Bad Homburg. Mit großem Geläut begann der ökumenische Gottesdienst zum Gedenken an die Verstorbenen der Corona-Pandemie-Zeit in der Erlöserkirche. Eingeladen dazu waren Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche, der Stadt Bad Homburg und des Hochtaunuskreises, insbesondere aber Menschen, die ihre Trauer über den Verlust von Angehörigen zum Ausdruck bringen wollen und Trost suchen. Für die bisher 181 im Kreis verstorbenen Menschen in Verbindung mit Covid-19 brannten 181 Kerzen im Altarraum.
Die 182. Kerze, die Pfarrer Andreas Hannemann von der Erlöserkirche selbst entzündete, war eine brutale Erinnerung. „Sie ist für diejenigen, die noch sterben werden in dieser Pandemie, wir werden noch lange mit ihr leben müssen.“ Eindringliche Worte des Pfarrers am Ende eines Gottesdienstes, der vielleicht dazu beigetragen hat, ein bisschen mehr Dankbarkeit und Demut hervorzurufen. Denn es war tatsächlich nur ein Innehalten, ein Moment der Besinnung auf das Leben und den Tod zwischen Gebet und Gesang und Orgelmusik von Kantorin Susanne Rohn. Kurze Zeit zum „Trauern und Trösten“, so der Wahlspruch zum Gedenktag für die Opfer der Corona-Pandemie. Ehe der gemeinsame Kampf weitergehen muss, der noch lange nicht gewonnen ist. Es war noch einmal still in der ehrwürdigen Erlöserkirche, sehr still, bevor die versammelte Gemeinde das Gotteshaus verließ. Hinaus in das milde Abendlicht mit ein wenig Sonnenschein und Vogelgezwitscher. Das Leben geht weiter, aber es ist ein anderes Leben geworden.
Innehalten, immer wieder war die schlichte Aufforderung dazu im Kirchenraum vernehmbar an diesem späten Sonntagnachmittag an einem außergewöhnlichen nationalen Gedenktag. Ein inniger Wunsch, ausgesprochen von den beiden Pfarrern Hannemann und Werner Meuer von der benachbarten katholischen Kirche St. Marien. Innehalten und Mitleiden in Erinnerung an die Opfer, innehalten, um Hoffnung zu schöpfen und sich der Gemeinschaft, Verbundenheit und neuer Zuversicht zu versichern. Trotz täglicher neuer Horrorzahlen, rund drei Millionen Toter weltweit, etwa 80 000 in Deutschland, 181 im Hochtaunuskreis.
„Wir hören täglich Zahlen, aber es sind Menschen“, begann Pfarrer Hannemann. „Menschen mit Hoffnung, Fähigkeiten, mit Gefühl, Herz und Zweifeln. Wir wollen den Trauernden zeigen, dass wir mit ihnen sind, wir wollen die Trauer mittragen.“ Die Trauer jener, deren Angehörige einsam gestorben sind, die Trauer, in die sich Wut mischt, weil sie hilflos aus der Ferne zusehen mussten, wie geliebte Menschen sie verließen. Die keinen würdevollen Abschied von den Toten zelebrieren konnten, wie es in allen Kulturen auf unterschiedliche Weise üblich ist. Eine „unmenschliche Situation“ sei dies, hieß es allenthalben.
Kreisgesundheitsdezernent Thorsten Schorr erinnerte in einer kurzen Ansprache daran. Erinnerte an Giovanni Boccaccio, den bedeutenden Vertreter des Renaissance-Humanismus aus dem 14. Jahrhundert, der in seinen Texten über die tödliche Pest der Zeit die Auswirkungen einer Seuche auf die Gesellschaft so eindringlich beschrieb. Welche Risse plötzlich durch die Gesellschaft gehen, durch Parteien und Familien, ähnlich dem, was wir selbst in dieser Zeit erlebten.
Es war ein stiller, aber eindringlicher Appell, sich auf Gemeinschaft, Verbundenheit, Zuversicht und Hoffnung zu besinnen, denn „so weit ist das 21. Jahrhundert dann doch nicht vom Florenz des 14. Jahrhunderts entfernt“. In den kirchlichen Fürbitten drückte der Christdemokrat seinen Dank an alle aus, die sich in der Krankenpflege, der Betreuung älterer Menschen, im ärztlichen Dienst und allen anderen helfenden Organisationen ohne Ende und Klagen „unermesslich“ engagiert hätten in diesem ersten Corona-Jahr.
Für die Stadt sprach Oberbürgermeister Alexander Hetjes, warb für Solidarität und gab das Versprechen ab, „Sicherheit und Wohlergehen aller Menschen in der Stadt weiterhin in den Fokus zu stellen“. Aus fast allen Kommunen des Hochtaunuskreises waren Bürgermeister und Stadtverordnetenvorsteher zur zentralen Gedenkfeier in die Erlöserkirche gekommen, auch Pfarrer Michael Tönges-Braungart, Dekan des Evangelischen Dekanats Hochtaunus, mischte sich unter die Gottesdienstbesucher, die sich mit Maske weitläufig verteilt im großen Gotteshaus niederließen.
Für eine wunderbare musikalische Begleitung der Feier sorgten die Organistin Susanne Rohn und ein kleiner sechsköpfiger Chor. Es stand jedem frei, nach dem Schlussgruß eine der 181 Kerzen und damit ein Licht für die neue Welt mitzunehmen.