Die Apotheken machen dicht!Auch die Kelkheimer Apotheken positionieren sich gemeinsam

Am Mittwoch, 14. Juni, werden die Kunden der Kelkheimer Apotheken vor solch verschlossenen Türen stehen. Die Apotheker protestieren bundesweit.Foto: Katherina Rack

Kelkheim (ju) – Am Mittwoch, 14. Juni 2023, wird es einen bundesweiten Protesttag der Apotheken geben, und auch in der Kelkheim bleiben alle sieben Apotheken an diesem Tag für den Alltagsbetrieb geschlossen. Wobei „geschlossen“ nicht ganz richtig ist: Einige Apotheker werden den Protesttag nutzen, um in Wiesbaden an der großen Kundgebung teilzunehmen. Die Arzneimittelversorgung soll am 14. Juni durch den Notdienst aufrechterhalten bleiben.

Gründe hierfür gibt es viele

Die Apothekerschaft protestiert bundesweit an dem Tag gegen die gesundheitspolitischen Entscheidungen der Bundesregierung, den die deutschen Apothekerverbände und Apothekerkammern im Schulterschluss unter dem Dach der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e.V. (ABDA) initiieren. Dabei kann jede Apotheke selbst entscheiden, ob sie die Tür schließt oder offenhält. In Kelkheim werden Flyer in den Arztpraxen und Protestplakate in den Apotheken die Kunden informieren. Es wird frühzeitig informiert, damit am Mittwoch niemand überrascht vor verschlossenen Türen steht.

Im direkten Gespräch mit den Inhaberinnen Katherina Rack (Grüne Apotheke) und Melanie Wittenbrock (Sonnen-Apotheke) wird deutlich, wie ernst und dramatisch die Lage ist. Beiden ist klar: So kann es nicht weitergehen. Lieferengpässe, überbordende Bürokratie, Fachpersonalnot, eine seit Jahren bestehende Unterfinanzierung und, besonders durch die Inflation befeuert, keinerlei Anpassung des Fixzuschlags – seit über 13 Jahren nicht. Das sind die Hauptgründe, die die Apothekerinnen beim Namen nennen müssen. Rack hierzu im Gespräch: „Wussten Sie, dass eine Apotheke für jedes verschreibungspflichtige Präparat aufgrund der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) bloß 8,51 Euro (Stand: 2022) erhält? Und es dabei egal ist, ob der Einkaufspreis für die Arznei bei einem Euro oder 1.000 Euro oder noch höher liegt. Hinzu kommt ein “Lagerwertausgleich“ von 3 Prozent. Dieser Wert ist schon allein bei den jetzigen Inflationszahlen als lächerlich zu bezeichnen!“

Häufig wird allerdings in der öffentlichen Diskussion nicht zwischen dem Apothekenanteil am Verkaufspreis der Arzneimittel und dem tatsächlichen Gewinn der Apotheken unterschieden. Aus dem Apothekenfestzuschlag sind nämlich die gesamten Betriebskosten der Apotheke zu decken. Die Arzneimittelabgabe ist sehr beratungsintensiv. Eine große Zahl hoch qualifizierter Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen schlägt sich deshalb auch in den Personalkosten nieder. Trotzdem hat der Gesetzgeber die Apotheken verpflichtet, zusätzlich einen Apothekenabschlag einzuräumen, wenn Arzneimittel an Versicherte im Rahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgegeben werden. Dieser beträgt seit neuestem 2 Euro!

Inhaberin Katherina Rack: „In meiner langjährigen Laufbahn als Apothekerin und Geschäftsführerin war die Lage noch nie so dramatisch. Diese Gesundheitspolitik lässt keine Perspektive zu. Über 296 verschreibungspflichtige Medikamente sind zurzeit nicht lieferbar.“ Hinzu käme der enorme Aufwand bei der Dokumentation. Mittlerweile benötige das Personal zwischen 30 und 40 Prozent der Gesamtarbeitszeit für die erforderliche Bürokratie. Diese sei aber schon allein deswegen nötig, damit die Apotheken überhaupt ihr Geld bekämen. Denn schon der kleinste Formfehler auf einem Rezept könne zu „Nullretaxation“ führen, d.h. der Apotheker bekommt gar kein Geld, obwohl er seine Patienten ordnungsgemäß versorgt hat.

Das gemeinsame Ziel

Für Katherina Rack und Melanie Wittenbrock seien vor allem auch die Sekundäreffekte ausschlaggebend. Damit sei gemeint, dass durch die völlig verfehlte Gesundheitspolitik der Regierung der Beruf des Apothekers so unattraktiv werde, dass ihn kaum noch jemand ergreifen wolle. Seit Monaten würde auf die brisante Lage in persönlichen Gesprächen, Interviews und PR-Kampagnen hingewiesen – jetzt „sei Schluss“. Die Patientinnen und Patienten sollten im Mittelpunkt stehen, bekunden die beiden. Dies sei durch die bereits viel zu lange andauernden, aktuell miserablen Rahmenbedingungen nicht mehr gewährleistet. Die Apotheken sähen sich buchstäblich „kurz vor dem Abgrund“.

„Wir reden hier über viele hausgemachte Probleme, gerade im Bezug auf die Lieferengpässe“, moniert Melanie Wittenbrock. Wichtig sei den beiden auch, dass die Apotheken vor Ort gestärkt werden. „Wir machen Nachtdienste, wir liefern Medikamente am gleichen Tag, wie die Online-Apotheken. Da braucht es einfach mehr Wertschätzung – durch die Politik, aber auch durch die Bevölkerung“, sind sich die beiden einig.

Auch die ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening erklärte bereits Mitte Mai in Berlin: „Weil die Bundesregierung in ihren Gesetzesvorhaben immer wieder die Probleme der öffentlichen Apotheken übergeht, destabilisiert sie die Arzneimittelversorgung in Deutschland (...)“ Weiter heißt es: „Die Apothekenteams retten jeden Tag Leben, indem sie alternative Präparate für nicht verfügbare Arzneimittel beschaffen. Anstatt die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln über die Apotheken vor Ort zu stabilisieren, wird sie geschwächt. Jeden Tag müssen Apotheken schließen. Hochschulabsolventinnen und -absolventen unseres Faches können sich immer seltener den Gang in die Selbstständigkeit vorstellen – vor allem, weil die wirtschaftliche Perspektive fehlt.“

Wie groß die Bedeutung der Apotheken vor Ort für die Versorgung ist und wie dramatisch es wäre, wenn noch mehr Apotheken als verlässliche, soziale Anlaufstellen für immer verschwinden würden – dies möchten die Apotheken am 14. Juni demonstrieren, um sich gegenüber der Politik nachhaltig Gehör zu verschaffen.



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