Neuer Artenreichtum für die Steinbachaue

Begutachten die Fortschritte bei der Renaturierung des Steinbachs: Bürgermeister Steffen Bonk und Bauamtsleiter Alexander Müller (v.i.) im Anschnitt 3b, in dem der Bach zukünftig nicht nur mäandert, sondern sich auch mit neuer Bepflanzung präsentiert. Foto: Sebastian Köhler

Steinbach (bmi). Mit weitreichenden Erosionen, Uferabbrüchen und immer wiederkehrenden Überschwemmungen bot der Steinbach bisher vielfach einen traurigen Anblick. Dank Renaturierung sieht seine Zukunft nun nicht mehr schlammig und düster, sondern grün und artenreich aus.

Sein Wasser fließt bis in die Nordsee. Nun gut, nicht direkt, aber über die Zwischenstationen der Nidda, des Mains und schließlich des Rheins erreicht Steinbacher Wasser letztendlich die Nordsee. Ob von den derzeitigen Renaturierungsmaßnahmen in der Steinbacher Gemarkung ein nachgeordneter Wasserlauf profitiert, wie das sonst häufig bei derartigen Maßnahmen an kleineren Bächen zu erwarten ist, mag in diesem Fall dahingestellt sein, aber ortsnah profitiert die Natur in jedem Fall. Die bisher sehr unausgeglichenen Abflussverhältnisse des Steinbachs, von völliger Austrocknung in regenarmen Zeiten bis hin zu plötzlich enorm anschwellenden Wassermassen bei Starkregen und Gewitter, verursachten in der Steinbacher Gemarkung mannigfaltige Probleme mit einem fortschreitenden Erosionsprozess. Uferabbrüche und Überschwemmungen waren die Folge, die insbesondere im Bereich des Kleingartenvereins „Im Wingert“ nun mit den Renaturierungsarbeiten in dem „Abschnitt 3b“ eingedämmt werden sollen.

Dazu werden auf einer Strecke von 170 Metern eine Vielzahl an Maßnahmen getroffen. Zum einen wird der bisher unzureichende Regenüberlauf erneuert mit verbesserten hydraulischen Eigenschaften und naturnäherer Gestaltung. Zum anderen wird die zum Teil stark vertiefte Bachsohle erhöht und Bachsohle und Bachufer mit fünf Sohlgleiten im Abstand von 30 Metern stabilisiert. Außerdem wird der bisherige gerade Bachverlauf mäandriert und mit Schwellen versehen, sodass ein natürlicheres Habit entsteht mit einem Wechsel von flacheren und steileren Uferabschnitten. Diese bieten dann auch wieder eine größere Vielfalt an Lebensräumen.

Neue Artenvielfalt im Uferröhricht

Unterstützt werden diese Maßnahmen von einer Bepflanzung, die die Biodiversität mit Biotop- und Artenvielfalt im Blick hat. Als standortgerechte Bäume werden direkt am Ufer Schwarzerle (Alnus glutinosa) und Bruchweide (Salix fragilis) gepflanzt, die mit ihren Wurzeln zur Ufer- und Sohlbefestigung beitragen. Sie werden als ganz junge Pflanzen, sogenannte Heister, gesetzt und stehen dann vor allem an den Prallhängen, also an Uferabschnitten, die stärker vom Wasser angeströmt werden. Diese Bepflanzung wird ergänzt mit den standortgerechten Sträuchern Purpurweide (Salix purpurea), Mandelweide (Salix triandra) und Hanfweide (Salix viminalis) direkt am Ufer. Abseits der Ufer werden in geringerer Zahl die auentypischen Sträucher Rainweide (Ligustum vulgare) und Wasserschneeball (Viburnum opulus) gepflanzt.

Einige ruhigere Uferbereiche werden dagegen nicht mit Gehölzen bepflanzt, damit sich dort Uferröhrichte und Uferstaudenflure entwickeln können. „Damit soll ein wichtiges Ziel, eine möglichst hohe Biodiversität, erreicht werden“, erläutert Dr. Horst Franz vom Planungsbüro Franz – Ökologie und Landschaftsplanung. Gemeinsam mit dem Ingenieur-Büro Hermann Schäfer aus Dreieich verantwortet das Darmstädter Planungsbüro im Auftrag der Stadt das Renaturierungsprojekt, das bereits 2006 im Stadtentwicklungsplan beschlossen wurde.

Baugebiete finanzieren die Arbeiten

Übergeordnete Ziele, so Bauamtsleiter Alex- ander Müller, sind außer einer Stärkung der Steinbachaue auch Ausgleichsmaßnahmen für Baugebiete, wie mit dem jetzt durchgeführten Abschnitt 3b für das neue Gewerbegebiet, und die Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Die Renaturierung wird dabei quasi aus den Baugebieten heraus finanziert. Der Abschnitt 3b schlägt mit knapp 200 000 Euro zu Buche, bisher wurden insgesamt etwa 400 000 Euro ausgegeben. Für alle Abschnitte der Renaturierung sind um die 750 000 Euro veranschlagt, das nächste aufwendige Projekt (Abschnitt 1) ist bereits für 2022 geplant. Dann soll der Bach über eine Strecke von zehn Metern aus seiner Verrohrung geholt und freigelegt werden.

Doch zunächst wird voraussichtlich noch im April der jetzt bearbeitete Abschnitt 3b fertiggestellt. Für diesen Abschnitt war eine längere Vorbereitungsphase vonnöten, denn der Kleingartenverein „Im Wingert“ musste für die Renaturierung Grund und Boden abgeben. „Wir sind dem Verein für seine konstruktive Zusammenarbeit sehr dankbar“, betont Bürgermeister Steffen Bonk. Laut Hessischem Wassergesetz muss am Ufer ein Randstreifen von mindestens zehn Metern freigehalten werden, dies konnte jetzt ebenfalls umgesetzt werden.

Aufwertung des gesamten Gebiets

Dazu mussten etliche Parzellen des Kleingartenvereins weichen, für den Verein war ein längerer Prozess der Umgestaltung damit verbunden. Letztendlich werden auch die Kleingärtner von der Renaturierung profitieren, das gesamte Gebiet wird eine Aufwertung erfahren. Bauamtsleiter Müller rechnet mit weiteren fünf bis zehn Jahren, bis die Renaturierung vollständig abgeschlossen ist, immerhin beträgt die gesamte Länge des Bachverlaufs in der Steinbacher Gemarkung 1,7 Kilometer. Damit verläuft etwas mehr als ein Drittel des Bachs durch Steinbacher Gebiet, er ist insgesamt 4,6 Kilometer lang, bevor er in die Nidda mündet.

Eine Besonderheit des Bepflanzungskonzepts, das außer den Neuanpflanzungen auch den Kampf gegen die bisher munter wuchernden Brombeeren enthält, ist ein Anblick, der Spaziergänger zunächst zum Kopfschütteln veranlassen könnte: Die Weiden, die jetzt einen Großteil der neuen Bäume ausmachen, werden „auf Kopf gesetzt“, also oben radikal herunter geschnitten. Auch wenn das oft einen brutal erscheinenden Anblick bieten mag, so betont Bauamtsleiter Müller: „Die Weiden mögen das, es tut ihrem Wachstum gut“.



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