Changieren zwischen Historie und Moderne

Blick in den Saal mit den weiträumig verteilten und vielen freien Stühlen sowie auf die Präsentation von Kurdirektor Holger Reuter. Foto: js

Bad Homburg (js). „Die Zukunft des Kurhauses beginnt jetzt!“ Mit Ausrufezeichen hat Kurdirektor Holger Reuter diese Aussage über seine Präsentation bei der ersten Bürgerinformation zum Thema neues Kurhaus gesetzt. Sanierung oder Abriss und Neubau, das ist hier die Frage, das wussten die Besucher schon aus mehreren Zeitungsartikeln und anderen Medien. Ein kleines bisschen Wunschdenken hat der Kurdirektor noch über der Titelzeile positioniert: „Tradition bewahren, Zukunft gestalten“. Zum „Handeln verdammt“, sei die Stadt, sagt Oberbürgermeister Alexander Hetjes.

Die Vision vom Millionengrab geistert natürlich schnell durch die Köpfe. Es gibt so viele Beispiele bei Projekten dieser Art, Kurdirektor und OB Hetjes als Kronzeugen der Stadt halten sich daher bei den Fragen nach „Schmerzgrenze“ und „Roter Linie“ hinsichtlich der möglichen Kosten für das Projekt „Kurhaus der Zukunft“ wohlweislich dezent zurück. Keiner lässt sich da von den rund 40 „Bürgern“ im Saal eine Antwort herauslocken. Es werden in jedem Fall, ob Sanierung oder Neubau, ziemlich viele Millionen Euro sein, die da fließen müssen. Rund zwei Millionen Euro, das darf das Volk wissen, werden bereits vor dem ersten Spatenstich in Sanierungsgutachten und Realisierungswettbewerb geflossen sein. „Wir brauchen so viel wie möglich Informationen, wir wollen viele Optionen haben für eine am Ende solide Entscheidungsgrundlage“, sagt Reuter. Und ein Bürgerentscheid soll ja auch noch eingebaut werden, wenn das rechtlich möglich ist.

Blickfang und Flaggschiff

Rund 80 Leute saßen bei der Veranstaltung im „Corpus Delicti“ im Saal, darunter fast das gesamte Team der Kur- und Kongress-GmbH, Mitarbeiter der Stadt, externe Berater und interessierte Architekten. Das Maß der angepinnten Meinungen zum Projekt an einer Stellwand und die Zahl derer, die angaben, wie oft sie im vergangenen Jahr das Kurhaus besucht hatten, korrespondierten, es dürften die neugierigen Bürger gewesen sein, 36 haben im Foyer ihre Stimme abgegeben. Haben häufiger für eine Sanierung nach historischem Vorbild vor allem der Fassade votiert, ein „Neubau würde das Herz der Stadt zerstören“, heißt es auf einem Zettel. Ein „Eye Catcher“ müsse das neue Kurhaus werden, ein „Flaggschiff von Stadt und Kur“, das die „Entwicklung einer Story“ biete, stand auf anderen gelben Zetteln. Historie schlägt Moderne, eine deutliche Tendenz am Ende. „Was ist Ihnen für die Zukunft des Kurhauses besonders wichtig?“ Diese Frage sollten die Bürger beantworten und dabei auch dessen Umgebung miteinbeziehen. Rund 200 haben sich nach Angaben der Stadt in den Livestream im Netz eingeklinkt.

Claudia Birkemeyer wohnt in der Nachbarschaft in der Nähe des Waisenhausplatzes, als „Neubürgerin“, die erst drei Jahre in der Stadt lebt, hat sie einen unbefangenen Blick auf das Ensemble, ohne persönliche Sentimentalität. Sie ist gekommen, weil es ein „spannendes Thema“ ist und weil sie glaubt, dass es „vielen Menschen in der Seele weh tut, wenn sie ihr in die Jahre gekommenes Kurhaus“ so sehen. Ein Abriss, findet sie, ist nicht nötig, ganz wichtig aber sei, dass „ein anderes, ein neues Bild entsteht“. Claudia Birkemeyer würde vor allem bei der äußeren Gestaltung eine „Kombination aus Tradition und Moderne“ präferieren, man müsse dieses „absolute Zentrum der City dem schönen Stadtbild anpassen“. Wählerisch, das zeigt jede noch so kleine Umfrage, sind die Menschen in der Stadt vor allem beim äußeren Schein ihres Kurhauses, eben bei der Fassade und dem, was sonst noch nach außen wirksam ist. Wunderbar in diesem Zusammenhang der 90 Sekunden dauernde „Erklärfilm“, den Kurdirektor Reuter zu Beginn seiner Präsentation einspielen lässt. Mit dem historischen Traum von 1843 über spätere Schandtaten bis hin zum aktuellen Kurhaus, das so in vierter Generation auch erst 1984 eröffnet wurde und schon jetzt wieder am Ende ist.

Claudia Birkemeyer und die anderen Befürworter der historisch-modernen Kombination im äußeren Kleid kommen einer Vorgabe des Realisierungswettbewerbs schon nahe. Da müssen die Teilnehmer zum Leidwesen eines lokalen Architekten zwei Konzepte einbringen: eine Variante mit einer historisierenden Fassade Richtung Louisenstraße und einer modernen Variante zum Kurhausgarten, eine weitere mit moderner Ausrichtung nach beiden Seiten. Und was seine Präferenz sei, wurde der OB gegen Ende der Veranstaltung gefragt? „Natürlich“ habe er eine, weil ihn das Thema „von Herzen“ umtreibe, aber er werde „einen Teufel tun“ und dies in diesem Stadium öffentlich äußern. Im Sommer 2021, wenn die ersten zwei Millionen Euro ausgegeben sind, soll die Entscheidung zur Zukunft des Kurhauses fallen. Es könnte ein Bürgerentscheid werden.

Weitere Artikelbilder



X