Millionenverlust erregt weiter die Gemüter

ORT:

Eschborn (MS). Bürgermeister Adnan Shaikh (CDU) würde die Greensill-Affäre gerne zu den Akten legen. Doch Dank der für die Stadt krachenden Niederlage vor dem Landgericht legt die Opposition noch einmal lautstark den Finger in die Wunde.

Zur Erinnerung: Unter der Verantwortung von Adnan Shaikh hat die Stadt im Jahr 2020 Festgelder bei der äußerst dubiosen Greensill-Bank angelegt, die im Frühjahr 2021 geschlossen wurde und anschließend in die Insolvenz ging. 35 Millionen Euro sind seither verschwunden. Nur die nordrhein-westfälische Stadt Monheim hat noch mehr Geld an die Pleite-Bank aus Bremen überwiesen. Ein Teil des Geldes könnte in vielen Jahren nach Abschluss des Insolvenzverfahrens zwar wieder zurückkommen, der größte Teil dürfte aber für immer verloren sein.

Konsequenzen hatte dieses Desaster in Eschborn bisher nicht. Weder Adnan Shaikh noch der verantwortliche Mitarbeiter aus der Finanzabteilung wurden bisher zur Rechenschaft gezogen. Da Dummheit nicht strafbar ist, ist ihnen juristisch nichts vorzuwerfen. Eine politische Verantwortung für den Verlust von derart viel Steuergeld bleibt natürlich trotzdem.

Mit einem Schadenersatzprozess gegen die Beratungsfirma Rödl & Partner, die die Anlagerichtlinien der Stadt entwickelt hatte, wollte der Magistrat punkten. Doch das Landgericht hat Ende Februar glasklar festgestellt, dass die Stadt „Rödl & Partner“ für die eigenen unglücklichen Anlageentscheidungen nicht verantwortlich machen kann. Auch wenn das Adnan Shaikh nach wie vor anders sieht, glaubt nicht einmal er, dass eine Berufung gegen das Urteil Erfolg haben könnte und empfahl den Stadtverordneten, auf Rechtsmittel gegen die juristische Niederlage zu verzichten.

Vor allem die Opposition ließ sich in der Diskussion über die Vorlage am vergangenen Donnerstag die Chance nicht entgehen, noch einmal auf die Versäumnisse des Bürgermeisters und seiner Finanzverwaltung im Zusammenhang mit dem Verlust der 35 Millionen Euro hinzuweisen. Nach der Sitzung haben SPD, FDP und „Die Linke“ in einer gemeinsamen Presse-Erklärung ihre Kritik noch einmal zusammengefasst. Vor allem ärgern sie sich darüber, dass Adnan Shaikh nach wie vor behauptet, dass die Stadt bei den desaströsen Geldanlagen stets die beschlossenen Anlagerichtlinien beachtet hätte. „Das Landgericht Frankfurt sieht das anders und schreibt der Stadt Eschborn ein Mitverschulden beim Verlust der 35 Millionen Euro zu“, heißt es in der Presse-Erklärung.

In der Tat steht in der Urteilsbegründung, die der Bürgermeister nach Angaben von SPD, FDP und Linken „unter Verschluss“ hält: „Vor diesem Hintergrund hätte es der Klägerin (die Stadt Eschborn, Anmerkung der Redaktion)oblegen, zum einen die Sicherheitsaspekte und -mechanismen der Anlagerichtlinie zu beachten und nicht durch Anhebung von Sicherheitsgrenzen und Anlage großer Geldmengen bei einem Institut entgegen der Anlagerichtlinie das Risiko zu steigern.“ Vor diesem Hintergrund fordert die Opposition, dass Adnan Shaikh die ganze Urteilsbegründung nicht länger als vertraulich einstuft und öffentlich zugänglich macht.

Opposition sieht Kritik bestätigt

Die drei Oppositions-Parteien halten fest, dass das Landgericht im Urteil zu derselben Auffassung gelangt sie wie die drei Parteien. Das Gericht habe unter anderem auch die „völlig unzureichende Risikoprüfung“ durch die Stadt moniert. Der Bürgermeister trage eine Mitschuld, weil er die Verstöße seiner Fachabteilung gegen die Anlagerichtlinien nicht bemerkt hat und somit seiner Mitwirkungs- und Aufsichtspflicht nicht gerecht geworden ist.

Die Konsequenzen, die die drei Oppositionsparteien vier Jahre nach dem Verlust der Millionen fordern, sind unterschiedlich: Am weitesten geht die FDP. Partei- und Fraktionsvorsitzender Christoph Ackermann hat Adnan Shaikh aufgefordert, die Verantwortung für den Millionenverlust zu übernehmen und auf eine erneute Kandidatur um das Bürgermeisteramt zu verzichten. Außerdem will er sich nochmals an die Dienstaufsicht wenden, das Verhalten des Bürgermeisters in der Affäre „neutral und ohne politische Voreingenommenheit“ erneut zu prüfen. Landrat Michael Cyriax (CDU) hat den Verlust der Steuergelder zwar missbilligt, Adnan Shaikh aber attestiert, keine Verstöße begangen zu haben.

Auch „Die Linke“ fordert, dass der Bürgermeister mehr Verantwortung übernimmt. Fritz-Walter Hornung sagt: „Vom Bürgermeister hätten wir erwartet, dass er sich zu seiner Verantwortung als zuständiger Kämmerer bekennt, statt alle Register zu ziehen, um diese von sich zu weisen.“

Eva Sauter von der SPD stellt fest, dass nicht die Anlagerichtlinien falsch waren, sondern der Umgang mit ihnen. Einen Rückzug von Adnan Shaikh aus dem Bürgermeisterrennen fordert sie indes nicht.

Gebot der Wirtschaftlichkeit

Adnan Shaikh und die CDU weisen die Kritik von SPD, FDP und Linken zurück und interpretieren auch das Urteil anders. Nach ihrer Lesart sei es vor dem Landgericht nicht darum gegangen, wie die Stadt Eschborn das Geld im Einzelnen angelegt habe.

CDU-Fraktionsvorsitzender Christian Oberlis erinnerte in der Debatte im Stadtparlament auch noch einmal daran, dass die Anlagerichtlinien auch das Gebot der Wirtschaftlichkeit bei Geldanlagen thematisiert hätten. Vor diesem Hintergrund sei es 2020 vertretbar gewesen, das Geld bei der einzigen Bank anzulegen, die seinerzeit noch Zinsen gezahlt hätten. Alle anderen Banken verlangte vor fünf Jahren so genannte „Verwarentgelte“, die die Stadt Millionen gekostet hätten.

Am Ende stimmten die Stadtverordneten am vergangenen Donnerstag einstimmig für den Vorschlag des Bürgermeisters, auf eine Berufung zu verzichten. Die SPD-Fraktion enthielt sich. Zwei Stunden später lief die Frist für eine Berufung dann auch ab, so dass die Niederlage der Stadt Eschborn vor dem Landgericht nun rechtskräftig ist.

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