Kelkheim (ju) – Anfang Mai stand das Privatgymnasium Dr. Richter (PDR) ganz im Zeichen Europas. Beim EU-Projekttag, der jährlich bundesweit stattfindet, tauchten die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 11 tief in die Strukturen, Herausforderungen und Chancen der Europäischen Union ein.
Politik auf Augenhöhe
Nach der Begrüßung durch Schulleiter Herrn Wingenfeld und Bürgermeister Albrecht Kündiger, der in seiner Ansprache an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren erinnerte, war klar: Die EU ist nicht nur ein politisches Konstrukt – sie ist Friedensprojekt, Wirtschaftsgemeinschaft und Wertegemeinschaft zugleich.
Workshops zu Europas Zukunft
In vier verschiedenen Workshops diskutierten die Jugendlichen unter der Leitung von Fachlehrkräften und eingeladenen Politikern wie Patrick Falk (FDP) und Stephan Güger (SPD) über zentrale Fragen:
Warum ist die EU heute wichtiger denn je?
Wie können junge Menschen ihre Stimme in Europa einbringen?
Schützt die EU unsere Freiheit und Sicherheit?
Wie umgehen mit wachsendem Rechtspopulismus?
Doch nicht nur Gespräche standen im Mittelpunkt – auch das aktive Erleben politischer Prozesse war Teil des Programms.
Im Herzen der EU: ein Planspiel zur europäischen Klimapolitik
Ein besonderes Highlight bildete das Planspiel zur Einführung eines europaweiten Pfandsystems, das unter Leitung von Franca Schneider durchgeführt wurde. Hier schlüpften die Schüler in die Rollen von Abgeordneten des Europäischen Parlaments, Fraktionen, Ausschüssen und Lobbygruppen.
So funktioniert das EU-Parlament (vereinfacht dargestellt):
Im echten Europäischen Parlament werden Gesetzesinitiativen von der EU-Kommission eingebracht. Das Parlament debattiert darüber, reicht Änderungsanträge ein und stimmt schließlich ab – in enger Zusammenarbeit mit dem Rat der EU (den Regierungen der Mitgliedsstaaten). Ziel ist, bei möglichst vielen Vorhaben einen Kompromiss zwischen unterschiedlichen Interessen zu finden.
Ganz in diesem Sinne versuchten die Schüler im Planspiel, einen gemeinsamen Vorschlag für ein einheitliches europäisches Pfandsystem zu verabschieden. Trotz kontroverser Positionen – von ökologischen Idealisten bis hin zu wirtschaftlich besorgten Staatenvertretern – gelang es unter der Moderation von Franca Schneider, einen tragfähigen Konsens zu erarbeiten.
Der finale Beschluss:
Parallel: der Blick in die Schattenseiten Europas
Eine Etage tiefer stand ein ganz anderes Thema im Fokus: Das Erstarken des Rechtspopulismus in Europa. Unter der Leitung von Leon Bell analysierten die Schülerinnen und Schüler die Rolle der AfD im deutschen Parteienspektrum sowie die Bedeutung von Social Media für populistische Bewegungen.
Besonders eindrücklich war die Gruppenarbeit, bei der die Jugendlichen internationale Beispiele recherchierten:
Italien: Fratelli d’Italia unter Giorgia Meloni – nationalkonservativ, EU-kritisch
Frankreich: Rassemblement National von Marine Le Pen – anti-europäisch, migrationsfeindlich
Polen: PiS (Recht und Gerechtigkeit) – staatlich gelenkte Medien, Einschränkung der Justiz
Ungarn: Fidesz-Partei von Viktor Orbán – autoritärer Kurs, „illiberale Demokratie“
Diskutiert wurden zentrale Fragen: Wie agieren diese Parteien innenpolitisch? Welche Narrative bedienen sie? Was verbindet sie? Antworten fanden die Jugendlichen viele – von der gezielten Emotionalisierung politischer Debatten über die Ablehnung liberaler Werte bis hin zur strategischen Nutzung von sozialen Netzwerken. Eine gemeinsame Klammer: der Versuch, demokratische Strukturen auszuhöhlen und die EU als Bedrohung nationaler Souveränität darzustellen.
Die Debatte war lebendig, fundiert und zeigte: Die jungen Menschen von heute sind bereit, Verantwortung zu übernehmen – und Europa mitzugestalten.
Mehr als nur ein Projekttag
Der EU-Projekttag am PDR war kein gewöhnlicher Unterrichtstag. Es war ein Tag, an dem Politik lebendig wurde – zum Mitreden, Mitgestalten, Mitdenken. Ob in Planspiel oder Analyse, ob im Konsens oder in der Kontroverse: Die Jugendlichen zeigten Neugier, Haltung und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Ein wichtiges Zeichen – gerade in Zeiten, in denen die europäische Idee wieder stärker verteidigt werden muss.
Mit solchen Initiativen wird politische Bildung nicht nur lebendig – sie wird demokratisch, handlungsorientiert und zukunftsrelevant. Europa war an diesem Tag keine ferne Idee, sondern gelebte Realität in Kelkheim.