Mit herrlicher Pantomime und hoher Parodie-Kunst

„Wir sind Passagiere des Lebens auf der Durchreise“, meint Bernd Lafrenz, der als Solo-Darsteller mit wenigen Requisiten gerüstet auf den emotionalen Wogen der Komödie „Was ihr wollt“ von Shakespeare reitet – ein Höhepunkt des Bad Homburger Sommers. Fotos: a.ber

Bad Homburg (a.ber). Ein herrliches Wechselspiel der Liebe und der Rollen: Unglücklich Verliebte werden zu Hasardeuren, Trunkenbolde zu Schicksalsmachern, keusche Frauen zu Kokotten, und Komik schlägt um in Tragik und lässt den Zuschauer bestens unterhalten, aber ratlos zurück: Wer ist hier wer? Und was ist hier los? William Shakespeare, der große englische Dramatiker und Schauspieler (1564-1616), ist ein Meister des Vexierspiels. Und er löst die Verwirrungen. Bernd Lafrenz, der die Shakespear’sche Komödie „Was ihr wollt“ aus dem Jahr 1602 in einer Adaption als Solo-Theater während des Bad Homburger Sommers auf die Bühne brachte, gelang das Kunststück, alle Rollen zu verkörpern. Am Ende konnte sich jeder tatsächlich einen Reim auf das verwirrende Geschehen machen – jeder seinen Reim im Sinne von „Was ihr wollt“.

Die Zuschauer erlebten fasziniert mit, wie der 1955 geborene ausgebildete Schauspieler, Pantomime und Clown Bernd Lafrenz vom Kapitän eines untergehenden Schiffes über gerettete Schiffbrüchige, vom Herzog und der liebreizenden Jungfrau über den Boten einer Liebesbotschaft, von der abweisenden Gräfin über den trunksüchtigen Onkel bis zum jugendlichen Liebhaber Charaktere darstellte und so die komisch-dramatische Geschichte entfaltete. „Halten Sie sich an dem roten Faden fest!“, riet der Schauspieler. Mitunter war es herausfordernd, denn die Zuschauer sahen Gitterstäbe, die zu Rudern mutierten, ein rosa Stoffkleid, das zum Leben erweckt wurde, eine Kapitänsmütze auf einem Stock, mit der sich der Darsteller unterhielt, und einen betrunkenen Onkel im Grafenschloss, dessen rote Schlappmütze Lafrenz flugs zum Büstenhalter der Zofe umfunktionierte.

Dazu mimte der Schauspieler vom Theater König Alfons aus Baden-Württemberg Lachmöwe, Pferd, Haifisch und einen bellenden Hund – der echte saß unter den Zuschauern vor dem Musikpavillon im Kurpark und gauzte: Bernd Lafrenz machte seinem Ruhm alle Ehre und trat – ein Markenzeichen von ihm – immer wieder in Interaktion mit dem Publikum. Sei es als Hund mit dem Hund oder als Gräfin Olivia, die sich aus einer vor der Bühne vorbeischlendernden Gruppe Jugendlicher den mit der weißen Kappe herauspickte und von der Bühne aus ansprach: „Sie könnten mir gefallen, junger Herr, Sie mit der weißen Mütze!“

Der rote Faden nach Shakespeare: Bei einer Schiffshavarie droht das Geschwisterpaar Sebastian und Viola unterzugehen, Viola wird gerettet, ihr Bruder gilt als verschollen. Die junge Dame, heimatlos geworden, begibt sich als Bote Cesario in Männerkleidern an den Hof des Herzogs Orsino, um dort zu arbeiten. Der Herzog ist in die Gräfin Olivia verliebt. Die Gräfin ist aber in tiefer Trauer um ihren verstorbenen Vater und ihren toten Bruder. Herzog Orsino schickt den Boten Cesario zum Schloss der Gräfin Olivia, um seine Liebesbotschaft zu überbringen. Doch ach, die als Cesario verkleidete Viola hat sich ihrerseits in Herzog Orsino verliebt. „Zwei Herzen wohnen, ach, in meiner Brust“, zitierte Bernd Lafrenz.

Komödiantisches Potenzial entfaltet der Onkel der Gräfin Olivia, Sir Toby: Der Trunkenbold schmeißt sich an die Zofe Maria ran, und schließlich singen die Zuschauer das alte Volkslied „Trink, trink, Brüderlein trink“. Während Sir Toby querschießt, entwickelt Gräfin Olivia zarte Gefühle für den Boten Cesario – sie will den Herzog Orsino nicht! Doch da taucht Violas totgeglaubter Bruder Sebastian auf und erobert das Herz der Gräfin; und Viola, die ihre Männerkleider ablegt, erobert als junge schöne Frau schließlich das Herz des Herzogs Orsino. Alles verstanden?

Bernd Lafrenz, der seit 1983 Dramen und Komödien des englischen Theatergenies Shakespeare adaptiert, trat zwischen sparsamen Requisiten von hier nach dort, schlüpfte in die Rollen, gewann Distanz zu sich selbst und amüsierte sich mit herrlicher Mimik, Pantomime und hoher Parodie-Kunst über alles, was da vor sich ging. „Wir alle tragen einen großen Koffer voller wahrer und erfundener Geschichten mit uns“, kommentierte er mehrmals. Es bringt auch gar nichts, wenn wir dramatisches und verwickeltes Geschehen immer bierernst nehmen, so seine Botschaft. Im emotionalen Auf und Ab sind wir „Passagiere des Lebens auf der Durchreise“, mehr nicht – und die Möwe, die uns von oben auf den Wellen treiben sieht, sie lacht.

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