Nach ungefähr 174 Stufen Aufstieg zum Höhepunkt

Bad Homburg (js). Auf jeden Fall sind alle, die den Aufstieg nach Abwägen gewagt haben, oben angekommen. Auch Maria aus Bad Homburg, die ein bisschen skeptisch war auf den ersten Stufen durch den senkrechten Tunnel. Auch wenn die einen mehr Stufen durchs enge Treppenhaus hinauf zum höchsten erreichbaren Punkt zu bewältigen hatten als die anderen, wenn man deren individuelle Angaben dazu vergleicht. Aber dass alle belohnt wurden, kann schon hier gesagt werden. Ein echter Höhepunkt, um den Butterfassturmaufsatz zu spazieren, wie man den obersten Abschnitt des „Weißen Turms“ nennt. Knappe sechs Meter im Durchmesser, der Rundgang an den Fenstern vorbei, gut gesichert durch dicke Mauern, also recht eng bei ungefähr 20 Menschen, die gleichzeitig die Aussicht genießen und verstehen wollen, was Julia Koch zum Turm, seiner Geschichte und dem aktuellen Zustand zu erzählen hat.

Der „Weiße Turm“ von Bad Homburg, am Sonntag beim bundesweiten Aktionstag „Tag des Deutschen Denkmals“ war er eine von rund 6000 Attraktionen zwischen Flensburg und dem südlichsten Bayern, die zum kostenfreien Besuch geöffnet waren, in der Regel garniert mit fachkundigen Führungen, ein kurzer Bildungsurlaub am Denkmal-Sonntag also meist. Da kann man noch so exakt 169 oder 172 Stufen gezählt haben, es sind 174 Stufen vom unteren Gittertor bis zur schönen Aussicht. Sagt Julia Koch, sie arbeitet für die Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen im Barockschloss und ist gut vorbereitet für ihre Premiere als Führerin beim Tag des Denkmals. Drei Führungen konnten gebucht werden, alle „ausverkauft“.

Weithin sichtbar der „Weiße Turm“, dessen Urfassung aus dem 14. Jahrhundert stammt. Das Homburger Burggrafengeschlecht war da noch gut im Geschäft, der Turm war freistehender Bergfried der einstigen Burg Hohenberg, Wehrturm und Schauinsland, später dann Belvedere und Turm mitten im Schlossgelände. Wo er steht, weiß fast jeder, weil es in der Stadt viele Blickachsen zum Turm gibt. Einst war er Landmarke auf der Handelsroute zwischen Friedberg, Frankfurt und Mainz, jetzt ist er das Wahrzeichen der Stadt und weltbekannt, für die Menschen in der Kurstadt ein wichtiges Stück Heimat.

Über fünf Stockwerke führt die gewendelte Treppe nach oben, bis zur Mittelstation mit dem Wächtergang und den so genannten Pechnasen auf steinernen Stufen, danach auf Holz. Der Begriff „türmen“ wird an dieser Stelle verständlich. Denn ab hier geht’s hinauf auf den hohen Bergfried, Schutzraum für die Verteidiger einer Burg im Angriffsfall. Und natürlich, der Begriff „türmen“ verweist auf den Rückzug in einen Turm, lernt man auf Grundlage einer Dauerausstellung dort, die Mitte der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts durch Bürger Bad Homburgs finanziert wurde. Hätte man ja längst wissen können. Oder die Sache mit dem Pech. Am „Weißen Turm“ sind ebenfalls auf der mittleren Höhe Gusserker oder auch „Pechnasen“ angebracht. Zur Verteidigung über den Eingängen wurden einst auch heiße Flüssigkeiten herabgeschüttet, etwa Pech. Wer getroffen wurde, hatte halt „Pech gehabt“. Und der ein oder andere am Sonntag Glück, weil er endlich die Botschaft eines alten sprachlichen Bildes versteht.

Man lernt so einiges an einem „Tag des Denkmals“, wenn Menschen wie Julia Koch einen mit hinauf nehmen auf einen 48,11 Meter hohen Turm im Schlosshof zu Bad Homburg. Nach dem unbequemen Start im windumwehten Hof mit allgemeinen Hör- und Luftproblemen durch knatternde und reichlich Abgas pupsende Oldtimer rund um den Turm, deren Fahrer keine Gnade kannten mit denen, die einfach nur mal auf den Turm wollten. Andere Denkmäler eben, die auch mal gezeigt werden sollten. War ja für einen guten Zweck. Abschrecken ließen sich nur ein paar potenzielle Turmbesteiger.

Für jene und für andere, die noch nie hoch über den Dächern der Kurstadt in die Weite geblickt haben: Es lohnt sich jede der angeblich 174 Stufen. Allein schon für diesen Blick: Auf die Erlöserkirche und dahinter Sankt Marien, oder auf der anderen Seite auf den frühherbstlichen Schlossteich und dahinter den Tannenwald und noch weiter hinten den Taunus, nach Nordosten Richtung „Kirdorfer Dom“ oder nach Westen zum Nachbardorf „Orschel“. Ob Goethe und Heinrich von Kleist bei ihren Ausflügen nach Homburg mit literarischen Ergüssen auch oben im Butterfassturm waren, ist nicht verbürgt. Kleist und sein „Prinz von Homburg“, Goethe mit Liebeszeilen für das hübsche Hoffräulein Louise, ist ja auch egal. Die Sonntagsgruppe fand den Ausflug auf den immer noch standfesten Turm erquicklich und spendete Julia Koch für ihre gelungene Premiere warmen Applaus.

Julia Koch (Mitte) erzählt den Gästen bei der Führung im weißen Turm alles über das Wahrzeichen der Stadt.Foto: js

Ganz einfach ist der Aufstieg nicht, aber wer es bis nach oben auf den Weißen Turm schafft, darf sich über die herrliche Aussicht über die Kurstadt freuen.Foto: js

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