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Bad Homburg (a.ber). Die Korrespondenz der Hofbeamten über die baulichen Veränderungen im Schloss im 19. Jahrhundert war gut. Jeder interessierte sich dafür, was der Darmstädter Hofbaumeister Georg Moller (1784-1852) im Auftrag Landgraf Friedrichs VI. aus dem sogenannten Königsflügel machte: Zwischenwände wurden entfernt, um einen großen Speisesaal zu schaffen, das Treppenhaus wurde repräsentativ ausgebaut und mit vier mächtigen Marmorsäulen ausgestattet – Friedrich VI. wollte es seiner Gemahlin Elizabeth, der Tochter des englischen Königs Georg III., schön machen.
Doch Architekt Moller, der die Decke des Königsflügels mittels einer bogenförmigen hölzernen Konstruktion von oben stabilisierte, rechnete nicht damit, dass diese Konstruktion im Laufe der Jahrhunderte langsam durchhing. Umbauten zu Kaiser Wilhelms Zeiten wie ein weiteres aufgesetztes Geschoss, führten ebenfalls zu erheblichen Veränderungen der historischen Tragstruktur – und so mussten im Jahr 2011 nicht nur die kaiserlichen Gemächer des Schlosses ihre Pforten für Besucher schließen, sondern auch die vielen Verwaltungsbüros, die sich in diesem Teil des Schlosses befinden: Die Decke im Speisesaal hing durch, überall zeigten sich große Risse.
Risse in der Decke
Seit acht Jahren nun saniert und restauriert die Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten in Hessen gemeinsam mit dem Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen (LBIH) den Königsflügel. Und es werden weitere eineinhalb Jahre hinzukommen, bis im Herbst 2020 das einzige in Deutschland original erhaltene Kaiserdomizil wieder besichtigt werden kann. Im Speisesaal, den Kaiser Wilhelm II. im Stil des 18. Jahrhunderts anlegen ließ, sind Restauratoren derzeit dabei, die durch die defekte Konstruktion entstandenen Risse in der Decke auszubessern und die Bemalung mit Leimfarbe zu erneuern. Überall stehen Baugerüste, Flutlicht ermöglicht den Fachleuten, mit Sorgfalt die vielen Stuck- und Wandelemente zu restaurieren.
Ulrich Haroska, Leiter der Restaurationsabteilung im Schloss, und Kirsten Worms, Direktorin der Staatlichen Schlösser und Gärten, führten durch alle Räume der historischen Kaiserwohnung. Nach dem Einzug einer Stahlkonstruktion sind nun die Decken des Flügels stabilisiert, sodass die Restaurationsarbeiten an Wänden und Decken ebenso im Gelben Saal und in den Gemächern der Kaiserin Auguste Viktoria vonstatten gehen können.
Beim Abschlagen der schadhaften Wandbespannungen und dem Abwaschen der Wände sind dabei, so Haroska, viele unbekannte und interessante Details der Baugeschichte des Königsflügels zum Vorschein gekommen. So wurde erst kürzlich hinter der Wandbespannung des Ankleidezimmers der Kaiserin ein Fliesen-Spiegel mit den Abdrücken von mehr als 80 Delfter Kacheln entdeckt: „Dort stand einmal ein Bad-Schrank, in dem sich neben der Wand aus Fliesen auch eine Badewanne befunden haben muss“, sagt Haroska. Der in den 1920er-Jahren abgebaute Schrank steht heute in Lorsch.
Etliche der Delfter Kacheln existieren auch noch. „Die Frage ist jetzt, was wir mit dem Befund machen“, sagt Kirsten Worms. Hinter der Wandbespannung im ehemaligen Arbeitszimmer der Kaiserin fanden sich Verleimungen von oben bis unten mit alten Zeitungen wie dem „Kaisermagazin“ und anderen Lokalblättern. „So etwas haben wir selbst noch nie gesehen“, sagte Haroska. Diese Wandverkleidung wird laut Kirsten Worms erhalten und wieder mit einem Seidenstoff überspannt werden.
Auch über die Original-Einrichtung der übrigen Gemächer wird noch entschieden werden. Viele der alten Einrichtungsgegenstände seien dank großer Spendenbereitschaft bereits restauriert worden: 73 000 Euro Spenden hat das Kuratorium Bad Homburger Schloss bereits gesammelt und investiert. Auf Hochtouren läuft derzeit auch die Rekonstruktion der textilen Wandbespannungen in den kaiserlichen Räumen. „Hier wird vieles nachgewebt“, so Haroska. Auch die kaiserzeitliche Haustechnik, die diversen Klingelsysteme für Bedienstete des Kaiserpaars und die alten Schalter und Elektrifizierungen der Kronleuchter werden im Zuge der Restaurierung instandgesetzt werden.
„Kaiserzeit-App“ wird umgesetzt
Wie Thomas Platte, Direktor des Landesbetriebs Bau und Immobilien Hessen, bekannt gab, werden die umfänglichen Sanierungsarbeiten das Land Hessen etwa 7,7 Millionen Euro kosten. Im Herbst 2020 sollen die ersten Besuchergruppen wieder durch den Königsflügel geführt werden können. Dabei werde es, so Kirsten Worms, außer den historischen Schlossführungen auch einige neue Elemente der Museumsarbeit geben: Eine „Kaiserzeit-App“ sei bereits in Vorbereitung.