung und Grusel.



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