Erntedank und Begegnung – Bundespräsident Steinmeier gibt sich als Staatsoberhaupt zum Anfassen

So ein Besuch animiert einige zu den schönsten Karikaturen.Foto: Dude

Kelkheim (ju) – Schwarze Limousinen, Polizei, Security wohin man blickte – was war denn da im beschaulichen Hornau los?

Am vergangenen Sonntag besuchte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den kleinen Ortsteil im Herzen von Kelkheim, um am traditionellen Erntedankgottesdienst in der Martinskirche teilzunehmen. Ein sichtlich gelöster und kommunikativer Präsident ließ es sich schon vor dem Gottesdienst nicht nehmen, Smalltalk zu halten und das ein oder andere Selfie mit jungen Fans zu schießen.Die Veranstaltung fand im Rahmen des Erntedankfestes des Deutschen Bauernverbandes statt. Steinmeier war es, der die Tradition des Überreichens der Krone wieder aufgenommen hatte. Zentraler Teil des ökumenischen Gottesdienstes war die Predigt, die gemeinsam von Volker Jung und Wolfang Pax gestaltet wurde.

Leben fördern und stärken

„An Erntedank wird uns bewusst, dass Gott uns mit in seine Arbeit an der Schöpfung hineinnimmt. Unser Auftrag ist es, Leben zu fördern und zu stärken. Dazu gehört auch, heute so zu leben, dass die nächsten Generationen noch gut auf dieser Erde leben können. Und es geht noch um mehr: Leben fördern und stärken – das heißt auch: Daran arbeiten, dass Menschen gerecht und in Frieden zusammenleben können“, sagte Jung in der Predigt. Er betonte: „Im Hier und Heute geht es außerdem darum, dass Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten, von dieser Arbeit leben können müssen.“

Pax spannt den Bogen zur politischen Dimension: „Auch in diesem Jahr feiern wir Erntedank in einer unfriedlichen, auch bedrückenden Welt. Wir möchten daran erinnern, welch großes Geschenk in den vergangenen Jahrzehnten das Miteinander in Europa war. Das haben Menschen zusammen erarbeitet und Gott hat uns dadurch Frieden geschenkt. Auch hier ist es wie mit dem Kreislauf von Aussaat und Ernte: Achtsamkeit, Sorge und Pflege braucht es nicht allein auf dem Acker, sondern auch in unserem sozialen und demokratischen Zusammenleben.“ Darauf sollte auch der Bundespräsident später noch Bezug nehmen.

Steinmeier nahm nach dem Gottesdienst die Erntekrone entgegen, die als Symbol der Wertschätzung für die Arbeit der Landwirte und den erfolgreichen Ernteabschluss steht. Die Übergabe war zentraler Teil der Veranstaltung. Zu Beginn seiner Amtszeit 2018 entschloss sich Steinmeier, die in Vergessenheit geratene Tradition wiederzubeleben und abwechselnd in verschiedenen Bundesländern stattfinden zu lassen. Der Deutsche Bauernverband und lokale Organisationen wie die Katholische Landvolkbewegung, die Evangelische Kirche und der Landfrauenverband trugen zur Zeremonie bei. Die Erntekrone wurde aus regionalen landwirtschaftlichen Produkten gefertigt und von 14 Landfrauen des örtlichen Landfrauenverbandes geflochten.

Wichtige Rolle der Landwirtschaft

In seiner Rede betonte Steinmeier die Bedeutung der Landwirtschaft in Deutschland, besonders in Zeiten des Klimawandels und wirtschaftlicher Herausforderungen. Er hob hervor, wie wichtig es sei, das Bewusstsein für die Arbeit der Landwirte und deren unermüdlichen Einsatz zu stärken. „Die sichere Versorgung mit Nahrungsmitteln ist ein wichtiger Pfeiler für die Stabilität unsere Gemeinschaft“, betonte er. Und er forderte eine Änderung des Blickwinkels. „Die Probleme der Städte und Ballungsräume bestimmen die politische Agenda und die Landwirte fallen hinten runter. Das müssen wir ändern, denn nur so können wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt bewahren“, ist sich das Staatsoberhaupt sicher. Das Engagement der vielen landwirtschaftlichen Vereinigungen gehe heute weit über Erntekronen und Streuselkuchen hinaus. Es gehe um die Zukunft auch und gerade die der landwirtschaftlichen Familien betonte Steinmeier.

Gemütlicher Teil

Und dann ging‘s zum gemütlichen Teil, denn auch wenn das Protokoll etwas anderes vorsah, der Bundespräsident nahm sich für den Rundgang über den Erntemarkt, wo regionale Produkte und Spezialitäten präsentiert wurden, sehr viel Zeit. Hier mal ein Schwätzchen, da mal ein Foto. Steinmeier gab sich bürgerfreundlich, zugewandt und interessiert. Dieser Teil der Veranstaltung bot Gelegenheit für Gespräche mit den Bürgern und förderte den Austausch über lokale und landwirtschaftliche Themen und dauerte eben länger als vorgesehen. Das schien Steinmeier aber nichts auszumachen, nur die Entourage um ihn rum wurde langsam nervös.

Nervös war man auch am Ende des Rundgangs. Dort warteten nämlich Bürgermeister Albrecht Kündiger, Stadtverordnetenvorsteherin Julia Ostrowicki und die Kelkheimer Feuerwehr auf den Eintrag ins Goldene Buch der Stadt. Kündiger hob in kurzen Worten noch einmal die beeindruckende Geschichte derer von Gagern hervor, auch und gerade in Bezug auf die Demokratiegeschichte Deutschlands, bevor der Bundespräsident zum Stift griff. Nun hat die Möbelstadt neben den beiden Bundetagspräsidentinnen Rita Süssmuth und Bärbel Bas auch noch einen Bundespräsidenten im Buche stehen.

Bleibt zu resümieren, dass der Besuch Steinmeiers in Hornau die Relevanz traditioneller Feste unterstreicht und die Verbindung zwischen der politischen Ebene und den ländlichen Gemeinschaften in Deutschland stärkt. In einer Zeit, in der die Landwirtschaft mit vielfältigen Problemen konfrontiert ist, wird seine Teilnahme als Zeichen der Unterstützung und Wertschätzung wahrgenommen.

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