Auch über Ernstes darf gelacht werden

Ein großes Publikum sammelt sich vor dem Musikpavillon, um sich das Kabarett „Das Beste aus 20 Jahren“ anzuschauen.Foto: mas

Von Mike Alexander Siemens

Bad Homburg. Schon 30 Minuten bevor Kabarettist Jens Neutag mit seinem Programm „Das Beste aus 20 Jahren“ im Musikpavillon auftrat, waren alle Plätze belegt. Während sich einige Gäste darüber beschwerten, waren wiederum andere auf diesen Andrang vorbereitet und brachten ihre eigenen Campingstühle mit oder legten sich mit ihrer Decke auf die Wiese des Kurparks. Geschätzt besuchten den Auftritt 400 Menschen. Vereinzelt ließen sich im älteren Publikum auch Kinder entdecken, die mit dem Rest gespannt darauf warteten, dass der Kabarettist auf die Bühne trat. Und als es soweit war, begrüßte ihn Bad Homburg mit großem Applaus.

Bei seinem Auftritt kam niemand heil davon, jeder bekam etwas ab: die Regierung, die Gesellschaft und selbst das vor ihm sitzende Publikum. Neutag echauffierte sich zu Beginn über die Parteien und deren Spitzen, besonders die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel stand im Fokus. So bewarb er ihre alten Reden als Alternative zur Narkose, bei der problemlos eine Herzoperation durchgeführt werden könnte. Sein Fazit: „Regierungen sind wie Windeln: Sie müssen gewechselt werden ... Aus demselben Grund.“

Damit leitete er fließend zum Hauptthema über, seiner Gesellschaftskritik. Diese begann an diesem sonnigen Abend mit der politischen Liturgie,vermischt mit der generellen Regelkonformität der Deutschen. Man sollte sich doch mal trauen, sich nicht an den Abfallkalender zu halten und die gelbe Tonne einen Tag zu früh rauszustellen. Innerhalb dieses Rahmens lobte er einerseits die Klimakleber, da diese sich immerhin trauten, etwas verändern zu wollen, andererseits auch den Mut der Gäste, die es gewagt hatten, sich in die erste Reihe zu setzen.

Gekonnt schwenkte Neutag zum Sicherheitswahn und erzählte dabei humoristische Anekdoten. Während heutzutage beispielsweise die Eltern den Sand siebten, in dem ihre Kinder spielten, damit bloß kein Dreck darin läge, wäre damals das Gesündeste im Sandkasten der Kot des Nachbarhunds gewesen. Auch rechnen konnte Neutag: Er präsentierte dem Publikum sein Ergebnis, dass Fischstäbchen günstiger wären als Klopapier. Dementsprechend wäre es auch kein Wunder, dass das Fleisch aus dem Supermarkt nach „frisch überfahrener Katze“ schmeckte. Viele weitere Themen wurden mit lustigem Humor kritisiert: sei es der Mondkalender, die Junggesellenabschiede mit ihren Motto-Shirts, die sich weiterentwickelnde KI, die To-Go-Latte-Macchiatos, Karl Lauterbachs Aussetzer, die nachgeahmt wurden, oder die SUV-Verliebtheit.

„Mettigel im Winterschlaf“

Zwischendurch gab es eine kurze Pause, bei der sich das Publikum Sekt, Bier, Apfelwein und frische Bratwürste schmecken lassen konnte. Doch auch so konnte sich das Publikum darüber freuen, in das Kabarett aktiv miteinbezogen zu werden. So gab es Schätzfragen, bei denen jeder seine Antwort reinrufen durfte, über die lange Schlange an der Damentoilette wurde gescherzt, und ein älterer Herr aus dem Publikum wurde als Witze-Boxsack auserkoren. Vorbeilaufende Passanten blieben stehen und genossen für einen Augenblick kichernd die Aufführung.

Einen Abschluss fand der zweistündige Kabarettabend unter tobenden Applaus, nachdem Jens Neutag aus seinem Buch „Mettigel im Winterschlaf“ vorlas, das im Anschluss noch zu erwerben war. Das Ziel der Veranstaltung war keine zerreißende Kritik, sondern das laute Lachen, das Jens Neutag durch den Kurpark streute. Und das gelang ihm hervorragend.

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