Was hat der Mensch mit Schwämmen gemeinsam?

Bad Homburg (fch). Sieben Jahre lang Raoul Schrott gelesen, recherchiert, eignete sich Wissen an, fragte Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen „ein Loch in den Bauch“, ist durch die Welt gereist und hat geschrieben. Herausgekommen ist sein 846 Seiten umfassendes Monumentalwerk „Erste Erde Epos“. In diesem setzt sich der Autor intensiv mit dem heutigen Wissen über die Welt vom Urknall über die Entstehung des Planeten bis heute auseinander.

Auf Einladung der Volkshochschule Bad Homburg in Zusammenarbeit mit der Stadtbibliothek stellte der Autor sein Werk und dessen Entstehungsprozess im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung zum „Studium generale – Von der Entstehung der Erde bis zum 20. Jahrhundert in zehn Semestern“ vor. Begrüßt wurde der mit vielen Auszeichnungen geehrte Schriftsteller in der Aula der Hölderlinschule von Gero Fuhrmann, dem für das „Studium generale“ zuständigen Mitarbeiter der VHS. Das Buchprojekt wie auch das „Studium generale“ verbindet, dass es sich bei beiden um zwei ambitionierte Vorhaben handelt. Das Buchprojekt war zugleich ein enormer zeitlicher und finanzieller Aufwand wie der Autor seinem Publikum im Rückblick schilderte. Gegliedert ist das Werk in zwei Teile mit acht Büchern. Im ersten Teil versucht und gibt der Autor in wechselnden poetischen Formen mit Hilfe vieler verschiedener Figuren und ihren Biografien Antworten auf Fragen wie „Welches Bild entsteht vom Menschen, wenn wir ihn von der Geschichte des Kosmos und der Evolution betrachten? Welche Ethiken gehen aus ihm hervor?“

Im zweiten Teil fasst der Autor dann den gegenwärtigen Wissenstand über die Entwicklung des Lebens zusammen. In Bad Homburg las Schrott Abschnitte aus seinem „Erste Erde Epos“ vor und berichtete anschaulich, wie groß die Herausforderungen waren, vor denen er schon vor dem Schreiben des ersten Satzes stand. So gab es bisher keine Metaphern und Vergleiche, um das Thema anschaulich dazustellen. „Das erste Problem war, dass ich mit dem Urknall anfangen musste, von dem noch nicht einmal die Wissenschaftler eine genaue Vorstellung haben. Der Urknall ist der Anfang des Universums, der in vielen Schöpfungsmythen beschrieben wurde. Die letzte mündlich entstanden Kosmogonie ist ein 1870 entstandener Weltschöpfungsmythos der Maori.“ Schnell erkannte der Autor, dass das „Rätsel der Welt“, von welchem Blickwinkel aus man es auch betrachtet, großartig ist und die Natur weitaus poetischer und einfallsreicher ist als jeder Dichter. Die Komplexität des Themas, Sprache und Form des Werks – „Lyrik sollte enthalten sein, Prosa ist zu ungenau, da bin ich auf das Epos gekommen“ – waren weitere Hürden, die er nehmen musste. Auch die Frage „Wer erzählt das alles?“, beschäftigte ihn. „Ich brauchte Leute, die sich auskennen beispielsweise in der Astrophysik oder mit Schwämmen.“

Das, was er seinen Zuhörern dann über Schwämme vorlas, „wissen Schwammforscher und vielleicht noch 500 Leute“. Die anfangs veranschlagten und von der Kulturstiftung des Bundes finanziell geförderten vier Jahre für sein Buch vergingen wie im Flug. „Nach vier Jahren, die ich hatte, war ich gerade einmal bei den Bakterien angelangt“, informierte Raoul Schrott. Detailliert schildert er die Entwicklung des Lebens bis zum Grundbausatz des Menschen. Er fragte sich, was dieses Wissen mit den Menschen macht, und zeigt es am Beispiel seiner Protagonisten auf. Geschickt verknüpft er das Wissen der Welt mit Literatur und Poesie im ersten Teil, und im zweiten Teil fasst er den heutigen Wissensstand in Sachbuchform zusammen. Dabei entwirft er ein modernes Gegenstück zu Alexander von Humboldts „Kosmos“. Das „Erste Erde Epos“ ist ein ebenso anspruchsvolles wie spannendes Werk, das viele Antworten auf zahlreiche Fragen gibt, die wissbegierige Leser schon immer einmal haben wollten.

Bei seiner Lesung in Bad Homburg punktet der Autor Raoul Schrott als Erzähler und Vorleser. Foto: fch



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