Der grüne Traum wächst mit bayerischer Pflege

Kurzer Test auf noch fragilem Untergrund: Oberbürgermeister Alexander Hetjes (r.) und Tennis-Clubpräsident Uwe Eyles dürfen klassisch mit Holzschläger ein paar Bälle auf dem Bad Homburger „Wimbledon-Rasen“ schlagen. Foto: Streicher

Bad Homburg (js). Aus dem richtigen Blickwinkel, in diesem Fall flach über den Boden geschaut, sieht der „Heilige Rasen“ von Wimbledon im Kurpark schon richtig gut aus. Satt seine grüne Farbe, ordentlich auf Höhe manikürt und dicht an dicht die Büschel, über die eigentlich schon bald Tennisbälle gedroschen werden sollten. Das ist ja bekanntlich aufgrund von Corona um ein Jahr verschoben, dem Kurstadtrasen dürfte das gut bekommen, denn so kann er perfekt reifen. Aus weniger schrägem Winkel betrachtet sind die Grasreihen nämlich noch nicht so geschlossen, wie es die strenge Etikette im „All England Lawn Tennis and Croquet Club“ verlangt und dem Tennissport auf Rasen zuträglich ist. Das gilt auch für die jüngere Schwester in Homburg, die in Zukunft einmal im Jahr Weltklasse-Damentennis bieten will. Auf feinstem Grün selbstverständlich.

Mit einem Schnitt alle paar Tage, mit wohldosierter Bewässerung, mit professioneller Pflege in den kommenden Wochen und steter Kontrolle im weiteren Jahreslauf soll das gelingen. Dafür ist Christian Engelmann verantwortlich, 56 Jahre alt, sportlich und auch mit dem Tennisschläger nicht schlecht, Inhaber einer Sportrasenpflegefirma im deutschen Alpenvorland. Die Männer fürs Grüne kommen aus Oberhaching in der Nähe von München, noch wichtiger als Engelmann ist Gisbert Steinhorst, der eigentliche „Greenkeeper“. Dass sie es können, haben sie bewiesen, die Turnierorte der Weltserie in Stuttgart und Mallorca haben sie präpariert, Berlin und Bad Homburg im Gleichtakt sind ein weiteres großes Projekt für die Firma. „Wir müssen Gas geben und mit allen Tricks arbeiten“, sagt Christian Engelmann, der Termin des eigentlichen Turnierbeginns Ende Juni soll eingehalten werden. „Das wird, ich bin optimistisch“, sagt Engelmann, der Greenkeeper nickt dazu. Die „Gewürzmischung“, wie Kurdirektor Holger Reuter die spezielle Wimbledon-Saat vor ein paar Wochen bei einer Platz-Besichtigung nannte, hat sich mit dem Boden angefreundet. Das Sandbett mit einem Unterbau aus Ton, Lehm, Quarzsand und Mischerde ist akribisch nach den Vorgaben der Meister von Wimbledon aufgebaut worden. Was vor vier Wochen noch graubraun und trocken war, ist jetzt zum Rasenteppich geworden, der nur an seiner Verdichtung arbeiten muss. Ein paar Löcher noch, die das schnell wachsende „Deutsche Weidelgras“ bald füllen wird, eine Drei-Sorten-Mischung, die tief schnittverträglich und schnell regenerierend ist und damit perfekt für den Tennissport der besonderen Art. Auch wenn sie das Tempo ein wenig reduzierte, was einst Boris Becker bei seinem rasanten Angriffsspiel so gelegen kam.

Mit viel Herzblut

Das wird gut, befanden auch Oberbürgermeister Alexander Hetjes und Uwe Eyles, der Präsident des Tennis Clubs, der schon ein Jahr vor der Wimbledon-Premiere 1876 gegründet wurde. Für die Presse und fürs Fernsehen durften sie dieser Tage schon mal aufs Gras und im korrekten Abstand ein paar Bälle wechseln. Im Straßenanzug und nicht unbedingt passendem Schuhwerk. Natürlich betonte der bekennende Tennisfan und aktive Spieler Hetjes da noch einmal die „Riesenenttäuschung“ über die erzwungene Absage des Turniers im Juni, weil eben viel „Herzblut“ auch von Homburger Seite drinstecke, gab aber gleichzeitig seiner Freude im Ausblick auf 2021 Ausdruck.

Die bereits gekauften Karten bleiben gültig, fast alle Käufer hätten das so angenommen, sagt Ulrike Weinrich von der veranstaltenden Agentur. Auch Turnierbotschafterin Angelique Kerber hat ja sofort signalisiert, dann eben nächstes Jahr zu kommen. Zuvor dürfen schon Clubmitglieder in begrenztem Maße aufs frische Grün. „Aber nicht in der Schonzeit, wenn der Greenkeeper mit der Nagelschere kommt“, so Eyles.



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