Bad Homburg (ks). Aus früherer Zeit kennt man die „Vanitas-Gemälde“ mit Totenkopf und Kerze, die den Menschen die Endlichkeit des Lebens vor Augen führen sollten. Makaber, düster und unheimlich. In seiner Ausstellung „Off Limits“ in der Englischen Kirche zeigt das Künstlerpaar Nicole Müller und Sascha Hackmann digitale Fotografien von Orten, die die Menschen verlassen und dem Verfall preisgegeben haben. Man könnte sie „moderne Vanitas-Versionen“ nennen, weil sie melancholisch stimmen und bezeugen, wie schnell die Zeit vergeht und sich die Lebensumstände der Menschen verändern.
Anders als die düsteren Vanitas-Gemälde haben die Szenarien alter Villen, Chateaus, Hotels, Bauernhöfe, Krankenhäuser, Fabriken, Kläranlagen oder Kraftwerke noch einen direkten Bezug zu den Menschen, die dort gelebt und gearbeitet haben und mit ihrem Schicksal verbunden waren. Vielleicht gibt es sogar noch „Zeitzeugen“, die wissen, warum die Orte verlassen wurden und in einst feudalen Räumen noch immer ein paar Stuhlreihen auf Zuhörer oder Gäste zu warten scheinen. Menschenleer, verlassen und erstarrt, als hätte eine böse Fee einen Fluch ausgesprochen. Es sind Bilder von morbider Schönheit und Poesie, die die Fantasie anregen und die Frage nahe legen, ob solche Orte freiwillig verlassen oder die Menschen daraus vertrieben wurden. Aber es sind zugleich auch Bilder, die den Betrachter mit einer „künstlichen Realität“ konfrontieren, die nichts mit der tragischen „Realität“ unserer Tage zu tun hat, die Menschen in die Flucht und in eine ungewisse Zukunft treibt. Ihre „Suche nach der Schönheit im Vergammelten“ hat das Ehepaar auch nach Georgien geführt, das von diesem Land begeistert ist und eine weitere Reise dorthin plant. Die Menschen seien sehr nett und gastfreundlich, und Verständigungsprobleme gebe es kaum, sagte Nicole Müller. Man kommuniziere mit einfach Mitteln und habe dabei auch erfahren, dass manche alten Hotels inzwischen von Flüchtlingen genutzt würden. Auch anderswo seien Initiativen in Gang gekommen, verlassene Orte wieder zu beleben.
Als Beispiele nannten die Künstler das Treppenhaus im Verwaltungsbau einer alten Fabrik, das saniert werde, und auch eine alte Kläranlage werde inzwischen wieder privat genutzt. Am Lago Maggiore stünden allerdings alte Villen reihenweise zum Verkauf. „Es ist traurig, dass so viele Schönes und Altes zerfällt, aber wir sind froh, dass wir im Verfall noch soviel Schönheit entdecken und festhalten können“, sagte Sascha Hackmann. Mit der Kunst und auch mit Optimismus und Einsatz lässt sich die Tatsache besser verkraften, dass letztlich alles Irdische „eitel“ und vergänglich ist.
Beide Künstler sind in Bad Homburg aufgewachsen und leben inzwischen im Rheinland und in Zürich. Die Ausstellung in der Englischen Kirche spiegelt das chronologische Schaffen des Paares seit 2013 wider, das auf eine „behutsame“ Bildbearbeitung setzt und vom optimalen Papier über Druck und Farbauswahl bis hin zu den Passepartouts und Rahmen „nicht nur Bilder, sondern Kunstwerke präsentiert“.
!Die Ausstellung „Off Limits“ im Kulturzentrum Englische Kirche, Ferdinandplatz, ist jeweils eine Stunde vor Beginn der Veranstaltungen sowie am Samstag und Sonntag von 11 bis 14 Uhr geöffnet.