„Hungertuch“ dem Röntgenbild eines Fußes nachempfunden

Die Anatomie eines gebrochenen Fußes thematisiert Gewalt, aber auch Heilung: Hungertuch in der Kirche von St. Bonifatius. Foto: HB

Steinbach (HB). Die chilenische Revolution durch Salvador Allende und deren brutale Niederschlagung durch die Militärs liegt ein halbes Jahrhundert zurück. Jetzt wird an die Ereignisse in der Kirche von St. Bonifatius mit einem Kunstwerk erinnert. In dem Gotteshaus in der Untergasse hängt die Fotografie eines Bildes, das die Chilenin Lilian Moreno Sánchez gemalt hat. .Die 53-Jährige lebt seit Langem in Deutschland. Das Gemälde stellt das diesjährige „Hungertuch“ der Fastenaktion von Misereor dar und wird damit zum Symbol der Fastenzeit in allen rönisch-katholischen Gemeinden.

Martin Luther nannte die Sakralkunst, auch unter den Namen Fasten- oder Passionstuch bekannt, geringschätzig „Gauglerwerk“. Daher hat diese Kunstform in protestantischen Gemeinden kaum Tradition, sie wird aber in der katholischen Kirche seit dem 12. Jahrhundert verehrt. Das Leinentuch wurde gelegentlich mit Motiven vom Leidensweg Jesu nach Golgatha versehen, meist jedoch als schlichtes Laken über das Kruzifix im Altarraum bis zum Ende der Fastenzeit zu Ostern gehängt.

In St. Bonifatius kommt das Hungertuch wie ein abstraktes Bild daher. Betrachter fragen nach der Sinnhaftigkeit und finden Antworten in einem Flyer, der am Eingang bereit liegt. Das dreigeteilte Werk ist dem Röntgenbild eines gebrochenen Fußes nachempfunden, der die Polizeigewalt bei der Konterrevolution in Santiago symbolisieren soll. Auf dem „Platz der Würde“ im Zentrum der chilenischen Hauptstadt, hat die Künstlerin Staub eingetütet und dem Tuch damit eine graue Schattierung verliehen. Die schwarzen Linien sollen an das Martyrium des Erlösers am Kreuz erinnern.

Doch das Bild will eigentlich keine düsteren Gedanken verbreiten, sondern es kündet von der Hoffnung und der Kraft, die von einem geheilten Fuß ausgehen, interpretiert die Malerin ihr Werk. Sie weist auf die goldenen Blumen hin, die sie als Ausdruck von Solidarität und Liebe versteht.

Die katholische Kirche hat zum Motiv des Hungertuchs eine passende Bibelstelle gefunden. Sie steht im Psalm 31 und heißt: „Du stellst meine Füße auf weiten Raum.“ Der Vers stammt aus der Zeit der babylonischen Gefangenschaft des Volkes Israel, als die Menschen „Zuflucht bei Gott gesucht und gefunden haben“, heißt es im Flyer, in dem die Künstlerin mit dem Satz „Eine andere Welt ist möglich“ zitiert wird. Die Kirche ist jeden Abend von 18 bis 19 Uhr zur stillen Andacht geöffnet.



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