Gefeierte Rückkehr des „Silbernen Beins“

Von Jürgen Streicher

Bad Homburg. Der Titel der Ausstellung gibt Rätsel auf. Vor allem das vorangestellte „244ff.“ Weiß ja nicht jeder, dass die Landgrafenzeit derer zu Bad Homburg ziemlich genau 244 Jahre gedauert hat. Dass ein Friedrich I. am Anfang stand und ein kinderloser Ferdinand ihr Ende einläutete. Schon passt der Titel „244ff. – Von Friedrich bis Ferdinand“. All das spielte sich von 1622 bis 1866 im immer noch so genannten Landgrafenschloss ab, mit Ferdinands Tod in seinem 83. Lebensjahr fiel der Vorhang, er war der letzte männliche Vertreter der Dynastie. Von der Alltags- und Herrschaftsgeschichte der Landgrafen erzählt die Ausstellung.

Schon seit Monaten feiert die Kurstadt das 400. Jubiläum der Landgrafschaft Hessen-Homburg, ein goldener Löwe ist das Symbol im Logo zu all den Veranstaltungen. Gefeiert wurde zuletzt aber mehr die Wiedereröffnung des Königsflügels im Schloss nach zehnjähriger Sanierung. Nun sollen die Landgrafen in einer Dauerausstellung ins rechte mal rehgraue, mal teegrüne Licht gerückt werden. So werden die Farbtöne genannt, in denen die beiden Ausstellungsräume im Westflügel frisch gestrichen wurden. Rehbraun die Bibliothek, teegrün der Saal mit der Ahnengalerie. Beide Räume wurden einst vom großherzoglich-hessischen Hofarchitekten Georg Moller geschaffen, Landgräfin Elisabeth hatte das im Jahr 1831 so in Auftrag gegeben. Um die 16 000 Bände waren hier mal gelagert.

Die Bibliothek ist immer noch Bibliothek, aber Ausstellungskurator Yannick Philipp Schwarz und seine Kollegin Nora Möritz haben sie so geöffnet, dass Geschichten nicht nur in Büchern erzählt werden, als Chronik einer Zeit. „Das wollten wir nicht, es geht eher darum, exemplarisch Geschichten zu erzählen“, sagt Yannick Philipp Schwarz, der selbst ein begnadeter Erzähler solcher Geschichten ist, die sich hinter den etwa 150 ausgestellten Exponaten verbergen. Die Gäste sind eingeladen, sich bei ihrer Spurensuche aus Bruchstücken ihr eigenes Mosaik der Vergangenheit zusammenzusetzen, wenn sie Glück haben, treffen sie Kunsthistoriker Schwarz beim Gang durch den Salon.

Von „Militär“ bis „Fernweh“

Allein gelassen sind die Besucher auch ohne den Kurator nicht, vor jeder Regalwand in der Bibliothek gibt es im passenden Abstand ein Stehpult mit einem schön eingebundenen Buch mit Begleittexten zu den Exponaten des jeweiligen Unterthemas von „Staatlichkeit“ über „Militär“ bis hin zu „Fernweh“ und zum „Ende“ der Landgrafen mit ein paar rechten Schmankerln. Die Vitrinen mit den Ausstellungsstücken sind dezent in die Regalwände integriert, auf Knopfdruck kann man die jeweils gewünschte beleuchten, nach vier Minuten schaltet sie automatisch ab.

Auch das berühmte „Silberne Bein“ des Landgrafen Friedrich II. wird angeleuchtet, der konstruierte mechanische Ersatz des im Krieg 1659 vor Kopenhagen eingebüßten rechten Unterschenkels. Das Heldenbein ist erstmals seit zwölf Jahren wieder zu sehen. Dazu auch die Kopie einer Lebendmaske des besonderen Landgrafen, von dem auch eine Bronze-Büste in Barockpose gezeigt wird. Mit digitaler Unterstützung wird das Rätsel des sehr aparten „Hundertfächerschranks“ gelöst, auch so ein Stück aus dem Barock. In dreieinhalbminütiger Endlosschleife wird der Schrank seziert und gezählt, ob die Zahl der Fächer des Sekretärs tatsächlich seinen Namen bestätigen.

Der Teesalon nebenan ist jetzt zur neu gestalteten Ahnengalerie geworden. „Das begehbare Familienmuseum“ nennt es Yannick Philipp Schwarz. Hier kann man die digitale Medienstation als Hilfe gut gebrauchen, um sich zwischen den Porträts und Familienbildnissen aus drei Jahrhunderten die wichtigsten handelnden Persönlichkeiten der landgräflichen Zeit und auch die nur im Hintergrund stehenden Gestalten zu einem bunten Mosaik der Vergangenheit zu formen. Wer dann noch mehr ins Detail gehen will – da gibt es ja hochspannende Liebesverwicklungen – der kann sich für den 18. Oktober zu einer Podiumsdiskussion anmelden, die in Präsenz und online stattfinden soll. In der Schlosskirche geht es um die internationalen Verflechtungen der hessen-homburgischen Dynastie, etwa um das „Eheglück“ des dreimal strategisch verheirateten Friedrich II., das mit der Expertise hochrangiger Professoren verschiedener Universitäten seziert werden soll. Eine Anmeldung ist bis zum 14. Oktober per E-Mail an service[at]schloesser.hessen[dot]de möglich. Die Ausstellung „244ff. – Von Friedrich bis Ferdinand“ ist ab dem 5. Oktober geöffnet.

„Das begehbare Familienmuseum“ nennt Ausstellungskurator und Kunsthistoriker Yannick Philipp Schwarz die neu gestaltete Ahnengalerie im teegrünen Salon des Landgrafenschlosses. Foto: js

Das berühmte „Silberne Bein“ des Landgrafen Friedrich II. ist erstmals seit zwölf Jahren wieder zu sehen. Foto: js

Weitere Artikelbilder



X