Die geschichtlich verbrämten Romane aus dem Mittelalter – Hebammen, Zauberinnen, Hexen, viel Liebe und Herzeleid – die Wirklichkeit von damals spiegeln sie in den seltensten Fällen wieder. Literarische Schnulzen halt. Es gibt aber auch Geschichte aus dem Mittelalter, die Kelkheim und seine Vergangenheit berührt. Der Museumsverein trägt dem Rechnung und plant als einen der Höhepunkte in den kommenden Wochen eine Ausstellung über Karl den Großen. Da ist es gerade paßgenau, dass in dieser Woche ein Buch auf den Markt kam, dass ein Kelkheimer schrieb, Robert Focken. Der Titel „Arnulf – Die Axt der Hessen“. Hört sich wild an, ist es auch in einigen Kapiteln, aber es ist ein historischer Roman von einem Autor, der mittelalterliche Geschichte studierte, um später ins Finanzfach zu wechseln. Ein Roman, der sich in vielen Dingen an historische Ereignisse anlehnt, an den Zug Karls des Großen in seinen jüngeren Jahren vom Main aus nach Nordhessen, ins Land der Sachsen, wo er die Irminsul verbrennen ließ und auch sonst nicht zimperlich mit dem Menschen umging – wie es eben damals Art und Sitte war.
Erzählt wird die Geschichte eines Holzhauers, der vorübergehend zu einem der wichtigsten Krieger im Gefolge des jungen Kaisers wird. Weiter nach dem Holz die Axt über den Häuptern seiner Feinde schwingend.
Natürlich, die Liebe wird in diesem Buch auch gestreift, gleichermaßen die Tatsache, dass der Kaiser Karl auch kein Freund von Traurigkeit war. Robert Focken könnte aus dem Handgelenk die Ergebnisse dieser herrschaftlichen Ausflüge in das Land der Liebe aufzählen, aber das ist es nicht, was fasziniert.
Es ist die Art und Weise, wie Focken mit der Geschichte umgeht, seinen Roman immer wieder an geschichtliche Ereignisse wie Schlachten und Gefechte in diesem Feldzug der Franken anlehnt, wie er, Charaktere zeichnet von Menschen, die auch heute noch in der Geschichte verankert sind, wie zum Beispiel Einhard, der spätere Kanzler des Kaisers. Oder Bayernherzog Tassilo, Hessengraf Childerich wie vor allem Herzog Widukind der große Widersacher Karls des Großen in den Sachsenkriegen.
Sicher, es sind Namen, die im heutigen Sprachgebrauch nicht mehr unbedingt geläufig sind. Oldorich, Roger, Ragla, Witigo, Blutmund, Fulrad, Grimbald oder Dodo – es sind Namen, die Robert Focken in einer langen Liste aufzählt und ihre Funktionen erläutert.
Die schnelle Möglichkeit zum Nachschlagen.
Eine Karte ermöglicht das Aufsuchen von Orten, die in der Geschichte eine Rolle spielen, mit Namen, die sich schnell enträtseln lassen, wie Warmatia (Worms), Paderburni (Paderborn), Aquisgranum (Aachen), Curbeki (Korbach), Ingilinheim (Ingelheim) oder Franconofort (Frankfurt). Es ist Geschichte, die durch Menschen aus Fleisch und Blut sowie durch Orte lebendig wird.
Und da kommt Robert Focken sein Geschichtsstudium zugute. Es gibt nur wenig Aufzeichnungen aus der Zeit des Frankenkönigs. Wie war das mit den Speeren, mit den Pfeilen? Wie wirkten die? Viele Antworten erhielt er aus Homers „Ilias“, in der solche Waffen und ihre Wirkungen 2.000 Jahre vorher beschrieben werden. Bis 772 hat sich da kaum etwas geändert. Dass so manche Szene für zartbesaitete Leser nicht unbedingt ästhetisch wirkt – ein von einem Beil getroffenes Gesicht sieht nun mal nicht schön aus.
Noch etwas: Die Landschaft wird beschrieben, und es gibt durchaus Berichte, wie man damals reiste, mit Ochsenkarren, vielleicht 25 Kilometer am Tag, wenn man einigermaßen Straßen hatte, die vielleicht noch von den Römern stammten. Es war schon ein weiter Weg von Frankfurt bis zur Irminsul bei Korbach.
Ein anderes Problem, mit dem sich Robert Focken herumplagte, ein sprachliches: Wie sprachen die Menschen damals. Da durfte nicht ein modernes Wort in den Text rutschten, schon gar nicht das Handy für die Kommunikation im Heer oder die Rede vom Fernsehen. Kurzum, alle Wörter mit englischem oder französischem Ursprung hatten zu verschwinden.
Und wie gingen die Männer in die Schlacht? Auch die schlimmsten Haudraufs hatten Ängste vor dem Treffen mit dem Feind. Dass dann das Adrenalin in den Körper schoss – fast jeder kennt das.
So wird denn Karl nicht nur als Mensch lebendig, sondern als König, der durchaus imperialistischen Eroberungs-Gelüsten nachging, auch geprägt von der Kirche, von der Religion.
Es wird Robert Fockens einziges Buch mit geschichtlichem Hintergrund bleiben. Themen für ihn gibt es genügend aus der Finanzwelt. Und da wird er wohl anschließen. Schließlich lässt sich so ein Buch nicht von heute auf morgen schreiben, wenn man viele Quellen studiert wie für die „Axt der Hessen“,
Das Buch gibt es zum Preis von 12,90 Euro, broschiert. Wer sich für Geschichte interessiert, vor allem in Hinblick auf die nähere und weitere Heimat findet hier gute Unterhaltung. Ohne zu viel süßliche Liebe, geschrieben von einem Kelkheimer.
