„Für mich ist Hullern ein Wohlfühlerlebnis“

Das neue Angebot der TuS, Hula-Hoop-Fitness, ist zum Trendsport avanciert. Auch viele Steinbacherinnen wollen lernen, wie man den bunten Reifen richtig kreisen lässt und kamen dazu in die Friedrich-Hill-Halle. Foto:jp

Von Christine Sarac

Steinbach. Die Gesellschaft scheint sich derzeit in zwei Lager zu spalten. In die einen, die „hullern“ oder „hoopen“, wie es auf englisch heißt, und die anderen. Zugegeben, bis vor kurzem wusste ich nicht mal, was hullern bedeutet. Aber das wird sich jetzt ändern. Die Frau, die das bewirken wird, heißt Melanie Blumenstiel. Die gebürtige Steinbacherin leitet den neuen Hula-Hoop-Fitnesskurs bei der Turn-, und Spielvereinigung Steinbach (TuS). Hula-Hoop-Fitness ist der Sporttrend schlechthin und hat mit dem Kinderspiel von früher nicht viel zu tun.

Die Corona-Pandemie hat sicherlich dazu beigetragen, dass das Sportprogramm mit dem bunten Reifen so erfolgreich geworden ist. Das Internet ist voll von sogenannten „Tutorials“, also Anleitungen, wie man richtig die Hüften kreisen lässt und was mit der entsprechenden Übung mit dem Hula-Hoop so möglich ist. Ich staune nicht schlecht und beobachte am Rechner sitzend gebannt, wie grazil sich so manche Reifenakrobatin bewegt. „Elli Hoop“ etwa, die im richtigen Leben Elli Haschke heißt. Die Dreifachmutter ist die derzeit wohl bekannteste deutsche Youtuberin in Sachen Hula-Hoop-Fitness und gibt Anfängern wie mir in unzähligen Videos Tipps. Aber es gibt auch Prominente, die den Dreh mit dem Dreh raus haben. Wie die Schauspielerin Jana Pallaske, die viele aus den „Fack ju Göhte“-Filmen kennen. Auf Instagram teilt sie hin und wieder kurze Videos, wie sie bei Sonnenuntergang am Strand mit einem beleuchteten Reifen zu Musik tanzt. „Das will ich auch können!“

Die gute Nachricht ist, für dieses Fitnessprogramm ist man nie zu alt, zu klein, zu dick oder zu unbeweglich. Ich bin nicht die Einzige, die neugierig auf den Trendsport ist. Der Kurs der TuS ist stark gefragt, wie die Vereinsvorsitzende Heike Schwab bestätigt. Belegt wird dies durch die Schlange am Eingang zur Friedrich-Hill-Halle. Nachdem die Teilnehmer ihren Impfnachweis erbracht haben, bekommen sie einen Hula-Hoop in die Hand, sofern die Teilnehmerin nicht schon einen besitzt. Der Verein hat eigens für den Kurs acht Stück angeschafft. Doppelt so viele Frauen – ein Mann hat sich bisher noch nicht dazugesellt – wollen heute mit mir von Melanie Blumenstiel die Tricks und Kniffe des Hooping lernen.

„Ich freue mich total darüber, dass das Hullern so gut ankommt“, strahlt die 34-Jährige. An dieser Stelle drängt sich mir allerdings schon die erste Frage auf: Wie finde ich den für mich passenden Reifen? „Hochkant aufgestellt sollte der obere Rand des Reifens ungefähr zwischen Schambein und Bauchnabel sein“, erklärt Melanie Blumenstiel, die gemeinsam mit ihrem Mann Tiemo in Oberursel lebt. „Für Personen bis zu 80 Kilogramm Gewicht sollte er außerdem zwischen 900 und 1200 Gramm wiegen, nicht mehr“, empfiehlt sie. Wer sich einen Hula-Hoop zulegen möchte, für den hat die Trainerin einen weiteren Tipp parat. „Billige Reifen für zehn Euro machen langfristig keine Freude. Sie sind nicht stabil genug gefertigt. Ein guter Reifen kostet zwischen 30 und 50 Euro.“ Ihr eigener ist übrigens ein selbst gebautes Modell. „Auch dafür gibt es Anleitungen im Internet“, verrät sie. Ein Besuch im Baumarkt kann sich für geübte Hooperinnen also durchaus lohnen. Als Anfänger profitiere man allerdings davon, wenn der Reifen etwas Gewicht habe, weiß die Expertin.

Die Büroangestellte ist schon immer sportlich gewesen. Mit sechs Jahren hat sie mit Geräteturnen bei der TuS begonnen. „Seit ich 16 Jahre alt bin, trainiere ich die vereinseigene Kindergruppe im Geräteturnen“, erzählt sie. Darüber hinaus spielt sie Badminton im Verein. Zu Hula-Hoop-Fitness ist Melanie Blumenstiel durch eine begeisterte Freundin gekommen, die sie zum Mitmachen aufforderte. „Es hat bei mir schon nach wenigen Versuchen gut geklappt, und schon war ich angefixt“, berichtet sie lachend. Das war im Januar 2019, noch bevor das Corona-Virus aufkam. Während der Pandemie hat sie – wie viele andere auch – ihre Fähigkeiten im Hullern ausgebaut.

Ich wills jetzt wissen und steige in den Ring. Ich spüre den mit Schaumstoff umkleideten Reifen am oberen Rücken. Diese Haptik ist wichtig, wenn der Hula-Hoop möglichst lange kreisen soll. Auch das Outfit kann dabei helfen, dass das Hullern gut klappt. Ja, richtig gelesen. „Am besten trägt man keine weiten Sachen. Leggins und ein T-Shirt sind perfekt, denn am Anfang muss man den Reifen spüren, um zu wissen, wann der Kick mit der Hüfte kommen muss“, erklärt Melanie Blumenstiel. Überhaupt sei beim Hullern viel Ausprobieren gefragt. Etwa, ob man besser in Schrittstellung mit nach vorne und hinten wippender Hüfte oder mit zwei Fuß breiter Standstellung und kreisender Hüfte den Hula-Hoop in Bewegung hält. Ich bin eindeutig eine Standhullerin. „Einfach machen, egal wie es aussieht“, denke ich und lege los. Der Reifen kreist, kreist, kreist und geht nach fünf Sekunden mit einem Knall zu Boden. Mit dem Hula-Hoop sinkt auch mein Mut. „Das war wohl nix“, denke ich. Ich schaue etwas verschämt, doch Melanie Blumenstiel muntert mich auf. „Alles gut, das ist ganz normal. Nochmal probieren“, sagt sie.

Wichtig ist, das die Bauchmuskeln angespannt sind. Das ist die größte Herausforderung für mich, denn diese Haltung ist ungewohnt. „Jetzt den Bauch anspannen, das Becken leicht nach vorne kippen, Pobacken zusammen und los!“ Melanie Blumenstiel macht es vor. Bei ihr, dem Profi, sind kaum noch Hüftbewegungen erkennbar. Es wirkt fast so, als würde der Hula-Hoop auf magische Weise in ihrer Körpermitte gehalten. Was mühelos erscheint, ist in Wirklichkeit sehr anstregend. „Durch das Hullern wird der ganze Körper trainiert. Es ist aber besonders gut für den Beckenboden und kann sogar dabei helfen, Rückenschmerzen zu lindern“, weiß Blumenstiel. „Aber jeder sollte es selbst ausprobieren und schauen, ob es ihm oder ihr gut tut“, empfiehlt die Expertin. Abraten würde sie allerdings bei fortgeschrittener Schwangerschaft. „Das sollte man lieber vorher mit dem Frauenarzt abklären“, rät sie.

Tatsächlich stellen sich bei mir nach kurzer Zeit die ersten Erfolge ein. Nach etwa 15 Minuten üben kann ich den Reifen schon fast eine Minute kreisen lassen. Das nächste Problem, das sich jetzt auftut ist: Wohin mit den Armen? Sie sind immer irgendwie im Weg. Deshalb mache ich automatisch „Gefügelärmchen“, das heißt ich winkle sie seitlich am Körper an, wie beim „Ententanz“. Sieht doof aus, wie ich finde. Eine Alternative dazu wäre das Modell „Mumie“, mit vor der Brust gekreuzten Armen oder auch die „Namasté“-Stellung, bei der sich die Handflächen vor der Brust berühren. Auch denkbar wären gerade nach oben gestreckte Arme. Nur die Schultern sollten nicht nach oben gezogen werden, denn das verursacht Nackenschmerzen.

Inzwischen schallt gute Musik aus dem portablen Lautsprecher der Trainerin und erfüllt die große Turnhalle. Auch die anderen Teilnehmerinnen hullern, was das Zeug hält. Die meisten lächeln dabei. Es macht einfach gute Laune, dieses Fitness-Hula-Hoop. „Für mich ist Hullern ein Wohlfühlerlebenis“, sagt Melanie Blumenstiel. „Ich komme so in mein inneres Gleichgewicht, kann entspannen, und das Beste, ich kann es praktisch überall machen – im Wohnzimmer, im Garten oder irgendwo im Freien.“ Außerdem macht es eine schlanke Taille. Damit hat sich sogar eine Studie der Universität von Waterloo (Belgien) im Jahr 2015 beschäftigt. Aber übertreiben sollten gerade Ungeübte nicht. „Am Anfang kann es auch zu blauen Flecken rund um die Hüfte kommen. Das ist ganz normal. Deshalb sollte man anfangs auch nicht stundenlang hullern. 15 bis 30 Minuten genügen. Erst wenn sich der Körper erholt hat und nichts mehr weh tut, sollte man die nächste Trainingseinheit ansetzen“, rät Melanie Blumenstiel.

!Wer sich auch glücklich hullern möchte, kann bis zu dreimal in den Kurs hineinschnuppern. Er findet dienstags von 19 bis 20 Uhr in der Friedrich-Hill-Halle, Obergasse 33, statt. Weitere Informationen gibt es in der Geschäftsstelle der TuS dienstags und donnerstags von 17 bis 19 Uhr unter Telefon 06171-982184.

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