Den Schatz der Alltagsgeschichte heben

Oberbürgermeister Alexander Hetjes, Professor Dr. Roland Kaehlbrandt von der Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt und Kultur-Fachbereichsleiterin Dr. Bettina Gentzcke (v. l.) stellen das neue Projekt „Stadt-Historiker“ vor. Für die Werner-Reimers-Stiftung informiert Dr. Albrecht Graf von Kalnein (r.) über den mit 500 Euro dotierten neuen Preis für Lokalhistoriker.

Von Astrid Bergner

Bad Homburg. „In einer Welt globaler und digitaler Herausforderungen ist es wichtig, seine historischen Wurzeln zu kennen – Heimat bekommt jetzt mehr Bedeutung“: Für Oberbürgermeister Alexander Hetjes ist dies die Motivation für das neue Projekt „Stadt-Historiker – Bürgerinnen und Bürger, die Geschichte schreiben“.

Mit diesem Projekt, das jetzt startet, möchte die Stadt jeden Menschen, der Interesse für seine Heimatstadt, für Geschichte und Geschichten hat, ermuntern, in den kommenden Monaten zu forschen. Ob es das Interesse für ein Haus in der eigenen Straße und seine Bewohner über die Jahrhunderte ist, ein Denkmal im Stadtgebiet, ein historisches Ereignis in Bad Homburg oder die Darstellung einer bisher eher unbekannten Initiative oder Gruppe innerhalb der Bürgerschaft – der Forscher-Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Die Umsetzung kann in Form von Texten, Filmen, Vorträgen oder anderen Formaten erfolgen.

Die Laien-Historiker werden dabei von Fachleuten begleitet, angeleitet und finanziell unterstützt. Wer sich für das Projekt bewerben will, kann dies mit Hilfe des Bewerbungs-Flyers „Stadt-Historiker“ tun. Unterstützt wird das Projekt von der Bildungs-Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt und der Werner-Reimers-Stiftung. Bewerbungsschluss ist am 30. Januar 2021.

Das Projekt will Menschen aller Alters- und Berufsgruppen dazu bewegen und befähigen, ein begrenztes stadthistorisches Thema ihrer Wahl zu erforschen und öffentlichkeitswirksam aufzubereiten. „Oft haben Bürger, ausgehend von ihren biografischen Zugängen, einen eigenen Blick auf die Stadtgeschichte. Diesen Schatz der Alltagsgeschichte, der historischen Themen möchten wir für die breite Stadtgesellschaft heben“, sagte OB Hetjes bei der Vorstellung des Projekts in der Villa Wertheimber. Ausdrücklich wies der Oberbürgermeister darauf hin, dass damit das Engagement der traditionsreichen Bad Homburger Heimat- und Geschichtsvereine nicht geschmälert, sondern ergänzt und unterstützt werden solle. „Unsere Geschichtsvereine mit ihren vielen Ehrenamtlichen sind uns lieb und teuer.“ Die Vorsitzenden der Vereine waren bereits zu gemeinsamen Beratungen über das Projekt mit dem Fachbereich Kultur und Bildung der Stadt zusammengekommen. Selbstverständlich seien auch alle Mitglieder der Geschichtsvereine aufgefordert, sich mit eigenen Themen zu bewerben. Ausgeschlossen sind lediglich Personen, die hauptberuflich als Historiker tätig sind.

Die Idee für die „Stadt-Historiker“ stammt von der Stiftung Polytechnische Gesellschaft in Frankfurt, die seit 2007 Frankfurter Bürger auffordert und unterstützt, die Geschichte ihres Stadtteils zu erforschen. Professor Dr. Roland Kaehlbrandt, Vorsitzender der Frankfurter Stiftung, übergab in der Villa Wertheimber den Staffelstab symbolisch an Dr. Bettina Gentzcke, Fachbereichsleiterin Kultur und Bildung der Stadt: „Wir freuen uns, dass unsere Idee in Bad Homburg aufgegriffen wird. Es gibt so viele Menschen, die Quellen für Geschichten und Geschichte in ihrer Nachbarschaft finden, die sonst unzugänglich sind“, sagte Kaehlbrandt. „Dabei geht es um die Anerkennung derer, die vor uns gelebt haben.“ Das wissenschaftlich evaluierte Projekt zur Erforschung der Stadthistorie ist bereits als herausragendes Projekt der Erwachsenenbildung ausgezeichnet worden. „Aber es richtet sich wirklich an alle Altersstufen, auch an Schüler.“ In Frankfurt sowie in weiteren Orten wie Wiesbaden, Darmstadt oder im Ruhrgebiet beteiligten sich mittlerweile jedes Jahr auch zahlreiche Zugewanderte.

Die Bewerbung läuft wie folgt: Wer als Stadt-Historiker aktiv werden will, sollte sich den Flyer besorgen und mit dem Fachbereich Kultur der Stadt Kontakt aufnehmen. Er wird dann bei der Auswahl des eigenen Themas und dessen Eingrenzung beraten. Sodann muss bis 30. Januar 2021 eine ausführliche Bewerbung (siehe Flyer) eingereicht werden. Aus allen Bewerbern sucht eine sechsköpfige Jury schließlich bis zu fünf aus, die im Februar 2021 zu Stadt-Historikern ernannt werden und dann 14 Monate Zeit haben, um ihr Thema umzusetzen. Dabei werden sie in zwei Werkstatt-Treffen in grundlegenden Fragen der Stadtentwicklung sowie der methodischen Recherche geschult.

Projektkoordinatorin Ulrike Koberg steht für fachliche und praktische Fragen immer zur Verfügung. Eine Vernetzung der Gruppe der Forschenden wird angestrebt. Der Magistrat unterstützt die Arbeit jedes Stadt-Historikers mit je 800 Euro für Recherchen, Veröffentlichung und Präsentation. Außerdem wird die Jury eine der fünf Arbeiten aussuchen, die mit dem „Johann Georg Hamel-Preis“ der Werner-Reimers-Stiftung in Höhe von 500 Euro ausgezeichnet werden wird.

„Die Reimers-Stiftung möchte mit dem Sonderpreis besonders Projekte jüngerer Teilnehmer (ab Jahrgang 1994) fördern“, sagte Dr. Albrecht Graf von Kalnein, Vorstand der Bad Homburger Stiftung. Auch über eine weitere „Silber-Medaille“ denkt die Stiftung nach. Von Kalnein lobte das „Stadt-Historiker“-Projekt auch „als eine gute Möglichkeit für lokale Geschichtsvereine, sich durch Unterstützung der Forschungsvorhaben jüngerer Teilnehmer dadurch selbst zu verjüngen“. Im April 2022 sollen die fertigen Arbeiten der Öffentlichkeit präsentiert werden.

!Die Flyer zur Bewerbung für das Projekt „Stadt-Historiker“ liegen ab sofort im Stadtladen, in der Stadtbibliothek, im Lesesaal des Stadtarchivs, bei Tourist Info + Service im Kurhaus sowie bei der Werner-Reimers-Stiftung aus.

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