Schönheit liegt im Auge des Betrachters

Dieter Dressel im Opel 4/20, Baujahr1928, von Robert und Jochen Schramm aus Oberursel. Foto: fch

Bad Homburg (fch). Treffen„Gummi Kuh“ und Lanz-Bulldog auf „Obbel“ und Mopeds, dann hat die Familie Dressel auf ihr Firmengelände eingeladen. Am Sonntag war es wieder soweit. Alle Individualisten machten sich in ihren schicken Oldtimern auf dem Weg zum Saisonabschluss in der Central Garage.

Trotz des regnerischen Wetters kamen die Besitzer und Fans historischer Fahrzeuge, Oldtimer und Youngtimer aus Hessen und den angrenzenden Bundesländern in Scharen. Voller Stolz präsentierten Eigentümer von zwei-, drei- und vierrädrigen Oldtimern, deren Bandbreite von Autos über Traktoren bis hin zu Mopeds reichte, ihre fachmännisch restaurierten und liebevoll gepflegten Fahrzeuge. Bereits am frühen Vormittag waren alle Plätze rund um die historische Tankstelle belegt.

Auf den überwiegend perfekt lackierten und chromblitzenden Autos glitzerten Regentropfen im Schein von Sonnenstrahlen wie Diamanten. Bereits beim Einbiegen auf das Gelände der Central Garage genügte den Kennern ein Blick, um Marke, Typ, Besonderheit und Jahrgang einzuordnen. Vielfalt war wie immer Trumpf im Niederstedter Weg.

Schnell kamen alle bei Bratwurst und gut gekühlten Getränken oder Kaffee und Kuchen ins Gespräch. Da wurde um die Wette gefachsimpelt, Tipps, Tricks und Adressen wurden ausgetauscht. Zudem nutzten die Besucher die Gelegenheit, um einen Rückblick auf die Saison zu werfen. Die war wie immer viel zu kurz, hatte man sich doch erst im April an gleicher Stelle zum Saisonauftakt getroffen. Für Gastgeber Dieter Dressel gehört zu den Saisonhöhepunkten immer das alle zwei Jahre stattfindende internationale Oldtimertreffen „Die Rose vom Wörthersee“ in Pörtschach am Wörthersee. Zu den Höhepunkten für Oldtimer-Fans aus Europa und Übersee zählte die Ausstellung mit vor dem Ersten Weltkrieg gebauten Fahrzeugen. „Allein schon die Fahrt an den Wörthersee ist ein Erlebnis. Man reist in seinen Oldtimer an wie vor 100 Jahren. Das ist eine ganz besondere Erfahrung“, blickte Dieter Dressel auf das internationale Event im Juni zurück.

Konstruktion aus der DDR

Autos ermöglichen ihren Fahrern damals wie heute, individuell und selbstbestimmt zu reisen. Nicht ganz so weit, in den Naturpark Spessart, zieht es jeweils am ersten Mittwoch von Mai bis September Romy Hass und ihren Mann aus Maintal-Bischofsheim. Auf dem Weingut Wengerter in Klingenberg-Röllfeld trifft sich das Paar mit anderen Freunden klassischer Oldtimer-Automobile.

Angereist wird entweder im Roadster Jaguar I-Type V12, Baujahr 1973/74, oder im 911er Porsche, Baujahr 1986. „Dann wird in der Winzerstube bei einem guten Schoppen und Essen gefachsimpelt über Werkstätten, Lackierereien und Ersatzteile.“ In den Taunus und das Weiltal zieht es meist Werner Schultz aus Neu-Anspach. Unterwegs ist er auf einem seiner historischen Motorräder wie dem englischen Velocette Oldtimer Motorrad, Baujahr 1959, oder im begehrten schwedischen Buckel Saab 96, Baujahr 1962.

Beim Rundgang über das Central-Garage-Gelände zeigt sich immer wieder, wie wahr der Satz des Historikers und griechischen Flottenkommandanten im Peloponnesischen Krieg, Thukydides (um 455 - 396 v. Chr.) bis heute ist: „Schönheit liegt im Auge des Betrachters“. Für Dieter Dressel war eines der schönsten und interessantesten Gefährte die „Gummi Kuh“ von Robert und Jochen Schramm aus Oberursel. Bei dem Vorkriegs-Veteranen, einem Opel 4/20, Baujahr 1928, handelt es sich um ein richtiges Aschenputtel. Der im Volksmund aufgrund seiner Lackierung einst liebevoll auf den Namen „Opel Laubfrosch“ getaufte Wagen präsentierte sich in der Kurstadt als Traktor.

„Das ist eine Konstruktion aus der ehemaligen DDR. Sie ist dort aus der Not heraus nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden. Kleine Landwirte bekamen keine Maschinen, und so war Kreativität gefragt“, berichtete Robert Schramm. „Gefunden haben wir den als ‚Gummi Kuh‘ bezeichneten Behelfsschlepper bei einem Landwirt in der Rhön an der hessischen Grenze.

Er hat den Wagen mit Original ‚Obbel‘-Motor als Traktor umgebaut, indem er eine Mercedes-Hinterachse ein- und ein Mähwerk anbaute sowie einen Beifahrersitz anbrachte.“ Im Einsatz war das Gefährt auf dem Acker bis 1984. Die Bezeichnung 4/20 steht für vier Steuer und 20 „wirkliche“ PS, berichtete Schramm seinen Zuhörern.

Nach zehn Jahren hartnäckigen Verhandlungen kauften die beiden Oberurseler Brüder die „Gummi Kuh“ der Witwe des Landwirts ab. Fahrbereit machte sie jetzt wieder Laurenz Schramm (14), der sich für Technik zu interessieren beginnt, wie sein Onkel strahlend verkündete. Zum hoffnungsvollen Oldtimerfreunde-Nachwuchs gehört auch Philipp Dressel. Der 15-Jährige hatte außer der „Gummi Kuh“ einen Lanz Bulldog, Baujahr 1939, geparkt.

Zeit, Geld und Nerven in eine neue Innenausstattung, leckende Motoren oder rostende Karossieren investiert haben viele Oldtimerbesitzer. In jeder freien Minute wird geschraubt.

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