Oberursel. Am zweiten Juliwochenende fand traditionell die Stierstädter Kerb statt. Los ging es am Freitagabend im Festzelt mit der Band „Secret Basement“, die auch als „Musik von Stierstädtern für Stierstädter“ angekündigt wurde. Sie traten mit einer Mischung von Hits der 50er bis 80er Jahre auf wie „Come Together“ von den Beatles, „Johnny B. Goode“ von Chuck Berry, „I’m Gonna Be“ von den Proclaimers und mittendrin „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“. Am späteren Abend wechselten sie zu Liedern aus den 90er Jahren.
In diesem Jahr organisierte die Feuerwehr Stierstadt turnusgemäß die Zeltkerb. Von der Decke des Zeltes hingen die Kerbefahnen der vergangenen Jahrzehnte, aus den Jahren, in denen die Feuerwehr ebenfalls die Organisation übernommen hatte. Am Eingang verkauften Mitglieder der Feuerwehr coole Sonnenbrillen in weiß, die mit einem blauen Bembelmuster und der Schrift „schmegge musser“ verziert waren. Der Erlös aus dem Brillenverkauf unterstützt die ehrenamtliche Arbeit der Feuerwehr.
Das gleiche Motto hing am Banner über der Getränketheke, hinter der Äppelwoi in reichlichen Mengen floss und in Gerippten in 10er-Körben fortgetragen wurde. Auf der anderen Seite des Zelts befand sich der Weinstand, an dem auch Cocktails serviert wurden. Der Stand, der vor 50 Jahren zum ersten Mal eingesetzt worden war, wurde kürzlich renoviert. Zum Essen wurden neben Wurst und Pommes auch belegte Brötchen, Schnitzel mit Zigeunersoße sowie Ofenkartoffel mit Sour-Creme angeboten.
Zwei Mitglieder der Feuerwehr, Markus Braun und Michael Blessin, hatten jedoch keinen Thekendienst, denn sie standen auf der Bühne als Teil von „Secret Basement“! Draußen am Festplatz konnten die Besucher Autoscooter fahren, auf Trampolinen springen, sich an der Schießbude vergnügen, Dosenwerfen und am Angelspiel ihr Glück probieren. Für einen süßen Nachtisch konnte man zwischen Crêpes, Schokoladenfrüchten, Zuckerwatte und verschiedenem von der Mandelbrennerei auswählen. Für die kleinen Gäste, die auch noch zur späten Stunde anwesend waren, gab es ein Kinderkarussell. Als es schließlich draußen dunkel war, wurde es im Festzelt voller und die Besucher sangen bei den bekannten Hits mit. Auch Kerbeburschen und -mädels aus den umliegenden Stadtteilen und Städten feierten und tanzten mit.
Um 7 Uhr früh am nächsten Morgen machten sich die Kerbeburschen auf den Weg ins Käsbachtal, um den Kerbebaum zu holen. Nach zweieinhalb Stunden kehrten sie zurück und begleiteten den geschmückten Baum singend die Taunusstraße entlang. Am vorderen Ende der Kolonne fuhr Ehren-Kerbebursche Harald Bender mit seinem Traktor, begleitet von seinem Sohn, Ex-Graf Johannes. An der Ecke Platanenstraße musste der Anhänger am anderen Ende des 22-Meter-langen Baumes von den Kerbeburschen gehoben werden, um ihn um die Ecke zu bekommen. Bevor die kerbeburschen den Baum aufstellen konnten, wurde ein Metallring angebracht, während die letzten unteren Äste entfernt wurden. Ein großer Kranz kam nun buchstäblich angerollt und wurde von unten nach oben über den Baumstamm gezogen. Schließlich wurde er am Metallring befestigt und mit Krepppapier geschmückt.
Nachdem der Kranz und drei Seile angebracht worden waren, begannen die Kerbeburschen, den Baum mithilfe einer Mischung aus Paletten, Stelzen und Dreibeinen in verschiedenen Größen aufzurichten. Hierfür gab Ex-Graf Markus Ganser immer wieder den Befehl: „Anfassen…. Heb an!“.Schließlich wurden die Seile gespannt, um den Baum hochkant zu halten. Plötzlich rutschte er einmal und lehnte sich Richtung Kinderkarussell. „Er muss in Richtung Bommersheim“, rief Markus und gab den Befehl, am entsprechenden Seil zu ziehen. Gegen halb zwölf konnten die letzten Stützen entfernt werden und der Kerbebaum wurde mit drei Gläsern Äppelwoi getauft.
Allerdings fehlte oben noch die Kerbelisa, die den Baum bewachen soll. Sie saß noch auf einem Stuhl am Boden und wartete auf Unterstützung durch die Feuerwehr. Diese kam mit ihrer neuen Drehleiter, sodass Johannes Bender, begleitet von Daniel Eisinger im Korb, die Kerbelisa oben am Baum anbringen konnte. Auch wenn es unter den Zuschauern noch Diskussionen gab, dass sie nicht Richtung Zelt schauen würde.
Pünktlich um 15 Uhr startete der Festumzug auf der Taunusstraße in Höhe des Seedammwegs. Geführt von einem historischen 84-Jahre alten Feuerwehrfahrzeug, lief das Blasorchester des Turnvereins Stierstadt 1891, gefolgt von den Kerbeburschen, Ex-Kerbeburschen und Ex-Kerbemädchen die Taunusstraße entlang. „Wenn es los geht sind wir da“, sangen sie. Auf beiden Seiten der Straße hatten sich Zuschauer versammelt. Viele Hausbesitzer hatten zudem ihre Hecken mit Krepppapier und ihre Häuser mit Stierstädter Fahnen geschmückt.
Sie fuhren bzw. liefen beinahe bis zum Ende der Taunusstraße. Dann läutete die Glocke des Feuerwehrautos und der Umzug kehrte in den letzten Hof auf der rechten Seite ein. Nach einer kurzen Pause ging es von einem Ausgang auf der Stierstädter Straße bis zur Gartenstraße weiter. Hier machte der Festumzug beim Wetebrunnen halt. Schließlich lief man über die Fahrgasse, Untergasse und Neugasse zurück zur Taunusstraße und weiter zum Festplatz. Die Blaskapelle ging am Festzelt zur Seite, dann drehten die Kerbeburschen und -mädels ihre Runden im Zelt. Anschließend nahmen sie ihre Plätze ein und die Blaskapelle betrat die Bühne.
Auf der Bühne stand ein Tisch mit einer roten Tischdecke. Darauf stand ein Äppelwoi-Fass. Dennis Becker von der Feuerwehr begrüßte die Besucher. Ortsvorsteher Thomas Gerecht saß sogar mit auf der Bühne, denn er spielte in der Blaskapelle mit. Bürgermeisterin Antje Runge bedankte ich bei den 240 Helfern, die bei der Kerb aktiv sind und sagte, dass dies zeige, was die Kerb Stierstadt bedeutet. Sie sei die „legendärste“ der Orscheler Kerbe: „Hier wird nicht ohne Grenzen, aber an den Grenzen gefeiert“, sagte sie. Außerdem merkte sie an, dass alle nun gespannt auf den Fassanstich warteten. Wie vermutlich viele wussten, war beim Brunnenfest der Krug beim Fassanstich kaputt gegangen. Vorsichtshalber hatten die Kerbeburschen den Bembel nun auf dem Boden hingestellt. Brunnenkönigin Tanja I. überreicht als besonderes Geschenk den großen Brunnenkönigin-Bembel an Dennis Becker, der dies noch vor dem Fassanstich in Sicherheit brachte. Währenddessen zog sich Brunnenmeister René eine Kerb-Sonnenbrille an und erklärte, normalerweise darf er bei solchen Anlässen keine Sonnenbrille tragen, aber für die Feuerwehrbrille machte er eine Ausnahme.
Im Laufe des Nachmittags wurden sowohl die Brunnenkönigin als auch der Brunnenmeister an den Tisch der Kerbeburschen geladen, der sich links von der Bühne befand. Dort nahmen sie an einem Ritual teil, bei dem man bei einem Fehler ein Glas Äppelwoi „auf ex“ austrinken musste. Der arme René musste für Tanja ein Glas trinken.
Abends im Festzelt traten die „Lamas“ auf und sorgten für gute Stimmung einen Hit nach dem nächsten. Vor allem bei Schlager und den typischen Mallorca-Liedern wurde von den Feiernden kräftig mitgesungen, so dass das Zelt bebte. Auch andere Vereine unterstützten mit Diensten an diesem Abend, so wurde die Weintheke von Mitgliedern der TV Stierstadt betrieben.
Der Sonntag begann mit einem Festgottesdienst in der Kirche St. Sebastian, gefolgt vom Frühshoppen mit dem Blasorchester Kelkheim Hornau. Zum ersten Mal in diesem Jahr wurde auch ein Kinderflohmarkt am Festplatz veranstaltet. Im Festzelt wurden die Tische mit frischen Tischdecken im bayerischen blau/weiß Muster gedeckt. Am Abend fand der Trachtenabend im Zelt statt. Viele Besucher und auch der Musikzug der Feuerwehr Stierstadt, unter der Leitung von Uwe Deparade, waren in Dirndl und Lederhosen gekommen.
Der Kerbemontag stand im Zeichen der Tradition und fing mit Frühschoppen an, bevor die Kerbeburschen im Mittelpunkt standen. Deren Vorsitzender, Patrick Thomas, auch der „Graf von Luxemburg“ genannt, wurde mit einem Kompakttraktor in das Festzelt reingefahren. Außerdem wurde die neue Kerbefahne eingeweiht. Auf der Fahne sind der Kerbebaum und ein Bembel mit einer roten Feuerwehrschleife zu sehen.
Nachdem der Fassanstich ohne Scherben ausging, gab es sie natürlich dann doch beim Gickelschmiss. Mit nur drei Schlägen konnte Antonia Schneider mit dem Dreschflegel den Bembel zertrümmern und wurde zum neuen Kerbemädchen ernannt. Sie bildete zusammen mit Max Peyer das Kerbepaar. Der letzte Abend klang bei der Weinstandparty zu den Klängen von Alessandro aus. Brunnenmeister René fasste seine Meinung zur Kerb bereits am Samstagnachmittag zusammen: „Das Brunnenfest ist eben das zweitbeste Fest in Orschel!“.
Mit vereinten Kräften stellen die Stierstädter Kerbeburschen den Kerbebaum auf.Foto: gt
Am Wetebrunnen wird Halt gemacht, denn Zeit für ein Gruppenfoto muss sein.Foto: gt