Made in Bad Soden – die Schuhe für Millionen Tänzerinnen und Tänzer in aller Welt

Diamant-Tanzschuhe: Der geschäftsführende Gesellschafter Oliver Müller präsentiert ein Modell, das häufig auch als Brautschuh verwendet wird. Das Bad Sodener Unternehmen feiert in diesem Jahr einen runden Geburtstag. Es wurde vor 150 Jahren gegründet.Foto: Tocha

Bad Soden (wto) – Mit produzierendem Gewerbe ist Bad Soden nicht gerade reich gesegnet – doch es gibt eine große Ausnahme, die sich nicht einfach nur am Markt behauptet, sondern mit Rückenwind unterwegs in die Zukunft ist. Die Rede ist von der Diamant Schuhfabrik. Sie feiert in diesen Tagen ihr 150-jähriges Firmenjubiläum. Diamant stellt ein ganz besonderes Produkt her: Tanzschuhe.

Von Bad Soden in alle Welt, heißt das Motto. Denn die Diamant-Tanzschuhe sind bei Tänzerinnen und Tänzern international bekannt und beliebt, sowohl bei Hobby- und Freizeittänzern als auch bei Tanzprofis. Die Tanzschuhe werden nicht nur in Deutschland vertrieben, sondern in 37 Länder auf vier Kontinenten exportiert. „Wir sind einer der Marktführer weltweit“, sagt Oliver Müller (40). Er ist der geschäftsführende Gesellschafter der „Diamant Schuhfabrik Otto Müller KG“, so der vollständige Name des mittelständischen Unternehmens. „Wir waren das erste Unternehmen, das Tanzschuhe in Deutschland produziert hat“, so Müller, „und heute sind wir das einzige Unternehmen, das das weiter tut.“ Denn die Konkurrenten lassen im Ausland fertigen.

Die Produktion ist in zwei Fertigungsgebäuden an der Königsteiner Straße angesiedelt. 42 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat das Unternehmen insgesamt. Das Spektrum der Arbeitskräfte reicht vom Schumachermeister – der 23-jährige Leon Hohmann ist Deutschlands jüngster Schuhmachermeister – über Schuhfertiger und angelernte Kräfte bis hin zu kaufmännischen Berufen und Lageristen sowie der IT- und Produktionsleitung. Auch Oliver Müllers Vater Thomas und seine Schwester Bianca Schraub sind im Unternehmen tätig, Seniorchef Thomas Müller seit 57 Jahren. Die Schuhfabrik ist ein Familienunternehmen.

Zwei Neuentwicklungen

Die Fertigung ist zwischen Handwerkskunst und moderner Technologie angesiedelt. Doch letzten Endes bleibt es bei Handarbeit, für die der Begriff Manufaktur am besten passt. „Jeder Tanzschuh wird mit bis zu vierzig Arbeitsschritten hergestellt“, erläutert Oliver Müller. „Dazu gehört das Zuschneiden des Materials, das Vernähen des Schuhschaftes, der dann an die Brandsohle gezwickt wird; später werden der Absatz montiert und die Laufsohle angebracht.“ Sowohl der Schaftbau – das Schuhoberteil heißt in der Fachsprache Schaft – als auch die Bodenmontage, die beiden entscheidenden Bausteine der Schuhfertigung, sind in Bad Soden angesiedelt, in den zwei miteinander verbundenen Gebäuden der Fabrik. Die verwendeten Materialien werden größtenteils von deutschen Herstellern zugeliefert. „Der Standort Deutschland und die damit verbundene Einhaltung sozialer und ökologischer Standards ist uns wichtig“, sagt Müller.

Dass die Diamant Schuhfabrik optimistisch in die nähere Zukunft blicken kann, hängt mit den beiden neuen Produktlinien zusammen – neben dem Klassiker, dem Tanzschuh mit Rauhledersohle, hat das Unternehmen zwei Neuentwicklungen auf den Markt gebracht. „VarioSpin“ ist die eine: „Die neuartige Kunstsohle erlaubt das Tanzen auf jedem Untergrund“, erläutert Müller. „Das spiegelt einen Welttanztrend wider. Denn die Tänzerinnen und Tänzer bewegen sich, was das Tanzen als Breiten- und Freizeitsport angeht, heute nicht nur auf dem Parkett, für das Rauhledersohle gut geeignet ist, sondern zunehmend auch im Freien, auf Fliesen beim Tanzevent im Einkaufszentrum oder an anderen Orten.“ Die Universalsohle sorgt dafür, dass die Tänzer auf den verschiedenen Untergründen haften und gleiten können und die beiden Funktionen gewähleisten, die ein Tanzschuh erfüllen muss.

Die zweite Neuerung ist „VarioPro“: Die Tanzschuh-Produzenten aus Bad Soden haben neben dem Breitensport zunehmend auch die Profis im Blick. Müller: „Bei der VarioPro-Linie verwenden wir eine extrem leichte, flexible und geteilte Sohle, die noch ausdrucksstärkere Bewegungen im Profisport ermöglicht.“ Der Erfolg gibt dem Unternehmen Recht: Im Segment der Schuhe für den Profi-Tanzsport ist es Diamant gelungen, in eine Domäne vorzudringen, die traditionell den Briten vorbehalten war.

Insgesamt hundert Modelle hat Diamant im Angebot. Sie werden von rund 500 Fachhändlern weltweit vertrieben, davon 200 in Deutschland. Sie ordern durchweg online: Schon in den 90er-Jahren hat Diamant ein digitales Bestellsystem eingeführt.

Der Leisten des Ururgroßvaters

Der Ururgroßvater von Oliver Müller, Eberhard Müller, hätte davon nur träumen können. Der Schuhmachermeister Eberhard Müller hat das Unternehmen gegründet, als er im Jahr 1873 sein Ladengeschäft gegenüber der Kleinmarkthalle in Frankfurt als Ein-Mann-Betrieb eröffnete. Der rührige Handwerker reformierte den Leistenbau – der Leisten wird beim Bau eines Schuhs verwendet – und ließ sich das patentieren. Ende der 20er-Jahre des 20. Jahrhunderts begann auf dieser Grundlage die industrielle Schuhfertigung in Frankfurt unter dem Namen „Angulus Schuhfabrik Otto Müller KG“. Otto Müller senior war der Sohn von Eberhard Müller. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Schuhfabrik durch Brandbomben zerstört. Zunächst gab es einen Neustart in Frankfurt durch Otto Müller junior.

Seit 1957 Produktion in Bad Soden

In den 50er-Jahren erfolgte der Umzug nach Bad Soden. Im Jahr 1956 wurd das Grundstück an der Königsteiner Straße gekauft und dort das Fabrikgebäude errichtet. Im Sommer 1957 begann dort die Produktion, zuächst mit Braut- und Abendschuhen und den damals sehr bekannten „Rapallo-Sandalen“. „Mein Großvater Otto Müller junior und mein Vater Thomas Müller sorgten für den Switch auf Tanzschuhe unter dem Namen Diamant“, sagt Oliver Müller. 1982 war dieser Produktwechsel abgeschlossen – und damit der Grundstein für den heutigen Erfolgt gelegt. „Insgesamt haben wir bislang am Standort Bad Soden mehr als fünf Millionen Paar Schuhe hergestellt und ausgeliefert.“ Und es werden jeden Tag mehr.



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