Bad Homburg. Wie ein von weither klingender Posaunenklang: Himmlisch weich setzte das „Audax Saxophonquartett“ den dritten Satz der Tanzfolge „Le Tombeau de Couperin“ von Maurice Ravel an. Beim letzten Kammerkonzert der Bad Homburger Schlosskonzerte in der diesjährigen Saison überraschte das aus vier jungen Saxofonistinnen bestehende Quartett die zahlreich im Weißen Saal des Schlosses erschienenen Zuhörer mit einem Programm musikalischer Tänze von berühmten Komponisten aus Europa.
Karl-Werner Joerg, Künstlerischer Leiter der Reihe „Bad Homburger Schlosskonzerte“, hatte wieder einmal eine glückliche Hand bewiesen: Die Einladung von Christina Bernard (Sopransaxofon) Ann-Kathrin Grammel (Altsaxofon), Annalena Neu (Tenorsaxofon) und Regina Reiter (Baritonsaxofon) aus Würzburg war eine Offenbarung für Musik-Fans. Stücke von Edvard Grieg, Béla Bartók, Maurice Ravel, Ferenc Farkas, Camille Saint-Saëns und dem zeitgenössischen Komponisten Thierry Escaich in Bearbeitungen für jenes Instrument, das der menschlichen Stimme so ähnlich ist. Tanz in berückend sanglicher Form. Das letzte Konzert der 24. Schlosskonzerte-Saison war jedoch noch mehr als Musikgenuss. Das „Audax Saxo- phonquartett“ spielte gleichsam das Geburtstagsständchen für Karl-Werner Joerg, der an diesem Abend mit Freunden, Familie und Vertretern aus Kultur und Musikleben seinen 60. Geburtstag feierte.
Mitreißend interpretierten die Musikerinnen des 2019 gegründeten Quartetts, in dunkel- blauen Kleidern mit golden blitzenden Instrumenten schön anzusehen, vier ungarische Tänze des Komponisten Ferenc Farkas (1905-2000). Ursprünglich für Klavier komponiert, entfalteten die Saxofone darin einen fröhlich-energischen Charakter; besonders beeindruckend war das absolut präzise Zusammen-Schwingen in den langsamen Melodiesätzen. Wem bekannt ist, wieviel Atemtechnik ein guter Saxofonton erfordert, konnte nur staunen über die virtuosen Passagen der Altsaxofonistin Ann-Kathrin Grammel in Maurice Ravels „Le Tombeau de Couperin“, einem musikalischen Denkmal des 1937 verstorbenen Komponisten für seine im Ersten Weltkrieg gefallenen Kameraden; der flirrende Klangteppich des Prélude und der Wechsel der führenden Melodie zwischen den vier Instrumenten im Satz Forlane und das hinreißend kecke Rigaudon am Ende führte den Zuhörer in die Landschaft der Emotionalität mit Höhen und Tiefen, die man beim Hören von Musik durchschreitet.
Wenn Klänge wohltun
In den Rumänischen Volkstänzen des 24-jährigen Béla Bartók (1881-1945) zeigte das „Audax Quartett“ die Kunst des Takt- und Rhythmuswechsels, die dem rumänischen Volkstanz seine urtümliche, fast archaische Prägung gibt; hier brillierte die Sopransaxofonistin Christina Bernard in elegisch-melancholischen und ungestümen Passagen – und alle vier Musikerinnen tanzten gleichsam körperlich mit zur Musik.
Eine dynamisch romantisch-elegische Variante von Evard Griegs Suite im alten Stil „Aus Holbergs Zeit op. 40“ bot das Quartett nach der Pause: Wenn Klänge, wie im Satz Air, wohltun können, dann die Klänge von Bariton- und Tenorsaxofon, die Regina Reiter und Annalena Neu in einer dramatischen Kraft des langen Atems entfalteten. Saint-Saëns „Danse macabre“ gab den tiefen wie den hohen Saxofonen Gelegenheit zur Eindringlichkeit: Diese Tanzmusik hat durchaus unheimliche, emotional entgleitende Anklänge.
Dass der Mensch in Musik jedoch emotional mit Fassung sein kann, führte das „Audax Saxophonquartett“ in „Tango virtuoso“ des 1969 geborenen Thierry Escaich vor. Der Professor für Kompositionslehre und Improvisation am Pariser Konservatorium steht, wie den Zuhörern erklärt wurde, in diesem mitreißenden Tango musikalisch auf zwei Füßen: der französischen Schule des 19. Jahrhunderts und der Varieté-Musik des Akkordeons, das er in seiner Kindheit spielen lernte.
„Happy Birthday To You“: Das charmante kurze Ständchen für den Künstlerischen Leiter der Schlosskonzerte, Karl-Werner Joerg, ließen sich die jungen Musikerinnen am Ende nicht nehmen. Für den kreativen und innovativen Kopf der deutschen Konzert-Veranstaltungsszene, dem nichts näher liegt, als jungen Menschen den Einstieg in die Welt der klassischen Musik zu ermöglichen. Seit dem Jahr 2000 lädt Karl-Werner Joerg zu den Bad Homburger Schlosskonzerte ein, die stets die Reihen der „Orchesterkonzerte“, „Kammermusik“ und „Meisterpianisten“ sowie Konzerte für Kinder und ab der nächsten Saison – wenn die in Renovierung befindliche Schlosskirche wieder bespielt werden kann – auch die neue Reihe „Achtung! Unbekannt“ umfasst.
Beim Geburtstagsempfang zum 60. im Foyer des Weißen Saals würdigten musikalische Weggefährten und Vertreter des Vorstands „Stiftung Bad Homburger Schlosskonzerte“ ihren unermüdlich für die Musikvermittlung tätigen Vorstandsvorsitzenden Karl-Werner Joerg: In seiner offenen und gleichzeitig bescheidenen Art hat Joerg, selbst Musikwissenschaftler und Orgelspieler, seit 1991 mit seiner Kulturfirma „Kulturkommunikation Karl-Werner Joerg“ mit unglaublichem musikalischem Gespür vieles im Bereich Klassische Musik und Talentförderung angestoßen. Das Allegro-Festival in Friedrichsdorf gemeinsam mit Friederike Richter-Wedell, Kinder-Klassikreihen, den bis heute jährlich verliehenen Deutschen Dirigentenpreis, unzählige CD-Produktionen und die Bad Homburger Meisterkurse für Kammermusik mit den Förderpreis der Kamar Percy und Ingeborg John-Stiftung, der 2019 an das „Audax Saxophonquartett“ ging; Joerg ist unter anderem auch Vorsitzender der Mozartgesellschaft Wiesbaden und Leiter deren Konzertreihe sowie „Geburtshelfer“ weiterer Festivals und Fördervereine klassischer Musik wie der Kronberg Academy.
Der Vorstand der Stiftung „Bad Homburger Schlosskonzerte“ hat nun zu Ehren des rührigen 60-Jährigen, der in allem unermüdlich von seiner Frau Isabel Joerg unterstützt wird, den „Stiftungsfonds Karl-Werner Joerg“ gegründet und mit 30 000 Euro Startkapital ausgestattet.
Er wäre nicht er selbst, wenn er bei der Überreichung der Urkunde zur Fondsgründung nicht gesagt hätte: „Ich bin überwältigt. Das Geld kommt natürlich der Förderung der Stiftungsarbeit, der Musik zugute.“ Was er sich noch wünscht? „Mehr Abonnenten für die Schlosskonzert-Reihen!“