Gelungene Verbindung zwischen Hardrock und Klassik

Bad Homburg (ba). Zwei Stilrichtungen, die auf den ersten Blick kaum Gemeinsamkeiten haben, sind Hardrock und klassische Musik. Wenn man jedoch weiß, dass viele Rock-Musiker eine klassische Ausbildung haben und diesem soliden Hintergrund ihre Virtuosität und manchmal auch ihren Erfolg zu verdanken haben, wundert es nicht, dass manche auch beides vereinen. Schon vor 50 Jahren führte die bekannte Hardrock-Band „Deep Purple“ ihr „Concerto for Group and Orchestra“ erstmals mit einem Orchester auf. Komponiert wurde es von Jon Lord, dem legendären Keyboardspieler der Gruppe, der damit das neue Genre „Crossover“ erschaffen hatte.

Die „Deep Purple“-Coverband „Purple Rising“ nahm nun den Jahrestag zum Anlass, das Concerto zusammen mit dem Sinfonieorchester der Uni Frankfurt aufzuführen. Da Andreas König, der „Kopf“ und Keyboarder der Band, in Bad Homburg wohnt, wählte er das Kurtheater als Veranstaltungsort. Im ausverkauften Saal trafen langhaarige „Deep Purple“-Fans in Jeans und Lederjacke auf etwas konservativere Musikliebhaber im Blazer oder Sakko und alle hatten einen fantastischen Abend miteinander.

In der ersten Hälfte erklang das besagte Concerto in drei Sätzen von „Movement I“ bis „Movement III“. Das Orchester des Collegium Musicum der Goethe-Universität unter Leitung von Jan Schuhmacher spielte souverän zusammen mit der Band, obwohl es anfangs für den Klangkörper noch eine gewisse Herausforderung darstellte, sich mit den elektronischen Instrumenten zu vereinen. König erinnerte sich an die Proben: „Die Zusammenarbeit war sehr produktiv. Es war nicht einfach, zueinander zu finden: Ein klassisches Orchester schaut auf den Dirigenten, eine Rockband hört auf den Schlagzeuger. Beide Seiten mussten sich in die Herangehensweise der jeweils anderen Seite hineinversetzen. Ich denke, wir haben alle viel gelernt.“

Andreas König hatte vor Jahren sogar einmal Gelegenheit, mit dem Meister persönlich zu spielen. Im Interview erzählt er: „Ich hatte im Jahr 2009 das große Glück, das ‚Concerto for Group and Orchestra‘ gemeinsam mit Jon Lord und einem Sinfonieorchester aufführen zu dürfen. Bei den Vorbereitungen setzte ich mich intensiv mit dem Stück auseinander und hörte es plötzlich mit anderen Ohren: Was als Wettstreit zwischen Orchester und Band im ersten Satz beginnt, verschmilzt im ruhigen zweiten Satz und endet in einem furiosen Finale im dritten Satz. Hier sind Orchester und Band nicht mehr voneinander zu trennen.“ Die Zusammenarbeit mit Jon Lord lief optimal, erinnert sich König: „Er war höflich, zuvorkommend und lobte gleich in der ersten Probe unsere Arbeit; das nahm uns dann doch den Druck von den Schultern. Ich hörte ihm bei den Proben intensiv zu.“ Im Jahr 2011 formierte sich schließlich „Purple Rising“ und gewann im Laufe der folgenden Jahre viele Freunde. „Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass die Band so gewachsen ist, dass wir das Concerto selbst auf die Bühne bringen können.“ Jon Lord war 2012 verstorben und so wurde es auch im Gedenken an ihn und seine musikalische Genialität aufgeführt.

Die Symbiose aus klassischer Orchesterinstrumentalisierung und zeitgenössischer Rockmusik, arrangiert in Form eines Concerto Grosso, begeisterte die Zuhörer, von denen viele das Stück allerdings zum ersten Mal hörten. Nach der Pause wurden bekannte Klassiker von „Deep Purple“ gespielt, und einige der Fans hatten sie schon sehnsüchtig erwartet, zumal nicht jeder einen Bezug zu Orchestermusik hatte, und so waren im ersten Teil schon Rufe wie „Jetzt rockt mal richtig los!“ laut geworden. Bei Songs wie „Highway Star“ und „Black Night“ waren dann schließlich auch die Hardrock-Puristen glücklich. Manche Stücke waren extra neu arrangiert worden. Bei einigen rockten befreundete Gitarristen wie Matthias Baselmann und Holger Kindereit mit. Bei anderen spielten Solisten, wie zum Beispiel Henning Wrage an der Violine, ein Streichquartett oder wiederum das ganze Orchester mit.

Auf hohem Niveau

Sänger Patrik Sühl meinte: „Das ist eine gelungene Inklusion: nur fünf Akkorde beherrschende Rockmusiker inmitten eines klassischen Orchesters.“ Doch jedem aufmerksamen Zuhörer war bewusst, auf welch hohem Niveau die Band agierte. Dem Sänger gelang es beispielsweise bei „Child In Time“ über mehrere Oktaven zu singen. Das ist selbst Ian Gillan, dem Sänger von „Deep Purple“, heutzutage mit über 70 Jahren nicht mehr möglich. Auch Gitarrist Andi „Doc“ Kraus, Dominik Stotzem am Bass und Patrick Hauert am Schlagzeug spielten hervorragend.

Andreas König empfindet wie viele andere Fans die Musik von „Deep Purple“ als zeitlos und erinnert sich gern an frühere Konzerte der Band: „Das erste Mal sah ich sie live im Jahr 1987 in der Frankfurter Festhalle. Live klang die Band plötzlich ganz anders als auf Platte – die Songs wurden anders gespielt, und es wurde viel improvisiert. Doch was mich anfangs etwas irritierte, lernte ich im Laufe der Jahre zu schätzen und zu lieben. Zwei ‚Deep Purple‘-Konzerte sind nie gleich, es passieren ständig unerwartete Dinge beim Zusammenspiel der Akteure. Das setzt natürlich ein hohes Maß an Musikalität und Virtuosität voraus.“ An eine „Deep Purple“-Tribute-Band stellt dies eine große Herausforderung, die in „Purple Rising“ gut gelingt.

Das Publikum war definitiv begeistert, sang viele Stücke mit, und manche Fans standen sogar auf und tanzten. Mit „Smoke On The Water“ klang ein mehr als dreistündiges Konzert aus, das allen viel Freude machte und eine gelungene Würdigung der ersten Crossover-Band der Welt war, die Hardrock und klassische Musik verband: „Deep Purple“.

Die „Deep Purple“-Coverband „Purple Rising“ führt zusammen mit dem Sinfonieorchester der Uni Frankfurt das „Concerto for Group and Orchestra“ auf. Foto: ba



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