Fröhliches Gelächter und scharfe Worte

Der „Chor von allen Seiten“ sorgt mit „Joint“ und „Zeitenwende“ für beste Stimmung im Saal.Foto: Marlena Bender

Von Marlena Bender

Friedrichsdorf. „Jetzt rauchen wir doch erstmal einen Joint. Da kann ich Friedrichsdorf wieder und sogar die katholische Kirche ertragen!“ Scharfe Worte, die normalerweise nicht in einem Gotteshaus zu hören sind. Aber zur fünften Jahreszeit wollten es sich die Narren der St.-Bonifatius-Gemeinde in Seulberg nicht nehmen lassen, mal ein wenig zu scherzen und endlich wieder den berühmten Kirchenkarneval zu feiern.

Zwei Jahre lang musste notgedrungen auf „Faschingstüten“ und digitale Feiern zurückgegriffen werden. Umso ausgelassener war deshalb die Stimmung am vergangenen Samstagabend in der katholischen Kirche Seulberg beim traditionellen „(Kirchen-)Karneval im Bonifaz“. Ob in einem Krisenjahr wie diesem trotzdem Karneval gefeiert werden dürfe? Für die Chefin des Protokolls und erste Büttenrednerin Ingrid Schunk war klar: „Wir verlieren beim Feiern Böses nicht aus dem Blick, aber wenn wir nur Trübsal blasen, dann werde mer ja verriickt!“ Diese Gratwanderung zwischen ausgelassener Schunkelei und kritischem Blick machte sich auch der Gemeindechor „Chor von allen Seiten“ zur Aufgabe. Im sportiven Fahrradfahrer-Look, mit „Atomkraft? Nein, danke!-T-Shirt“ und übergroßem Papier-Joint oder in der Robe der „Bischöfinnen-Konferenz“ wurde im selbst umgeschriebenen Liedtext von Karl, dem „Klima-Käfer“, gesungen. Während das arme Tier im trockenen Wald schwitzen müsse, werde groß von der „Zeitenwende“ posaunt und am Ende doch nur wieder „gescholzt“. Das hieße laut der Chormitglieder Marcus Aschendorf und Birgit Blank so viel wie: „Viele Absichten kommunizieren und dann doch nur alles wieder herauszögern.“

Das sei übrigens auch Talent der kirchlichen Oberhäupter. Das Urteil über die seit 2018 besprochenen Reformvorhaben im Rahmen des „Synodalen Wegs“ lautete „Tausend Mal probiert, tausend Mal ist nichts passiert!“ Diesen Geist der kritischen Fastnacht in Mainzer Tradition übernahm ebenso der Köpperner „Kreis junger Familien“ mit einem Bewegungskanon unter dem Titel „Und die Kirche bewegt sich doch“. Die „Kirchenmaus“, der Messdiener samt Pfarrer, die Organistin und die rebellische „Maria 2.0.“ sorgten im Publikum für Begeisterung. Würden Kleriker und Laien so gut „in Takt bleiben können“, dann würde laut Moderatorin Christina Rosseaux die Kommunikation in Zukunft besser funktionieren.

Auch der ehemalige Katholik und jetzige evangelische Seulberger Pfarrer Thomas Krenski kritisierte in seiner Büttenrede als „Kirchengoggel 2.0“ die Erzkonservativen der Führung, und ließ dabei die Kritik an lokalen Reformprozessen nicht außen vor. Man solle die Kirche doch bitte im Dorf lassen, war seine Antwort auf das katholische Modell der „Großpfarrei St. Marien“ oder auf die Vorhaben zur Gründung von sogenannten „Nachbarschaftsräumen“ in der evangelischen Kirche.

Die Politik sollte an diesem Abend natürlich genauso ihr Fett abbekommen. Die Ehrengäste des Abends, Bürgermeister Lars Keitel und sein Parteikollege und Vorgänger Horst Burghardt, wurden zwar von allen Seiten für Erreichtes und Geplantes in der Stadt gelobt, deren Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ dafür nicht unbedingt. Ob es denn nicht empören würde, dass eine „Partei der Pazifisten“ Waffenlieferungen an die Ukraine unterstütze. Auf diese Frage bekam Pfarrer Krenski ein lautes „Nein!“ aus dem Publikum. Abgerundet wurde der Abend mit dem Gardetanz der „Taunuseulen Seulberg“, der Darbietung der Gruppe „Boni Bjutie Beus“ und der musikalischen Untermalung durch Reinhard Schlosser und seine Band. Da blieb am Ende nur noch ein dreifaches „Bonifaz“ und „Sellwich Helau“!

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