Steinbach (HB). Die Allianz zwischen der Phormsschule am Waldrand und der Sozialen Stadt in der neuen Mitte trotzt auch Corona. Der Sozialpakt geht ins vierte Jahr, die Begegnungen zwischen den jungen Leuten der neunten Klasse und den Lebensälteren möchte niemand mehr missen. In der Stadtgesellschaft ist angekommen, dass die Jugendlichen auch mit Hacke und Spaten umgehen können.
Beim Startschuss des Projekts „Soziales Schulhalbjahr“ 2018 saßen die Partner auf dem Balkon von Avendi in der Untergasse erstmals zusammen, aber sie lachten und scherzten bereits. Da wusste man, die verstehen sich, die mögen sich, die Chemie stimmt. Mittlerweile ist diese Unterrichtsvariante eine feste Größe im Politikfach der Neunten und geht unter der Regie von Heike Dittrich bald in die nächste Runde. Die Lehrerin und ihre Mitarbeiterin, die Psychologin Katja Müller, werden im Schulhaus gelegentlich gefragt, wann es mit den Senioren-Meetings wieder losgeht. Ein untrügliches Zeichen für die Anerkennung, die das Projekt genießt.
Dieses besondere Schulhalbjahr soll der beruflichen Orientierung dienen und Interesse an Berufen mit sozialem Charakter wecken. Es schlägt Brücken zwischen den Generationen, und dabei spielt der Bürgerselbsthilfeverein „Die Brücke“ eine gewichtige Rolle.
Wahrscheinlich haben die Schüler ihren ersten Begegnungen mit Skepsis entgegengesehen. Alte Leute seien missmutig, notorische Nörgler und Querulanten, die schlechte Laune machen – solche Sichtweisen gab es. Doch die Projektteilnehmer, knapp 20 pro Jahrgang, haben gelernt, dass davon wenig wahr ist. Heike Dittrich, die an der Schule auch Geografie unterrichtet, erzählt, die Schüler seien erstaunt gewesen, wieviel Spaß das Zuammensein gemacht habe. Aus Sicht der 54-jährigen Pädagogin profitieren bei den Treffen der Generationen beide Seiten. Man taucht in die unterschiedlichen Lebenswelten ein, hört einer 96-jährigen aufmerkam zu, wenn sie über Kindheit und Jugend unter dem Hakenkreuz berichtet. Die alte Dame wird als Zeitzeugin geschätzt und ihre Lebensleistung respektiert. Andererseits sind die Alten neugierig auf den Schulalltag, empfinden sich im Dialog mit der jugen Generation wieder als Teil des Lebens.
Hospiz und Stadtpark
In diesem Jahr hat die Pandemie den Stundenplan verändert. Die persönlichen Treffen mussten reduziert werden, gemeinsame Spaziergänge waren nur noch sporadisch möglich, auch ein Besuch im Oberurseler Hospiz St. Barbara musste gestrichen werden. Heike Dittrich hat einen Karton mit Bastelarbeiten vor die Tür gestellt und eine schöne Adventszeit gewünscht. Die Schüler haben die Dekoration geliefert – Weihnachtsbäume für die Kaffeetafel und Papiersterne für die Fenster.
Diesmal wurde das soziale Schulhalbjahr durch eine ökologische Komponente ergänzt. Das war ein Fall für „Steinbach blüht“, eine Arbeitsgruppe unter dem Dach der Sozialen Stadt, die ihren grünen Daumen in der Stadt schon häufig hinterlassen hat. Auch am Grünen Weg, einem Stadtpark zwischen Gewerbegebiet und Berliner Straße, der regelmäßiger Pflege bedarf. Die Schüler waren hier hochwillkommen. Sie pflanzten Sträucher, legten eine Blühwiese an, bauten ein Insektenhotel und gingen dem Unkraut an die Wurzel. „In dieser Lektion wurde den Schülern bewusst, wie wichtig biologische Vielfalt ist“, resümierte Quartiersmanagerin Bärbel Andresen.
Ihren Ritterschlag erhielt die Partnerschaft im vergangenen Jahr. Eine gewichtige Delegation stand im Rampenlicht, als die Caritas-Stiftung im Bistum Limburg die Preisträger des Wettbewerbs „Gemeinsam Zukunft gestalten“ ausgezeichnet hat. Die Steinbacher haben den ersten Preis bekommen, weil die Jury von der „Nachhaltigkeit“ dieses Projekts besonders überzeugt war. Die Schüler lernten „den Alltag in den Pflegeberufen kennen und trainieren ihre sozialen Kompetenzen“, heißt es in der Begründung des Preisgerichts. Alt und Jung seien sich in einem Schulhalbjahr 600 Mal begegnet. Wenn das Projekt „Soziale Stadt“ in drei Jahren ausläuft, soll „youngcaritas“ mit der Phormsschule kooperieren. Das sind gute Aussichten.