Wenn Schnaken schnakeln und Menschen zu Bestäubern werden

Lili Fischer haben es Schnaken angetan, im Großen wie auch im Kleinen, Zarten. Foto: ks

Bad Homburg (ks). Mit der neuen Ausstellung „Flügelschlag. Insekten in der zeitgenössischen Kunst“ greift das Museum Sinclair-Haus indirekt ein aktuelles Thema auf: das Insektensterben. Jeder kennt das: Wenn uns ein Insekt lästig ist, bringen wir es ohne Reue um. „Er kann keiner Fliege etwas zu Leide tun?“ Der Mensch kann und hat den Fliegenfänger erfunden.

Die den Insekten gewidmete Ausstellung, zu der das Frankfurter Naturkundemuseum Senckenberg Schaukästen zur Verfügung gestellt hat, könnte man als Hinweis auf eine bedrohte Spezies verstehen. Auch sie haben im großen irdischen Kosmos ihre Aufgabe. Wenn diese ausfällt, gerät das fragile, aber bewährte Gleichgewicht ins Wanken: „Es sind die Kleinsten, die unsere Welt am Laufen halten“, hat der Biologe Edward O. Wilson festgestellt. In den Bereich der Kunst erhoben, kann auch eine Schnake „schön“ und interessant sein, wie Esther Glück und Lili Fischer zeigen. Esther Glück lässt sie „Schnakeln“ und dabei die dünnen Beinchen verdrehen, als hörten die kleinen Tänzer eine ferne Melodie, einen Rhythmus, der sie in Bewegung bringt. Lili Fischer stellt größere Exemplare vor, ist, wie andere Künstler, aber auch vom Gegensatz zwischen dem kompakten Körper und den zarten Flügeln und Extremitäten fasziniert, den sie auf zarten Zeichnungen hervorhebt. Im „Schnakensimulator“ bringt sie Mensch und Schnake zusammen, was zu „Turbulenzen“, aber auch dazu führen kann, dass der Mensch zum Dirigenten wird, der eine „Probe auf dem Dach vom Globushaus von Schloss Gottorf“ ansetzt. Eine fantasievolle und humorvolle Begegnung.

Motte, Biene, Schmetterling

Auch die Motte gehört zu den Insekten, die wir Menschen nicht mögen. Wir „jagen“ sie wie die Schnaken und töten sie ohne Reue. In der Video-Aufzeichnung von Rosemarie Trockel frisst sie sich durch ein Stück Stoff und hinterlässt ein großes Loch. Dann wird der Rückwärtsgang eingelegt, und am Ende ist der Stoff wieder heil. Die Motte kann von vorne beginnen. Das erinnert irgendwie an die Sage vom Sysiphos. Andere Insekten wurden und werden auch mit der chemischen Keule vernichtet. Nachdem das „Artensterben“ in den Fokus gerückt ist, sind die Menschen etwas vorsichtiger geworden. Denn dabei geht es nicht nur den „Schädlingen“ an den Kragen. Es schädigt auch „Nützlinge“ wie Bienen, Schmetterlinge und andere Insekten, die für die Bestäubung der Blüten und Blumen sorgen. Sie sind in den Schaukästen zu bewundern, die das Senckenberg-Museum zur Verfügung gestellt hat. Darunter ist auch eine stattliche Sammlung von Maikäfern, die im Frühjahr kaum noch in den Wäldern zu finden sind. Versteinerungen und Einschlüsse im Bernstein bestätigen das hohe Alter der Insekten. Aber es gibt auch kunstvolle Variationen zu bewundern, in denen Käfer und ihre Flügel zu „Kunstträgern“ geworden sind.

Wie bei dem Japaner Akihiro Higuchi, der dabei das Mikroskop zu Hilfe nimmt. Timo Kahlen zeigt mit „Zwiebelmuster“ einen kleinen Fliegenschwarm, der sich vergeblich bemüht, den Verlockungen des Tellers nahe zu kommen. Das Thema „Bestäubung“ und „Ernte“ greift Maximilian Prüfer auf, indem er einen blühenden Baum und eine Birne zusammenbringt. Im Baum kann man einen Mann entdeckten, der als „Bestäuber“ in Aktion ist. Das ist nicht so unwahrscheinlich, wie die Installation „Biene 1 und Biene 2 mit Bestäubungs- und Sammlerwerkzeugen chinesischer Bauern“ zeigt. In China haben Pestizide die Insekten so stark reduziert, dass Menschen in die Bäume klettern, Blüten und ihre Pollen sammeln, um damit die Pflanzen wieder zu bestäuben. Eine aufwändige und wohl auch nicht immer erfolgreiche Prozedur, und ein Beispiel mehr, dass der Mensch nicht darum herumkommt, gravierende Fehler wiedergutzumachen.

Die interessante und anregende Ausstellung im Museum Sinclair-Haus, Löwengasse 15, ist bis zum 13. Oktober zu sehen und Dienstag von 14 bis 20 Uhr, Mittwoch bis Freitag von 14 bis 19 Uhr, Samstag, Sonntag und an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Es werden auch diesmal wieder ein Katalog sowie ein informatives Rahmenprogramm angeboten.

Am Mittwoch, 17. Juli, um 19 Uhr, geht es in der Orangerie des Schlosses um das Thema „Seide“ mit Schlossgärtner Peter Vornholt und Schauspieler Christoph Pütthof aus Frankfurt. Eine Woche später, am 24. Juli, gibt es von 19 bis 21 Uhr wieder einen „Sommerabend im Park“ mit Musik und Literatur. Dr. Edeltraud Fröhlich lädt für Mittwoch, 31. Juli, um 19 Uhr zum „Bildgespräch“ ein.

!Weitere Veranstaltungen sind auf einem Flyer vermerkt. Info: www.museum-sinclair-haus.de.



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