Die Krise als Katalysator für Neues

Nach langer Coronapause kann Stadtverordnetenvorsteher Dr. Alfred Etzrodt (l.) in diesem Jahr wieder zahlreiche Gäste beim Neujahrsempfang der Stadt im großen Saal des Kurhauses begrüßen. Foto: J. Reichwein

Von Janine Stavenow

Bad Homburg. Gute Gespräche, ein informativer Vortrag, leckere Häppchen und das eine oder andere Glas Sekt – diese angenehme Mischung erwartete die Gäste des Neujahrsempfangs der Stadt Bad Homburg, zu dem Stadtverordnetenvorsteher Dr. Alfred Etzrodt für Samstag in den großen Saal des Kurhauses geladen hatte. Als Redner hatte der Gastgeber den Präsidenten der Goethe-Universität in Frankfurt, Professor Dr. Enrico Schleiff, gewinnen können. Sein Thema: Gesellschaft und Wissenschaft im Wandel.

Bereits zum dritten Mal hatte der Physiker und Biologe Schleiff die Einladung Etzrodts, beim Neujahrsempfang ans Rednerpult zu treten, angenommen. In den vergangenen zwei Jahren aber hatte die Coronapandemie den Uni-Präsidenten ausgebremst. Diesmal nun waren alle Hindernisse – samt Viren – aus dem Weg geräumt. Doch bevor Dr. Enrico Schleiff über die Auswirkungen von Krisen, den durch sie ausgelösten Wandel und die Bewältigung von krisenhaften Situationen sprach, wurde die Bühne mit ein paar Minuten Verspätung für ein musikalisches Willkommen durch die ehemalige Schülerband der Gesamtschule am Gluckenstein (GaG), „Reloaded“, freigegeben. Mit Songs wie „Crazy Little Thing Called Love“ von Queen und „When You’re Gone“ von Bryan Adams lockerten sie die Stimmung auf.

Glücklich sei er, nach zwei Pausenjahren die Tradition fortführen und beim Neujahrsempfang diejenigen begrüßen zu können, „die sich für die Stadtgesellschaft engagieren und für ein lebendiges Bad Homburg sorgen“, sagte der Stadtverordnetenvorsteher. Ein besonderes Dankeschön ging an all die Ehrenamtlichen unter den Gästen: „Ohne Sie würde diese unsere Gesellschaft nicht funktionieren.“ Etzrodts Rückblick auf die vergangenen drei Jahre war zunächst geprägt von der Coronapandemie und deren Auswirkungen auf das städtische Leben. „Corona führte zu einem wirtschaftlichen Einbruch. Auch Bad Homburg blieb nicht verschont. Die sorglosen Jahre sind vorüber“, so Etzrodt. Als Anfang 2022 jeder gehofft habe, dass die Situation langsam besser werde, habe der Krieg in der Ukraine begonnen.

Wieder einmal habe sich gezeigt: Bad Homburg hält zusammen. „Viele Flüchtlinge kamen, die Welle der Hilfsbereitschaft war groß. Alle halfen mit, die Not zu lindern“, fasste der Stadtverordnetenvorsteher mit Stolz zusammen. Und nutzte auch die Chance, noch einmal in Erinnerung zu rufen, dass es trotz widriger Umstände in Bad Homburg vorwärts ging und geht. „Wichtige Projekte wurden fertiggestellt, und überall in der Stadt drehen sich die Kräne.“

Nicht diskutieren, sondern machen

Dass das gerade begonnene Jahr ein spannendes werden wird, da ist sich Etzrodt sicher. Zwar bleibe die finanzielle Lage schwierig, aber „Bad Homburg bleibt ein starker Wirtschaftsstandort“. Große Projekte stehen an. Das Wichtigste: die Sanierung oder der Neubau des Kurhauses.

Eine musikalische Überleitung zum Hauptredner des Vormittags und dessen Vortragsthema schuf „Reloaded“ mit der Eigenkomposition „We Could Try“ sowie dem „Ärzte“-Song „Junge“, für den die junge Band viel Applaus bekam. Die musikalische Vorlage griff Enrico Schleiff nur zu gerne auf, trat amüsiert ans Mikro und gab der Band den Rat: „Statt ‚We Should Try‘ sollte der Titel der Eigenkomposition ‚We Have To Do“ lauten. Wir dürfen nicht immer nur diskutieren, sondern müssen einfach machen.“ Gerade momentan, in einer „bewegten Zeit mit starken Herausforderungen“, sei es von großer Bedeutung, gemeinsam vorzugehen. In Krisenzeiten müsse die Gesellschaft neue Wege einschlagen. „Ich will der Krise das Image des Schreckgespenstes nehmen“, betonte Schleiff und fügte hinzu: „Krisen sind nichts, was unbedingt schrecken müsste. Es können bahnbrechende Erkenntnisse aus so einer Situation hervorgehen.“ Denn: Wie ein Katalysator beschleunige eine Krise wie zum Beispiel die Coronapandemie das Handlungstempo. „Ein behutsames Abwägen ist nicht mehr möglich, es muss schnell gehandelt werden. Sicher Geglaubtes wird in rasantem Tempo infrage gestellt, aber es gibt die Chance auf Neues durch neue Wege und neue Emotionen.“

Sowohl die Stadt Bad Homburg als auch die Frankfurter Universität seien „für diese Wende hervorragend aufgestellt“, unterstrich Schleiff. Vielseitigkeit sei wichtig, und aus diesem Grund gebe es an „seiner“ Uni immer neue Studiengänge – derzeit werden 165 Fachrichtungen angeboten – und immer neue Forschungsprojekte. „Unsere Studenten gestalten die Gesellschaft von morgen“, sagte Schleiff, der in seinem Vortrag wiederholt betonte, wie wichtig ein gemeinsames Vorgehen von Wissenschaft und Gesellschaft ist. „Gerade in Zeiten des Umbruchs braucht es einen starken Zusammenhalt“, schwor er das Publikum im Saal ein.

Als Beispiel, wo Gemeinsamkeit gelingen und Erfolg bringen könnte, nannte er das Integrierte Stadtentwicklungskonzept 2030 (ISEK 2030), das er „mit Freude“ gelesen habe. „Sie wollen die Stadt jugendfreundlicher machen. Lassen Sie uns doch gemeinsam daran arbeiten!“, rief er den Stadtoberen zu. Es gelte, Generationsperspektiven zu mischen, Wohnungen für junge Leute zu schaffen, eine Start-up-Szene zu etablieren. Die Studenten der Uni könnten in Bad Homburg Platz finden, „und wer hier wohnt, fährt abends nicht mehr nach Frankfurt“. Auch in Sachen Digitalisierung regte Schleiff gemeinsames Handeln an, schob jedoch gleich hinterher, man wolle nicht nur beraten, sondern auch voneinander lernen. Die Botschaft, mit der Schleiff sein Publikum in den Samstag entließ, war deutlich: „Wir möchten gerne gemeinsam mit Ihnen an Ihrer Zukunftsfähigkeit arbeiten.“

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