Wechselbad der Gefühle und sensible Interpretationskunst

Bad Homburg (ks). Bei seinem ersten Konzert in der Schlosskirche hatte sich der koreanische Pianist William Youn als hilfsbereiter Musiker erwiesen, der für einen erkrankten Kollegen eingesprungen war. In der Reihe „Meisterpianisten“ war er nun ein willkommener Gast, der diesmal das Podium für sich alleine hatte. Er nutzte die Chance gut, sein Einfühlungsvermögen, seine technische Brillanz und seine persönliche „Note“ bei der Interpretation der Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, Frédéric Chopin und Franz Schubert zur Geltung zu bringen und wurde dafür mit anhaltendem Beifall und Bravorufen geehrt.

Die Fantasie c-Moll und die Klaviersonate Nr. 14, ebenfalls c-Moll, hatte Mozart gleichzeitig veröffentlicht und seiner Schülerin Maria Theresia von Trattner gewidmet, mit deren Familie er befreundet war. Beide Werke folgen keinem einheitlichen Duktus, pendeln zwischen Entschiedenheit und unsicherer Zerrissenheit. „Drama, Leidenschaft und Pathos“, die für die Moll-Tonart bestimmend sind, artikulieren sich auch in diesen Werken, und in der Sonate finden sich Anklänge an die Sonate, die in einem düsteren Thema endet. Youn lässt sich Zeit, die Stimmungen zu ergründen, einzelnen Tönen und Akkorden nachzuspüren, um herauszufinden, was den Komponisten bewegt und angespornt hat. Er beherrscht die Skala vom fast „geflüsterten“ filigranen einzelnen Ton bis hin zum vollen, entschiedenen Klang und nimmt die Zuhörer mit auf Ausflüge ins Reich der Fantasie. Frédéric Chopins Polonaise-Fantasie As-Dur deutet schon im Titel an, dass der Komponist unsicher war, welchem Genre er das Werk zuordnen sollte. Der für die Polonaise typische Rhythmus ist zwar erkennbar, doch bestimmend sind die große thematische und formale Freiheit, die sich Chopin bei diesem Werk gönnt. Es gehört zu seinen letzten großen Klavierwerken, das den Zuhörer „auf eine lange Reise mit einer grandiosen Schlussapotheose“ mitnimmt.

Schroff und zerrissen

Dieses Werk verstärkte den Eindruck, Youn halte beim Spielen eine Art Zwiesprache mit dem Komponisten, um zu ergründen, was diesen beim Komponieren bewegt hat und mit seiner Musik zum Ausdruck bringen wollte. Das ist bei Franz Schuberts Sonate für Klavier G-Dur besonders schwierig, der „das Unbegreifbare und Irrationale“ zu vermitteln versuche, mit „Zerrissenheit, Schroffheit und großer emotionaler Spannweite“ als weiteren Elementen in diesem Werk.

William Youn ist auch diesem Wechselbad der Gefühle überzeugend gerecht geworden. Der begnadete Solist hatte es ist sich mit der Auswahl der Werke nicht leicht gemacht, konnte aber mit seiner großartigen sensiblen Interpretationskunst überzeugen. Für Beifall und Bravorufe bedankte er sich mit Zugaben von Franz Liszt und Peter Tschaikowsky.



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