Ein Narr urteilt über die Torheiten der Menschen

„Der Mensch ist so närrisch, wie er immer war“: Till Eulenspiegel (Ingrid El Sigai) begeistert auf der Kurhausbühne beim Familienmusical der Kleinen Oper die kleinen und großen Zuschauer. Foto: a.ber

Bad Homburg (a.ber). Wie ist das, wenn der Mensch etwas gar nicht will, aber von anderen dazu gezwungen werden soll? So ergeht es Prinzessin Lilienweiß. Ihr Vater, der König, will sie mit dem Herzog Donnergroll verheiraten. Die Prinzessin aber liebt den Ritter Wohlgestalt – und wird krank vor Gram. Da kommt ihr ausgerechnet ein Narr zur Hilfe: Till Eulenspiegel. Mit zauberhaftem Charme, Witz und Esprit bringt die Kleine Oper Bad Homburg das moderne Familienmusical „Till Eulenspiegel“ auf die Bühne. Viel Applaus gab es von kleinen und großen Zuschauern im Kurtheater bei der Premiere des neuen Stückes, mit dem die Kleine Oper nun auf Tournee durch ganz Deutschland geht.

Die Gestalt des Till Eulenspiegel, dessen historisches Vorbild ein Schalk aus Norddeutschland war, der im 14. Jahrhundert mit seinen Späßen und Schelmenstreichen den Menschen seiner Umgebung den Spiegel für ihr Verhalten vorhielt, ist in der Literatur lebendig geblieben. Im Mittelalter hatte der Narr an den adeligen Höfen als einziger die Freiheit, am Handeln der regierenden Herren Kritik zu üben. Er urteilte über die Torheiten der Menschen mit beißendem Witz. Nach unserem heutigen Verständnis ist ein Narr einer, den niemand ernst nimmt. Doch schaut man auf die Gestalt des Till Eulenspiegel, so fällt auf, dass er seinen Mitmenschen an Denkvermögen, Scharfsinn und Witz überlegen war. Sich mit Schläue dumm stellen, um das falsche Denken und Handeln anderer zu entlarven – das macht Spaß und steckt voller Lebensweisheit. Spaß hatte das Publikum im Kurtheater. Echte Opernsänger luden ihr Publikum zu einem 70-minütigen Ausflug in die klassische Musik ein: Melodien und Arien aus Oper und Operette erklangen live, begleitet vom Konzertpianisten Markus Neumeyer am Flügel, der auch gleich noch den Moritatensänger und Doktor Quacksalb spielte. Ingrid El Sigai als quicklebendiger Till Eulenspiegel wirbelte und tanzte über die Bühne und trat singend in einen Dialog mit Prinzessin Lilienweiß (Dzuna Kalnina), die mit klarem Sopran schluchzend ihre Liebe zu Ritter Wohlgestalt gestand. Till sinnt auf Abhilfe: „Wie ist das Leben gut, wenn man gerade jetzt das tut, was man will!“

König Rundelbund, temperamentvoll gespielt und gesungen vom Gründer der Kleinen Oper Bad Homburg, Otto Mayr, fällt vom despotischen Gehabe seiner Tochter gegenüber schließlich in helle Verzweiflung über ihre Krankheit: „Narr, tu doch was! Ein Arzt muss her!“ Hat er mit sonorer Baritonstimme zuvor seinen Hofstaat terrorisiert, klammert sich der König schließlich an den Rat des Dr. Quacksalb, dass nur Drachenblut seine Tochter heilen könne. Wer ihm diese Medizin bringe, bekomme die Königstochter zur Frau. Herzog Donnergroll (ebenfalls Dzuna Kalnina) reitet sofort in den Drachenwald. Doch Till Eulenspiegel hat längst dort das Drachenblut besorgt und die Drachen mit seinem Gesang besänftigt. Beeindruckend die Szenen im finsteren Drachenwald, wo mit Pyrotechnik und ausgefallenem Lichtdesign die Drachen schließlich auf den Herzog und den ihn begleitenden Schmied (Otto Mayr) losgehen. Der erfolglose Herzog, der den König belügen will, wird von Till mit einer List überführt. Eulenspiegel selbst jedoch will die Königstochter nicht heiraten. Sein Wunsch, den ihm König Rundelbund gewährt, lautet: Prinzessin Lilienweiß möge Ritter Wohlgemut zum Mann nehmen.

Liebevoll gestaltete Kostüme in bunten Farben, schöne Bühnenbilder, deren Umbau an sich schon zum Ereignis für die jungen Zuschauer im Saal wurde, Kinderstimmen aus dem Off, die gemeinsam mit dem Moritatensänger die Handlung voranbrachten, und nicht zuletzt die fetzigen Tänze zu Popmusik, die alle Beteiligten auf der Bühne hinlegten, trugen zur fantasievollen Musical-Produktion bei. Das Libretto, in kindgerechter Sprache und doch anspruchsvoll geschrieben von Ingrid El Sigai, die musikalische Bearbeitung von Markus Neumeyer und Ali Neander sowie die vielen Ideen der Regisseurin Sabine Fischmann trugen dazu bei, dass die Botschaften des Till Eulenspiegel in den Herzen von Klein und Groß ankamen: Sei selbstbewusst und mutig – und: „Die geraden Wege bringen nicht viel, die schiefen und krummen führen ans Ziel!“

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