Bad Soden (aks) – Dr. Jürgen Frei, dem die Musik und die Künstler in der Region ein Herzensanliegen sind, begrüßte die zahlreichen Zuschauer im Kino Casablanca, das bis auf den letzten Platz ausverkauft war, zum Auftakt der 19. Mendelssohn Tage in Kooperation seiner Bad Sodener Musikstiftung mit der Stadt Bad Soden, und lud zu den weiteren Veranstaltungen der Mendelssohn Tage im Oktober und November ein. Das Highlight wird, nach seinem bekunden, die H-Moll-Messe von Bach in St. Katharina am 2. November sein.
Das Format „Kino und Musik“ hat sich in den letzten Jahren bestens bewährt und lockte auch am Samstagabend „richtige Gourmands“, wie Frei schmunzelnd feststellte, in das Casablanca, das bundesweit und hessenweit prämierte Kino in Bad Soden: Doppelter Genuss mit Live-Konzert, Kino und Quiche, als weiterem kulinarischen Leckerbissen. Sabine Schaan, kreativer Kopf und Musikmanagerin der Mendelssohn Tage der Musik, stand ebenso tatkräftig an seiner Seite wie Claudia Neumann, Kulturmanagerin der Stadt Bad Soden. Das Publikum erwartete mit Spannung das Historiendrama „Die siebente Saite“ von Alain Corneau aus dem Jahr 1991, mit dem damals noch unumstrittenen Star des französischen Kinos Gérard Depardieu neben seinem Sohn Guillaume Depardieu, der 2008 an den Folgen eines Motorradunfalls starb. Die Geschichte ist eine Hommage an den Gamben-Meister zur Zeit des Sonnenkönigs im 17. Jahrhundert, Monsieur de Sainte-Colombe, der, ganz der Musik verschrieben und vom Leben enttäuscht, überzeugend düster gespielt wurde von Jean-Pierre Marielle. Die Musik diene keinesfalls der Unterhaltung und so peinigt er seinen hochbegabten Schüler Marin Marais bis aufs Blut: „Ich höre nur ihr Spiel, aber keine Musik“. Der Maestro zog es vor, in der Abgeschiedenheit seiner Musik, die geheimnisvolle Verbindung zur Unterwelt in einer Art Todessehnsucht zu suchen, um in diesen Augenblicken seiner über alles geliebten verstorbenen Ehefrau zu begegnen, „wie ein Wunder“. Jordi Savall, bringt als Musikwissenschaftler und Gambist in dieser Produktion die Musik des Barocks in all ihrer Pracht zum Glänzen.
Gambenspiel als Hingabe an den Augenblick
Neben der Violine und dem Cello, das vom „Volk“ in Wirtshäusern zur Unterhaltung gespielt wurde, entwickelte sich die Viola da Gamba, die es im Barock in unterschiedlichen Größen und Formen („für unterschiedliche Menschen“) gab, zu einem Statussymbol bei den Adligen, die sie gern in „ihren Castles“ spielten. Ein Bildnis mit Gambe bedeutete allegorisch, dass der Porträtierte „gut gestimmt war, bei sich war“, so erklärt es die junge Gambistin Ena Markert den Zuschauern. Sie hat neben dem Barockcello auch die Kunst der Gambe in Frankfurt studiert. Auch Ilona Les an ihrer Seite führte ihre Liebe zur Barockmusik nach Frankfurt, wo sie 2022 das Ensemble „Les Amis Consort“ mitgründete. Die Gambe von Ena Markert hat, wie im Film, sieben Saiten – klingt tiefer und so spielt sie mit Ilona Res Musik, die 300 Jahre alt ist, teils am Hof des Sonnenkönigs aufgeführt wurde und von der es zum Teil keine Aufnahmen gibt.
Das Konzert ist also nicht nur live, sondern auch einzigartig, mit Kompositionen, die in Vergessenheit gerieten und ab 1920 ein Revival erlebten. Vor allem durch Nicolas Harnoncourt, der mit alten Instrumenten von Dachböden und Notenheften aus dem Museum Wien die Gambenmusik wieder entdeckte und spielte. „Die Barockmusik entschleunigt – sie hat eine eigene Stimme, eine eigene Welt.“ Verglichen mit den Forte-Passagen des Cello oder den hohen Tönen der Geige, klingt die Gambe nie laut oder schrill. „Die wichtigsten Sachen, sagt man leise“, da ist sich das Gamben-Duett einig.
Und so kann man sich als Zuhörer ganz entspannt den Kompositionen von Marin Marais, dem berühmten Schüler von Monsieur de Sainte Colombe, Metrù und Louis de Caix d’Hervelois (18. Jahrhundert) hingeben und man spürt und hört die Leidenschaft und Hingabe der beiden jungen Meisterinnen, die bereits auf großen Bühnen zuhause sind, sich aber sichtlich freuen über die Chance, in einem kleineren „Saal“ ihr ganz persönliches Programm zu präsentieren.
Das Publikum schien gar nicht genug zu bekommen: auch nach einer Stunde und einer herrlichen Polonaise als Zugabe, wollten die Fragen an die Gambistinnen nicht enden, aber da war es dann doch Zeit, den prachtvollen Film zu zeigen, der die Musik in einen noch prachtvolleren Rahmen mit opulenten Kostümen und großer Schauspielkunst setzte – ein cineastisches Erlebnis der besonderen Art.
Akustik wie im Tonstudio und inniges Zusammenspiel betonten den warmen Klang der Gamben: Dr. Jürgen Frei (Musikstiftung Bad Soden) mit den Gamben-Spielerinnen Ena Markert und Ilona Les, Sabine Schaan (Managerin Mendelssohn Tage) und Claudia Neumann (Stadt Bad Soden).
Fotos: Sura