Bernd Giesekings satirisches „Ab dafür“ – von Pessimisten, Realisten und Optimisten

Mal mit Weitsicht ...

Kelkheim
(ju) – Das Bürgerhaus Fischbach bis auf den letzten Platz gefüllt, die Stimmung ausgelassen und die Freude groß: Endlich wieder ein satirischer Jahresrückblick mit Bernd Gieseking live und in Farbe. Zum 24. Mal stand der Mindener in Kelkheim auf der Bühne.

Bernd Gieseking, Kabarettist, Autor und ein Meister des feinsinnigen Humors, lachte gemeinsam mit den Kelkheimern über das Jahr 2022, über das große Ganze und über die scheinbaren Petitessen. Da war doch was mit einem falsch herumhängenden Kunstwerk. Genüsslich macht sich Gieseking über die Aussagen der Kunsthistorikerin Susanne Meyer-Büser lustig, die festgestellt hat, dass das Werk „New York City 1“ von Piet Mondrian jahrelang verkehrt herum ausgestellt wurde. Umdrehen könne man es nicht, sonst würden die empfindlichen Klebestreifen auslabbern.

Gieseking bedenkt, bedichtet und verdichtet, er staunt, beobachtet, berichtet und berichtigt. Die Bundesversammlung wählte erneut einen Ostwestfalen zum Bundespräsidenten, das ist zwar grundsätzlich gut, findet Gieseking, aber der stammt aus Lippe. Andererseits „will ich mal nicht so sein“. Aber er hat einen Vorschlag: Vielleicht mal eine Frau ranlassen, eine aus dem Volk, keine Politikerin, eventuell eine Krankenschwester, am besten noch eine aus Ostwestfalen.

2022 zerlegt Gieseking in die einzelnen Monate, schweift aber immer wieder ab in die kleinen Begebenheiten, kleinen Ungereimtheiten, kleinen Gemeinheiten – und lässt auch sie zu Wort kommen: die Pessimisten (Wir werden alle sterben.), die Realisten (Sterben müssen wir alle mal.) und die Optimisten (Für uns ist das Leben zu bunt zum Schwarzmalen.), wenn man es mal überspitzt darstellen will.

2022 ist das Jahr der Wahlen, des Wahns und Witzes, Documenta, Deppen und Dementis – Gieseking präsentiert das Jahr als Kaleidoskop der Komik, als Arena der Gladiatorenkämpfe, als Jahresrevue voller Witz und Wunder. Sein Blick fällt auf das erste Jahr der Ampel, auf den Start des neuen Kabinetts: Lauterbach zählte die Impfampullen durch, Baerbock ging auf Reisen, Robert Habeck verbeugte sich vor den Scheichs, Christine Lambrecht wurde der erste Rohrkrepierer, das wusste man 2022 aber noch nicht.

Und wieder hat er Protokoll geführt, hat mit Politikern telefoniert – jedenfalls behauptet er das und gelegentlich klingelt der alte Apparat auf der Bühne, der an Bonner Verhältnisse erinnert – und zitiert seine Freunde, die sich so manchen Reim auf die Politik gemacht haben.

Schön auch, dass Gieseking über sich selbst lachen kann und immer wieder auch Anekdoten aus seinem Leben mit den Zuhörern teilt. So erzählt er von seinen Reisen nach Finnland, mit soviel Liebe und Inbrunst. Nach 35 Jahren fährt Gieseking erstmals mit seinen 70+Eltern in den Urlaub, nach Finnland den kleinen Bruder besuchen. Die knarzig-bodenständig ostwestfälischen Eltern sind dabei, kommentieren, lamentieren, wundern sich – und verteilen so ganz nebenbei dem großen Sohnemann noch so manch erzieherische Lektion. Natürlich immer mit einem Augenzwinkern.

Die Komik bei Gieseking beruht häufig auf Alltagserlebnissen, die sich aus Zufällen ergeben, die häufig so zufällig sind, dass sie gar nicht wahr sein können. So probiert er in Finnland eine ganz große Innovation – Lakritze mit Heuschrecke. Und trifft kurz darauf prompt einen Wissenschaftler am Flughafen, der sich der Forschung an Heuschrecken verschrieben hat – Wer glaubt denn sowas?

Das Nebeneinander der großen Ereignisse und der privaten Sicht, das Formulieren des Großen-Ganzen in witzigen Geschichten, das Überspitzen oder auch nur mal das süffisante Zitieren machen das Programm „Ab dafür!“ einzigartig. Gieseking schafft es, ernste Themen nie der Lächerlichkeit preiszugeben, sondern mit leisen Zwischentönen selbst dem schlimmsten Ereignis ein wenig Heiterkeit zu verleihen. Die große Kunst der Satire, perfekt inszeniert von Bernd Gieseking. Man kann gespannt sein auf sein 25-jähriges Bühnenjubiläum in Kelkheim im Jahr 2024.

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