Wie die Feuerwehr Belastungen meistert

Nachteinsatz der Feuerwehr: Die Einsatzkräfte stehen vor großen Herausforderungen, sowohl durch die Gefahren des Einsatzes als auch durch die wachsende psychische Belastung und die zunehmende Gewalt. Foto: Feuerwehr Friedrichsdorf

Von Mike Alexander Siemens

Friedrichsdorf. Für die ehrenamtlichen Feuerwehrmänner wird es nicht leichter. Zu den bereits bestehenden schweren psychischen Belastungen schleicht sich die Gewalt gegen Einsatzkräfte mit zu den Problemen. Dagegen soll jetzt in Friedrichsdorf präventiv vorgegangen werden.

Wie könnte ein Einsatz aus der Sicht eines Feuerwehrmannes aussehen? Während des üblichen Wocheneinkaufs oder des Abendessens mit der Familie schrillt plötzlich der Pager. Ein neuer Einsatz. Alles wird liegengelassen, jetzt zählt jede Sekunde. So schnell wie möglich geht es zum Einsatzort, wo meistens schon ziemlich intensive Bilder warten. Und dennoch, der Feuerwehrmann beißt sich auf die Zähne und gibt sein Bestes. Doch für seinen Einsatz bekommt er keinen Applaus. Als Dankeschön für seine Hilfe erhält er eher Beleidigungen von genervten Autofahrern, die sich über eine zur Sicherheit eingerichteten Straßensperre beschweren.

Das ist für die etwa 60 ehrenamtlichen Einsatzkräfte der Feuerwehr Friedrichsdorf Mitte knallharte Realität, wie der Wehrführer Dennis Ahmadiyan berichtet. Der psychische Druck – einerseits allzeit erreichbar und bereit zu sein, andererseits bei brutalen Unfällen zu helfen – sei inzwischen jedoch nicht das einzige Problem. Immer häufiger habe die Feuerwehr mit der Gewalt gegen Beamte zu kämpfen. Besonders geläufig seien Beleidigungen, wenn – wie im vorherigen Szenario – eine Straße gesperrt werden muss. „Der Respekt gegenüber Einsatzkräften schwindet“, stellt Ahmadiyan fest. Zwar gab es im Kreis der Feuerwehr Friedrichsdorf noch keinen direkten Angriff, aber immerhin im vergangenen Jahr den Versuch eines Mannes, mit geballter Faust auf die Einsatzkräfte loszugehen. Deshalb möchte sich die Feuerwehr mit Blick auf Großstädte wie Frankfurt oder Berlin präventiv auf solche Fälle vorbereiten. Trotz dieser großen Lasten ist Ahmadiyan immer bereit: „Die Motivation, anderen zu helfen, ist so groß, dass alles andere in den Hintergrund rückt.“

Ein Grund, weshalb vor allem die Feuerwehr unter solcher Last stehe, liegt laut Ahmadiyan darin, dass sie auf sich alleine gestellt ist: Die Polizei habe für brenzlige Sachlagen ein Einsatzkommando, und bei schlimmen Verletzungen könne ein Krankenwagen einen Notarzt zur Unfallstelle mitnehmen. Nur die Feuerwehr habe niemanden, den sie rufen kann. Dadurch müssten die Einsatzkräfte sich jeder möglichen Situation stellen, egal, wie krass diese ist. Doch das sei gar nicht so einfach. Für einige sei das Mentale rund um den Einsatz deutlich schlimmer, als die Bilder des Unfallorts an sich. So sei es üblich, dass man abends nicht ruhig ins Bett fallen kann, sondern von Fragen heimgesucht wird. „Bei gravierenden Ereignissen kommen auch die Gedanken: Warum hat er das gemacht?“, erzählt Ahmadiyan. Die Beamten würden zwar versuchen, wiederkehrende Gedanken wie „Haben wir alles richtig gemacht?“ abzuhaken und wieder in den Alltag einzusteigen, aber das funktioniere nicht immer. „Wenn man nicht mehr in den Alltag zurückkommt, ist das ein Anzeichen, dass es nicht abgehakt ist.“ Und das geschehe häufiger als ein Außenstehender annimmt. Es sei auch der Druck, der generell auf den Einsatzkräften lastet. Sie könnten nie sicher sein, ob sie sich kurz ausruhen können, um einen Kaffee zu trinken, denn jederzeit könne der Pager ein Signal geben und dann müsse der Feuerwehrmann „in Sekunden zum Lebensretter werden“.

Um all diese Probleme nicht im Raum stehen zu lassen, setzt sich die Friedrichsdorfer Feuerwehr inzwischen dafür ein, den Kameraden zu helfen. Vor Kurzem gab es deshalb einen internen Impulsvortrag der Firma „BrandPunkt“ unter dem Namen „Zur präventiven Stärkung der Resilienz und Motivation im Einsatz- und Feuerwehrdienst“. Es sei wichtig, diese vielen Lasten nicht alleine mit sich herumzutragen, sondern Unterstützung angeboten zu bekommen. Es werden nicht nur Informationen dazu verbreitet, wie mit psychischen Problemen umgegangen werden kann, sondern auch, wie Gewalterlebnisse verhindert oder im Nachhinein aufgearbeitet werden können. Ahmadiyan unterstreicht die positive Entwicklung des Umgangs mit solchen Belastungen: „Das war früher ein Zeichen der Schwäche, was es zum Glück nicht mehr ist.“ Genau deshalb werde auch mit dieser Veranstaltung das Ziel verfolgt, die mentale und physische Last, unter der Feuerwehrmänner leiden, mehr in den Vordergrund zu rücken. Es müsse einen gesellschaftlichen Wandel geben, der dazu führt, dass das Verständnis und der damit einhergehende Respekt gegenüber den Einsatzkräften gestärkt wird. Das Angebot müsse an jeden ankommen, der es braucht.

Aus diesem Grund soll dieses Angebot im nächsten Jahr weiter ausgebaut werden. Ahmadiyan kündigt bereits eine digitale Erweiterung an und die Einführung einer kollegialen Vertrauensperson, an die sich die Beamten wenden können. Außerdem können sich auch die Bürger beteiligen: Es würde schon ausreichen, wenn über das Thema gesprochen wird und jeder seine Mitmenschen darüber aufklärt, dass hinter jedem Feuerwehrmann ein Mensch steckt, der wie jeder andere Gefühle und ein privates Leben hat.

Ahmadiyan lädt jeden, der weitere Unterstützung leisten möchte, dazu ein, sich im Förderverein zu engagieren. Die zusammenkommenden Mittel würden direkt dabei helfen, ein „noch professionelleres und qualitativ höherwertiges Angebot“ aufzubauen.



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