„Jeder Baum der fällt, tut weh!“

Dieser Anblick wird aus dem Straßenbild der Johann-Strauß-Straße verschwinden. 36 Zierkirschen und einige Birken müssen gefällt werden, sie gefährden Autofahrer wie Fußgänger. Foto: pexels.com

Kelkheim
(ju) – Bürgermeister Albrecht Kündiger sieht nicht glücklich aus an diesem Morgen. Schon so kurz nach Neujahr muss er eine schlechte Nachricht überbringen, die für einiges Aufsehen sorgen wird. In der Johann-Strauß-Straße müssen 36 Zierkirschen gefällt werden. Die Bäume, die im Frühling dieser Straße so ein wunderschönes Bild geben, wenn sie in ihren zartrosa Tönen blühen. Doch es geht nicht anders.

Fehler der Vergangenheit

Als vor 50 Jahren die Johann-Strauß-Straße angelegt wurde, war klar, dass sie mit Bäumen gesäumt sein soll. Und so wurden Birken, Platanen und eben die japanischen Zierkirschen eingepflanzt – in viel zu kleinen Baumscheiben. Als Baumscheibe wird der Bereich bezeichnet, der um den Stammfuß des Straßenbaums herum frei bleibt und durch Pflastersteine oder andere Einfassungen begrenzt ist. Mitunter kaum eine handbreit, ist er rund oder eckig. Ein stark verdichteter Boden und ein trauriger Anblick ist den meisten Baumscheiben gemein.

Dass die Zierkirsche so lange durchgehalten hat, grenzt schon fast an ein Wunder, betonte auch Frank Behle, der im Amt für Planen und Bauen für die Grünflächen verantwortlich ist. Die Kirschen in der Johann-Strauß-Straße haben im Durchschnitt ein Alter von 37-43 Jahren. „So ein Baum wird unter normalen Umständen 50-55 Jahre alt, sie haben sich ganz gut geschlagen“, betont er. Doch jetzt haben ihnen Pilzbefall, Fäulnis und die langen Trockenperioden so zugesetzt, dass viele umsturzgefährdet sind. Eine Situation, in der der Bürgermeister schnell und umgehend handeln muss.

Auch wenn man es den Bäumen von außen vielleicht nicht ansieht, so sind sie doch arg gebeutelt, wie auch Frank Behle bestätigt. Die Stadt hat sich diesen Schritt nicht leicht gemacht. Es wurde geprüft und abgewogen, ob man die Bäume vielleicht doch noch eine zeitlang erhalten könnte, aber es hilft alles nichts. „Man hätte jetzt noch eingehender untersuchen können, aber aufgrund des Ausmaßes des Pilzbefalls und den Erfahrungen aus der Vergangenheit, müssen wir jetzt handeln“, bekräftig auch Behle noch einmal den Beschluss. Das ganze ist auch eine Abwägungssache: Weiter Geld in Untersuchungen investieren oder neuanpflanzen. Letztes ist der weisere Entschluss.

Schwerer Entschluss

Bürgermeister Kündiger tut sich schwer mit dieser Entscheidung. „Jeder Baum der fällt, tut weh“, gesteht er. Gerade als Grüner aber auch als Rathauschef träfe ihn das in Mark und Bein und er habe lange gehadert und mit den Fachleuten diskutiert, gibt er zu. Aber es bringt nichts. Jetzt konzentriere man sich auf die Fällung und die darauf folgenden Neuanpflanzungen. Die Fehler vergangener Jahrzehnte möchte man im Rathaus vermeiden. Die Pflanzungen sollen nach den derzeit gültigen Standarts erfolgen. Dabei könne jedoch nicht jeder derzeitige Standort eines Baumes wieder genutzt werden, weiß auch der stellvertretende Bauamtsleiter Claus Kühn. „Es befinden sich viele Leitungen in den Gehwegen, auf die wir Rücksicht nehmen müssen. Außerdem müssen wir diese für Rollstuhlfahrer und Kinderwagen frei halten. Ein bisschen Spielraum haben wir bei der Fahrbahnbreite, die in der Johann-Strauß-Straße sehr großzügig ist, da findet sich bestimmt der ein oder andere Kompromiss“, ist sich der Fachmann sicher. Kreativität sei hier gefragt.

Neue Baumarten

Auch bei den Baumarten für die Neuanpflanzungen richtet sich die Stadt nach der Wissenschaft. Es müssen Bäume sein, die Streusalz und Bodenverdichtung ertragen und das Lichtraumprofil erfüllen – heißt, höher als 4,50 Meter wachsen, um den Verkehr von Bus und Lkw zu ermöglichen, ohne dass Äste abgerissen werden. Frank Behle hat da schon einige Sorten ausgemacht, unter anderem die Rotesche und den Rotahorn, zwei Baumarten, die trockenheitsresistenter sind und eine beachtliche Wachstumshöhe erreichen.

Doch erstmal wird sich das Bild in der Johann-Strauß-Straße beträchtlich verändern, wenn statt blühender Bäumen nur noch Baumstümpfe zu sehen sind. Und nicht nur dort werden Bäume fallen: Inklusive der 36 Zierkirschen müssen im gesamten Stadtgebiet 76 Bäume gefällt werden. Das Alter, nicht artgerechte Anpflanzung und die Trockenheit haben auch ihnen zugesetzt.

Den Kopf in den Sand stecken will Kündiger deswegen nicht. Neben den 300 Bäumen, die im vergangenen Jahr gepflanzt wurden, sollen viele weitere folgen. Und sie sollen wachsen und gedeihen können – mit mehr Platz, Wasserversorgung und Wasserspeichersubstrat. „Damit Kelkheim grün bleibt und noch grüner wird.“ So wünscht es sich nicht nur der Bürgermeister.

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