Ganz in Weiß etwas Normalität genießen

Ohne Picknick und mit etwas mehr Abstand als in den „normalen“ Jahren des Bad Homburger Sommers, aber doch ganz in Weiß gekleidet und in schöner Atmosphäre genießen die Gäste am Kaiser-Wilhelms-Bad die Klassiknacht.

Von Katrin Staffel

 

Bad Homburg. Gespannte Erwartung vor Beginn der „Klassiknacht in Weiß“ auf der Wiese vor dem Kaiser-Wilhelms-Bad, in der die Hoffnung auf ein bisschen „Normalität“ in diesen Coronazeiten spürbar war. Als Juri Gilbo, „Chef“ der Russischen Kammerphilharmonie St. Petersburg, den Taktstock hob und das Orchester mit einem flotten Marsch den Anfang machte, war das wie eine Verheißung und ein Trost, dass vielleicht doch wieder alles gut werden könnte.

Dieser Hoffnung folgte auch das Programm, das der leichteren Muse den Vorrang gab. Mit einem guten Mix von der Klassik über Melodien aus Oper, Operette, Musical und Filmen ließ die Anspannung nach und machte allmählich der Freude über diesen schönen Sommerabend Platz. Das Publikum ließ sich mitreißen und dankte dem Orchester, der schönen argentinischen Mezzosopranistin Lidia Palacios und dem temperamentvollen russischen Bassisten Igor Storoschenko nach den willig gewährten Zugaben am Ende mit anhaltendem Applaus und stehenden Ovationen. Es war manche Melodie, manches Lied, mancher Song dabei, der es sich wie ein „Wurm“ über die Jahre im Ohr gemütlich gemacht hatte und nun eine willkommene „Auferstehung“ erlebte; etwa bei der Arie des Sarastro aus Mozarts „Entführung aus dem Serail“. Igor Storoschenko meisterte sie mit Bravour und hatte an diesem Abend noch oft Gelegenheit, seine Beherrschung auch der tiefen Basstöne zu beweisen. Die sind nicht zuletzt auch beim Trinklied „Als Büblein klein an der Mutterbrust...“ gefordert, mit dem tiefen „Bacchus trank auch...“ am Schluss.

Brillante Sänger

Beim gemeinsamen Auftritt der beiden Gesangsartisten im Song „Hallo, Dolly“ aus dem gleichnamigen Musical konnte der Sänger auch seine Begabung als Imitator schwarzer Sänger mit dem typischen „krächzenden“ Sprechgesang beweisen. Lidia Palacios stand ihrem Kollegen in nichts nach. Auch sie überzeugte in den verschiedenen musikalischen Genres und meisterte die „Habanera“ aus Bizets Oper „Carmen“ ebenso überzeugend wie das gefühlvolle Lied „Du sollst der Kaiser meiner Seele sein“.

Auch im eingängigen Song „Don’t Cry For Me, Argentina...“ aus dem Musial „Evita“ konnte die Sängerin brillieren, während ihr Kollege mit dem Wunsch „Wenn ich einmal reich wär’“ aus „Anatevka“ begeisterte. Zu den bekannten Orchesterstücken gehörten auch Schostakowitschs „Walzer“ und der „Säbeltanz“ von Katschaturian. Hier mischte sich das Saxofon mit Tönen ein, die an „Säbelrasseln“ erinnerten. Bei den Märschen war besonders die gute Bläserformation in einem Orchester im Einsatz, das durch Spielfreude und Engagement beeindruckte.

Thomas Hahnelt, der durch das Programm führte, war ein unterhaltsamer Begleiter an diesem Abend, der kleine Anekdoten zum Besten gab: Ein Ehepaar wartet im Konzert darauf, dass es endlich losgeht. „Was gibt es denn heute?“, fragt er. Sie: „Musik von Offenbach“. Er: „Ach so, dann wern se sich wohl verfahrn hawwe.“ Dazu gab es den mitreißenden „Cancan“ aus Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“. Der Komponist stammte zwar aus Offenbach, hieß eigentlich aber Jakob Ebers.

Zu den unterhaltsamen „Schmankerln“ an diesem schönen Abend gehörten auch die tänzerischen und charmanten Einlagen des Pantomimen „Pan“, der ein paar Damen mit einem vom Beet „geklauten“ Blümchen erfreute. Aber er gab sich dezent und aufdringlich und teilte am Schluss mimisch mit, dass er noch am Abend nach China fliegen müsse. Richtig. Wir leben ja in einer global vernetzten Welt. Daran hatten uns Lieder und Songs aus anderen Breiten auch schon erinnert. Nehmen wir deshalb das „Hallelluja“ vom Schluss als Aufforderung und Hoffnung mit nach Hause.

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