Neuapostolische Gemeinde feiert „100 Jahre mittendrin“

Colin Tritt, Gemeindeleiter der Neuapostolischen Kirchengemeinde Bad Homburg, freut sich: Viele der 350 Gemeindeglieder aus der Kurstadt, Oberursel und Steinbach sowie aus Nachbargemeinden in Frankfurt sind zur Jubiläumsfeier „100 Jahre mittendrin“ in die Villa Wertheimber gekommen. Foto: a.ber

Bad Homburg (a.ber). Es war wegen der Pandemielage eine Jubiläumsfeier in Etappen, denn eigentlich konnte die Neuapostolische Kirchengemeinde Bad Homburg (NAK) schon im Jahr 2020 auf ihr 100-jähriges Bestehen zurückblicken. Doch nun feierten die neuapostolischen Christen in und um die Villa Wertheimber herum mit Gästen nachträglich ihr fröhliches Jubiläumsfest.

„100 Jahre mittendrin“: Das Motto, das sich die Gemeindeglieder gewählt hatten, bezog sich nicht nur auf die seit 1968 im Oberen Stichel nahe der Gartenfeldsiedlung stehende Kirche, sondern zeugte auch vom vielseitigen Engagement der rund 350 Mitglieder. „Die Pflege der persönlichen Gemeinschaft ist für das christliche Leben so wichtig, der Austausch, herzliche Anteilnahme“, sagte Gemeindeleiter Colin Tritt, der seit drei Jahren den Bad Homburger Neuapostolikern vorsteht. Dementsprechend hatte die Gemeinde auch entschieden, beim Jubiläumsfest auf öffentliche Reden vonseiten ihrer Kirche und städtischer Vertreter zu verzichten, damit alle viel Zeit für persönliche Gespräche hätten. Ein liebevoll vorbereiteter Basar mit handgearbeiteten Dingen zugunsten des Bad Homburger Vereins „Schnelle Hilfe in Not“, ein großes Salat-Büfett, Grill und Festzelt im Garten der Villa Wertheimber, Spiele für die Kinder und Musik sorgten für beste Stimmung.

Einziger Programmpunkt zu Beginn war die humorvoll-muntere Lesung aus dem Buch „Es waren einmal ein treuer Husar und seine Freundin – Feldpostbriefe aus dem 1. Weltkrieg geschrieben von Martin Wagner und Ottilie Meireis“ durch den Gonzenheimer Stadthistoriker Heinz Humpert und Christa Fink in historischen Kostümen – und sie hatte durchaus einen direkten Bezug zu den Anfängen der Gemeinde. Jener Martin Wagner, junger Soldat an der Ostfront, der zwischen 1915 und 1918 seiner Freundin mehr als 500 heute noch erhaltene Briefe geschrieben hatte, war der erste Gemeindeleiter der Neuapostoliker hier gewesen. Am 29. Mai 1920 hatte der neuapostolische Priester Paul Wächter aus Frankfurt am Main mit Gläubigen den ersten Gottesdienst im Haus der Gonzenheimer Familie Wagner im Haberweg gefeiert und die Gemeinde damit gegründet; schnell wuchs die Zahl der Besucher, und die Neuapostolische Gemeinde feierte ihre Gottesdienste in Räumen von Gasthäusern in der Bad Homburger Innenstadt. 1923 wurde Martin Wagner, engagierter Einwohner und Feuerwehrkommandant Gonzenheims, erster Gemeindevorsteher der noch jungen Kirchengemeinde. Jahrzehnte lang stellten die Evangelische Kirchengemeinde Gonzenheim und danach die Adventisten den Neuapostolikern ihre Gemeindehäuser zur Verfügung – bis 1968 das eigene Kirchen- und Gemeindezentrum Im Oberen Stichel 9a eingeweiht wurde, ein markanter Bau mit farbigen Glasfenstern. Heute gehören auch die Steinbacher und Oberurseler neuapostolischen Christen zur Bad Homburger Gemeinde, die von Gemeindeleiter Colin Tritt, einem Diplom-Kaufmann aus Bad Homburg, und weiteren neun Priestern und Diakonen geistlich und seelsorgerisch betreut wird. Die Neuapostolische Kirche, eine weltweite christliche Kirche mit fast neun Millionen Mitgliedern, entstand 1863 aus einer Hamburger katholisch-apostolischen Gemeinde und ist im deutschsprachigen Raum die stärkste kirchliche Gruppe neben den Landeskirchen. In Deutschland sind etwa 330 000 neuapostolische Christen in mehr als 1600 Gemeinden engagiert; geleitet wird die NAK von einem Stammapostel, Aposteln und Bischöfen, die hauptamtlich tätig sind. Der Dienst der Seelsorge und priesterlichen Verkündigung auf Gemeindeebene wird in der Regel von ehrenamtlichen Nicht-Theologen geleistet.

Die christliche Lehre der NAK ist geprägt von der Nachfolge Jesu Christi, der ausführlichen Lehre von den Letzten Dingen und einer Naherwartung der Wiederkunft Christi. Die NAK gehört zur Konfessionsgruppe der apostolischen Gemeinschaften, ist Gastmitglied in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) und hat vor Kurzem auch die Frauenordination beschlossen. Sie finanziert sich aus Freiwilligen Spenden der Mitglieder.

„Unsere Kirchengemeinde hier hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark in die Gesellschaft geöffnet. Es ist uns heute wichtig, die Gemeinsamkeiten der christlichen Werte mit den evangelischen und katholischen Christen zu betonen“, erläuterte Tritt im Gespräch. „Mir ist es ein Anliegen, besonders den Jugendlichen zu vermitteln, dass der Glaube das Leben bereichert und in schwierigen Zeiten eine verlässliche Konstante ist – wir Christen haben da ein tolles Angebot, das Halt bietet.“ Die Bad Homburger Neuapostolische Gemeinde zeichnet sich, das konnte man auf der Jubiläumsfeier sehen, durch ein aktives Gemeindeleben aller Generationen mit den Schwerpunkten Kinder und Senioren aus. Mehr als 50 Kinder und Jugendliche kommen zu den Gottesdiensten, Konfirmationsunterricht und anderen Angeboten der Gemeinde, ein sehr aktiver Seniorenkreis bereichert das Gemeindeleben.

Die 77-jährige Vera Beilfuß zeigte begeistert die Vielfalt des Handarbeits-Basars, der in der Villa aufgebaut war: Heerscharen gehäkelter Engel, Bären, Schäfchen und Puppen, Stofftaschen, selbstgefertigte Schmuckstücke und Briefkarten wurden für den guten Zweck gegen Spende verkauft, wobei nicht nur die eigenen Gemeindeglieder, sondern auch zwei neuapostolische Schwestern aus Bayern eifrig gehandarbeitet hatten. Schon beim Festgottesdienst 2021 waren eingenommene Basar-Spenden den Ahrtal-Flutopfern zugute gekommen. „Wir erleben im Miteinander viel Herzlichkeit und wollen davon abgeben“, sagt Tritt.



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