Bad Homburg (agl). Er steht unbemerkt und abseits vom Trubel an einem kleinen Bistrotisch im Konferenzsaal des Steigenberger Hotels. Noch etwa eine halbe Stunde und dann beginnt sein kleiner exklusiver Kulturmarathon im Rahmen des zehnten Bad Homburger Poesie- und Literaturfestivals. Derweil genießt sein Publikum bei grünem Salat und Winzer-Sekt den Auftakt dieses Sonntagvormittags. Moritz Stöpel, genialer Jacques-Brel-Interpret und die deutsche Stimme von Brad Pitt, stößt zu Martin Walker hinzu. Große Umarmung und großes Hallo.
Die beiden sind vor über zehn Jahren in Oberursel in Martina Bollingers Buchhandlung aufeinandergetroffen. Und das nicht ganz zufällig. Die Idee der engagierten Buchhändlerin, der so manches in Sachen Starautorenauftritt bereits gelungen ist, ging auf. Walker und Stöpel sind mittlerweile vertraute Freunde, die gemeinsam die Walker-Lesungen in Deutschland bestreiten. Sehr zur Freude des Züricher Diogenes Verlags, der die Bestseller des englischen Erfolgsautors Walker verlegt. Wo Martin und Moritz auftreten, machen sie das Publikum glücklich.
Theatermann Moritz Stöpel eröffnet mit Verve und der feinen Stimmmodulation eines Profisprechers die Lesung aus „Menue Surprise“. Er reißt, wenn es die Dramaturgie verlangt, seine Arme nach oben, flüstert, nimmt sich an den spannendsten Stellen geschickt zurück. So wird ein Sportmatch, von dem eingangs im Roman die Rede ist, zu einem Höhepunkt. Damit das gelingt, bereitet sich Moritz Stöpel akribisch auf die Textstellen vor. Kein Wunder, dass Walker Feuer und Flamme ist, selber mitlachen muss und innerlich mitgeht, wenn er seine geschriebenen Zeilen aus dem Mund des routiniert agierenden Vorlesers hört. Zuvor hatte Moritz Stöpel sich seine Ziehhamonika umgeschnallt und „Le temps de vivre“ von Georges Moustaki interpretiert. Seine Präsenz und seine Hingabe fegen über die goldglänzende 80er-Jahre-Bestuhlung und die Erwartung des Publikums hinweg. Martin Walker selbst müsste gar nicht mehr allzu viel dazu beitragen, dass dieser Tag gelingt, tut es aber glücklicherweise dennoch. Er sitzt etwas abseits; in den Lese- und Musikpausen erzählt er in seinem charmantesten Deutsch von seiner Frau und seinem Leben. Sein Erzähltalent entfaltet sich ganz offensichtlich nicht nur auf dem Papier, sondern auch, wenn man ihn live erlebt. Er weiht die Zuhörer ein, macht sie zu seinen Komplizen. Die Welt Martin Walkers gleicht keiner Durchschnittsbiographie. Seine Welt ist spannend und bleibt doch immer harmonisch. 007 trifft bei ihm auf Olivenhain und Trüffelschwein. Dass ein solches großes Event aber auch für ihn, den Profierzähler, aufregend ist, gesteht er nach der Pause. Seinem Publikum prostet er von der Bühne mit einem Glas Rotwein zu und merkt an, dass er erst hiermit zur „Rampensau“ werde. Diese Nahbarkeit ist unverwechselbar und echt. Stets etwas vornehm zurückhaltender Schotte hat Martin Walker eben auch etwas von einem genießend sinnlichen Franzosen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass der preisgekrönte Journalist und Autor seit 20 Jahren dort lebt, wo seine Krimihelden agieren, im Périgord. Wie es dazu kam, erzählt er gern und freimütig.
Traumhaus in Frankreich
Er stand kurz vor einem Interview mit dem damaligen amtierenden Präsidenten der USA, Bill Clinton, als sein Handy klingelte und seine Frau ihm etwas Dringendes zu sagen hatte: „Ich habe unser Traumhaus gefunden! Egal, was du gerade tust, komm’ augenblicklich zu mir nach Frankreich.“ Ob Walker auf seine Frau hörte, bleibt offen. Auf jeden Fall zog Walker mit Ehefrau Julia und zwei Töchtern in die für ihr gemäßigtes Klima und die gute Küche bekannte Region im Südwesten Frankreichs. Und es scheint ganz egal, wie weit ab Walker wohnt und arbeitet. Alles, was er anfasst, gelingt. Sein Kochbuch mit Ente à l’Orange oder Pfifferling und all den anderen Chef-de-Police-Bruno-Rezepten ist derzeit die Nummer eins weltweit.
Es mag eines seiner bestgehüteten Geheimnisse sein, die er niemals preisgibt oder von dem er vielleicht selber gar nichts weiß, aber das muss er auch nicht. Die große Kunst des Martin Walker sind die Einfachheit und die Genauigkeit, mit der er seine Geschichten vorantreibt. Seine Spürnase Bruno ist ganz einfach einer von uns, und seine gut recherchierten Geschichten schreibt das Leben selbst.