Bad Homburg. Das Thai-Festival zieht alle Jahre wieder zehntausende Menschen in den Kurpark. Die Stadt kann sich rühmen, weltweit einzige Stadt außerhalb Thailands mit zwei Thai-Salas zu sein. Zwischen beiden Tempeln, auf der Brunnenallee, spielt sich das Festival hinter einer Art Bauzaun ab. Wer auf der Thai-Food-Meile dabei ist, zahlt fünf Euro Eintritt. Das vom Konsulat Thailands entworfene Kulturprogramm mit Tänzen, Musik, thailändischer Kampfkunst und Modenschau findet auf der Bühne des Musikpavillons vor der Orangerie statt.
Gegessen wird im Kurpark schon vor der Eröffnung. Man kann sich vom Geruch leiten lassen, der über den Bauzaun am Elisabethenbrunnen wabert. Warme Suppe gibt es bereits zum Frühstück, Töpfe und Pfannen sind längst angeheizt, emsige Arbeit in den improvisierten Küchen unter Schatten spendenden Bäumen. Essen, so scheint es von früh bis spät, ist das wichtigste Kulturmedium bei der Begegnung mit der fremden Welt. Essen hält Leib und Seele zusammen und festigt Freundschaften.
Schon bald, wenn das bunte Band auf der Bühne des Musikpavillons als Zeichen der offiziellen Eröffnung durchschnitten ist, werden die Hauptakteure sich auch an die Pfanne machen. Zum „Showcooking“ haben sich der thailändische Generalkonsul Nattapong Lathapipat und Homburgs Kurdirektor Holger Reuter verabredet. Essen verbindet eben. Respektvolle Verbeugungen allenthalben, in der großen Pfanne wird Pad Thai zubereitet, ein traditionelles Nudelgericht mit Gemüse, Sojasauce und am Ende garniert mit Shrimps. „Da kommt alles rein“, so Reuter. Auch der philippinische und der kambodschanische Generalkonsul sind mit von der Partie, zur Mittagsstunde ist Pad Thai in aller Munde.
Auf der Bühne ist die Eröffnungszeremonie gelaufen, die offiziellen Reden mit den üblichen Worten und gegenseitigen Freundschaftsbekundungen sind gehalten, der Krida Pinihan Tanz zu Ehren der kaiserlichen Könige ist getanzt. Es fällt auf, dass der aktuelle König nicht mehr so im Vordergrund steht wie noch vor einigen Jahren. Dem, nun ja, oft ein wenig exzentrisch auftretenden König Maha Vajiralongkorn, wenn er denn überhaupt noch in der Öffentlichkeit zu sehen ist, gelten Ehrbezeugungen, die das Protokoll verlangt, im Kurpark hat er sich nie gezeigt, er bevorzugt andere Gefilde. Die Liebe der Thai gilt seinen Vorgängern, fast greifbar waren sie, als sie einst in der Kurstadt weilten. Die Namen von König Chulalongkorn und Nachfolger Bhumibol Adulyadej haben einen guten Klang. Mit den Homburger Stadtvätern und der Kur haben sie etwas gezimmert, das mehr ist als nur geschäftliche Beziehungen.
Die zwei Thai-Salas sind ein Alleinstellungsmerkmal mit touristischer Anziehungskraft. Als Dank für seine Genesung bei einer Kur hat König Chulalongkorn die Stadt 1907 mit dem bekannten „Siamesischen Tempel“ beschenkt, dank der inzwischen renommierten „Blickachsen“-Ausstellung im Kurpark und dem neuen Tennis-Kracher „Bad Homburg Open“ in Schlagweite wird er weltweit medial verbreitet. Einst, so heißt es, habe der geschätzte König seinen Geburtstag bei der Übergabe des Geschenks mit Volk und Freibier für alle gefeiert.
Als der ebenfalls beliebte König Bhumibol 1960 mit Königin Sirikit vorbeischaute, standen die Menschen an der Straße und winkten. 100 Jahre nach dem ersten Tempel wurde ein zweiter im unteren Teil des Kurparks errichtet. Kürzlich kam ein neues golden glitzerndes Geisterhäuschen dazu. Damit sollen Götter und Hausgeister milde gestimmt werden. Alles nur Geschichte, beim Festival „Amazing Thailand“ interessiert das zum Teil von weit angereiste Volk vor allem das pralle thailändische Marktleben. Die Brunnenallee ist zur wuseligen Marktstraße mit 36 Ständen geworden. Optisch, akustisch und olfaktorisch von den Gerüchen typisch thailändischer Küche geprägt, in der auch die Stinkfrucht nicht fehlt. Nirgendwo sonst in der Fremde gibt es so viel geballte Heimat für die verstreut lebenden Thais, der Kurpark ein Fixpunkt auf der Deutschlandkarte. Auch für Raya Khongthong, die von der Ostsee angereist ist, von wo aus sie sonst online unter dem Logo „Twin Lotus“ Kräuterzahnpasta und Kosmetik für Haut und Haar vertreibt und sich ein Leben fern der Heimat aufgebaut hat.
An den Verkaufsständen geht es vor allem ums Essen und die Geschäfte mit Kunst und Kleidung, Schmuck und Nippes. Und um thailändische Massage- und Heilmethoden. Das eigentliche Begegnungsfest findet hinter den Linien der Versorgungsleitungen der Stände statt, im großen Lager auf den Wiesen im Schatten der Bäume am Rand des Golfplatzes und bei den salzigen Heilquellen zwischen Spielbank und Orangerie. Auf dem Podium des Musikpavillons thailändische Volksmusik, Blumentanz und Kampfkunst bis zum „Top Act“ am Abend mit Sängerin Buaphan Tungsoe, der „Helene Fischer Thailands“, wie am Rande von Kulturkennern kolportiert wird.
Den geliebten Königen huldigen die Königstreuen abseits des Trubels. In ihre meist stille Andacht mit Räucherstäbchen und Blumengaben, Schnaps und Rauchwaren dringt höchstens das Plopp der Bälle vom benachbarten Tennisplatz. Barfuß knien manche Menschen vor dem Antlitz von Chulalongkorn und legen gut gemeinte Opfergaben ab. Und schicken ein Selfie mit König in die weit verstreute Thai-Welt.