Irrungen und Wirrungen mit mindestens drei Leichen

Autor Peter Borstel an einem der Tatorte, dem Trinkwasserbehälter in Dornholzhausen. Hier wird im Krimi „Kur Rohryal“ eine Leiche gefunden. Foto: js

Bad Homburg (js). Der Mörder ist immer der Gärtner? Pustekuchen, das hat noch nie gestimmt. Und, das darf verraten werden, ohne eine eindeutige Spur zu legen, stimmt auch bei „Kur Rohryal“ nicht. Ein Gärtner kommt gar nicht vor im neuesten Homburg-Krimi von Peter Borstel. Auch wenn die erste Leiche schnell im Grün-Land mitten in der Stadt gefunden wird, nämlich am Zugang des Regenwasserrückhaltebeckens im Jubiläumspark. Was schon eher die Fantasie und kriminalistische Kombinationsambitionen bei Fans des Autors Peter Borstel reizen könnte. Einen unversehens auftauchenden ukrainischen Gärtner hatte Borstel schon in seinen dritten Krimi eingebaut, als die Kurstadt gerade angefangen hatte, von Klein-Wimbledon zu träumen und die zweite Leiche auf dem Centre Court der inzwischen weltbekannten Tennisanlage gefunden wurde. „Doppelfehler“ war passend der Titel zum Drama im Tennis-Mafia-Milieu, der Gärtner blieb Randfigur.

Peter Borstel braucht umtriebigere Akteure als brave Gärtner. Typen wie den forschen Lokaljournalisten Nik Herzberg, der im Alltag vor der Aufgabe steht, die Bad Homburger Welt, auch wenn sie noch so träge daherkommt, spannend zu beschreiben und zu erklären. Mit Nik Herzberg und seinem Faible, sich als kriminalistische Spürnase zu profilieren, können sich seine Anhänger wunderbar durch diese Kurstadt-Welt hangeln. Schon gar im Verbund mit der sympathischen Kommissarin Franziska Fröhling, wenn stets die Frage im Raum steht, ob sich da noch was entwickelt zwischen den beiden. Hat sich ja dann tatsächlich im vierten Buch kurz vor dem Ende. Und dann hören die Follower von Nik und Franzi jetzt nach nur ein paar Seiten, dass alles vorbei ist und die Kommissarin dem Redakteur den Laufpass gegeben hat. Wie schade.

Schade auch, dass Autor Borstel immer wieder, wenn er einen neuen Homburg-Krimi aus der Feder schüttelt, neu versichert, dass alles nur frei erfunden ist und Ähnlichkeiten mit noch lebenden Personen in Bad Homburg rein zufällig und nicht beabsichtigt seien. Auch in Nummer 5 der Reihe, die erstmals einen Untertitel hat, angekündigt wird ein „finsterer Bad Homburg Krimi“. Doppeldeutig. Im dunklen Untergrund der Stadt ist der rasende Reporter am Anfang mit einem Kanalreinigungsunternehmen unterwegs, um eine mehrteilige Reportage über das „unbekannte Leben unterhalb des Straßenpflasters“ zu schreiben. Des Mörders finstere Seele enthüllt sich später in kursiv gedruckten Sequenzen, die fast wie Tagebucheinträge daherkommen und einem Geständnis vorgreifen, ohne zu enthüllen, wer da nun spricht. Irrungen und Wirrungen allenthalben, ein bisschen Räuberpistole sind die Homburg-Krimis ja immer irgendwie auf sympathische Weise. Auf Erlösung warten müssen die Leser bis zum skurrilen Showdown an einem besonderen Ort. Das ist tatsächlich ein unerwarteter Knaller, den nach vier Vorspielen seit der Premiere wahrscheinlich auch den versiertesten Krimi-Mitkämpfer an der Leserfront überraschen wird.

„Kur Rohryal“ bietet alles, was einen unterhaltsamen Borstel-Krimi mit Lokalkolorit gut zu Gesicht steht. Jener Nik Herzberg, inzwischen stellvertretender Leiter des Lokalressorts der „Hochtaunus Post“, der sich wie immer selbst zum Ermittler in eigener Sache macht, um Aufmerksamkeit inzwischen auch online zu generieren. „Bleiben Sie dran und halten Sie die Augen offen“, sagt sein Chefredakteur Jens-Jörg Sibelius dann trocken, schon macht sich Nik Spürnase auf den Weg zur eigenmächtigen Wohnungsdurchsuchung und stößt prompt auf brisantes Material. Die erste Leiche ist eine noch junge Frau, hinterrücks erschossen, Journalistin, ein „aufgehender Star der investigativen Szene“. Musste mit ihrem Leben bezahlen, dass sie in Sachen „Kritische Infrastruktur“ und über Mängel in diesem System wohl zu viel wusste. Es geht um mögliche Angriffe auf diese kritische Infrastruktur, am Tatort im Jubiläumspark verschwindet wenig später die flotte Kommissarin Franziska im Untergrund.

Und Nik Herzberg ist wie meist der Polizei einen Schritt voraus. Führt die Leserschaft mit Ortskenntnis in flotter Folge von seiner Wohnung in der Altstadt zum U-Bahn-Ende in Gonzenheim, „in die Kurve, wo der Brathähnchenwagen steht“, um dort in die Unterwelt einzusteigen. In Dornholzhausen stirbt ein zweiter Mensch, möglicherweise an vergiftetem Wasser nach der „Operation Grüne Soße“, die für Aufregung und Angst in der Stadt sorgt und alle Rettungskräfte, Polizei, Feuerwehr, THW und viele mehr auf den Plan ruft. Der Hessische Innenminister wird mit dem Wort „Zeitenwende“ zitiert, er verwendet es bei der Ankündigung der besseren Sicherung der kritischen Infrastruktur. Und trotzdem bleibt die dritte Leiche nicht aus, ein wichtiger Informant. Nik Herzberg entgeht knapp einem Attentat, die Kommissarin wird vom LKA verhaftet und erlebt Seltsames im Frauenknast, es ist ein so rechter Drunter-und-drüber Krimi von Peter Borstel. Wer solche Krimis mag, Homburger Bürger ist und sich freut, seinem Lebensumfeld auf solcherart Terrain zu begegnen, ist auch bei Teil 5 der bei Insidern beliebten Serie auf einem guten kurzweiligen Pfad. Überraschende Wendungen garantiert, mehr darf hier einfach nicht verraten werden.

!Auch der 5. Krimi von Peter Borstel ist im örtlichen Buchhandel im Angebot, erschienen ist er bei public aFairs, ISBN: 978-3-00-078238-1, www.publicafairs.de.



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