Mit VR-Brille dreidimensional durch das Finanzamt

Schon spannend das Innenleben des Menschen: Sendina Mamukic, Gesundheits- und Krankenpflegerin in einer Helios-Klinik, erklärt die Einzelteile, die Humboldt-Schülerinnen Alix Becker (Mitte) und Anna Claeys hören interessiert zu. Foto: Streicher

Bad Homburg (js). Sie werden mit offenen Armen empfangen, mit dem Versprechen, auch als Auszubildende ein „V.I.P“ im Unternehmen zu sein. Mancherorts wird der „Rote Teppich“ tatsächlich ausgerollt, knapp zwei Dutzend Unternehmen aus der Kurstadt werben bei der „Nacht der Ausbildung“ mit unterschiedlichen Strategien um die Führungskräfte von morgen.

Die Taunus Sparkasse hat den roten Teppich ins Kurhaus wieder ausgelegt. Der passt perfekt zur Signalfarbe ihres Corporate Design. Beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) wird er von blauem Blinklicht in Szene gesetzt und lockt Neugierige direkt in einen Rettungswagen, beim Pharmaunternehmen Lilly korrespondiert er mit dem Namenszug der Firma in roter Leuchtschrift auf dem Gebäude an der Werner-Reimers-Straße. Die Botschaft ist klar, hereinspaziert, hier sind Sie willkommen. So sehr, dass die jungen Leute bei Lilly sogar unter dem Motto „V.I.P.“ empfangen werden. Händeringend suchen viele Unternehmen nach Auszubildenden, freie Stellen sind reichlich im Angebot.

Das bestätigen die Vertreter der Industrie- und Handelskammer (IHK) und der Agentur für Arbeit (AfA). Die Ausbildungsberater der IHK sind bei Fresenius mit von der Partie, die Arbeitsagentur im Haus der Deutschen Leasing. Bei der „9. Nacht der Ausbildung“ können Jugendliche hautnah vorfühlen, ob etwas für sie passen könnte. Vor allem aber ermöglicht die Veranstaltung in Kooperation mit dem städtischen Jugendbildungswerk jedem Besucher eine emotionale Standortbestimmung mit Blick auf einen Ausbildungsplatz. Liegt mir das überhaupt? Kommt es meinen Neigungen entgegen? Könnte ich mir das vorstellen?

Anna Katharina Krenz ist ein Beispiel für einen Volltreffer. Im zweiten Ausbildungsjahr ist sie eine starke Botschafterin ihres Unternehmens. Sie kam in einer „Nacht der Ausbildung“ zu Lilly, löste das Quiz, bekam ein Bewerbungsgespräch und blieb. „Ich bin begeisterte Lilly“, sagt sie, wer am Freitagabend Station bei ihr macht, merkt bei jedem Satz, dass ihr positiver Schwung ehrlich ist. Mit roter Blume im Haar und einem Lächeln empfängt sie die Besucher, erzählt was ihr gefällt und warum ihr die Ausbildung so viel Spaß macht. Nennt die drei wichtigsten innerbetrieblichen Werte: Integrität, Respekt für Menschen, Leistung. Und Augenhöhe, jeder in der Firma sei „Teil des Teams mit Eigenverantwortung“. Auch die Azubis.

Auch bei Lilly sind es die Azubis, die den potenziellen Azubis der Zukunft auf Augenhöhe begegnen. Mit der jungen Kollegin Kathrin Sulzbach hat Anna Katharina Krenz viel Vorplanung für den Abend geleistet, in der Kino-Ecke wird ein kleiner Werbefilm gezeigt, bei dem sie Regie und die Kamera geführt hat. Auf dem Weg zur Fachfrau für Medien und Kommunikation in ihrer Sparte ist sie schon ein gutes Stück vorangekommen. Lilly-Personalreferentin Valeska Nagelschmidt hält sich bei der Betreuung der Gäste im Hintergrund, spricht lieber mit Stadträtin Lucia Lewalter-Schoor über die vielen Wege zum beruflichen Glück und Erfolg.

Ein Fixpunkt der Ausbildungsnacht ist das Unternehmen Fresenius. Im Glaspalast an der Else-Kröner-Straße herrscht den ganzen Abend Betrieb. Schon beim vierköpfigen Empfangskomitee werden kleine Aufmerksamkeiten in einer umweltfreundlichen Tüte verteilt, es gibt Häppchen wie bei einem Stehempfang, alle Gäste werden zuvorkommend bedient. Auch hier gilt, neben den Ausbildern sollen vor allem Azubis Fragen beantworten. Die jugendlichen Interessenten sollen von Gleichaltrigen erfahren, was die einzelne Ausbildung so ausmacht. Drei Dutzend Ausbildungsgänge in sechs Berufsfeldern hat das Unternehmen zu bieten.

Überraschung gleich im Eingangsbereich, an den Tischen der Industrie-Mechaniker und Mechatroniker im Dualen Studium sitzen und werben nur junge Damen. Katharina Kuhn produziert kleine Kunstwerke aus Kupferdraht als Gimmicks, Johanna Stadler und Luisa Hickel erklären jungen Besuchern die Fresenius-Welt. Wer strahlend geht, hat sein Ding gefunden und kommt mit Bewerbungsmappe wieder, andere merken, dass sie sich anderweitig orientieren müssen.

Hinein in den Rettungswagen

Bei Alix Becker (16) vom Humboldt-Gymnasium ist der Trip zu Fresenius und anschließend in die Hochtaunus-Kliniken der Abschluss der Berufsinfowoche. „Erst mal Abitur“, dann weitersehen. Mit „Interesse an Bio, Chemie und Medizin“ ist sie wie ihre Freundinnen Sophia Ohmenzetter und Anna Claeys hergekommen, der Besuch am Stand der Helios-Kliniken hat zum Festigen des Berufswunsches beigetragen. Lea und Linn (beide 14) und Schülerinnen des Kaiser-Friedrich-Gymnasiums sind über den roten Teppich zwischen flackerndem Blaulicht in den Wagen der Notfallsanitäter auf dem Klinik-Gelände geklettert. Durften Wiederbelebungsmaßnahmen an einer Puppe ausprobieren. Das war spannend, aber fast noch spannender war der anschließende Besuch im neuen Finanzamt, wo man mit VR-Brille im virtuellen Raum die geheime Welt eines Ausbildungszentrums der Finanzbehörden erkunden konnte. Guido Seelig, Ausbildungsleiter im Finanzamt, ist schon am frühen Abend zufrieden. Drei Bewerbungen hat er bekommen, außerdem einige Nachfragen für Praktika.

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