Am Europatag diskutieren Jugendliche über ihre Zukunft im Staatenbündnis

Axel Wintermeyer Foto: Judith Ulbricht

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„Doch das geht alles nicht von heute auf morgen“, muss auch er eingestehen. Er verstünde aber die dringende Notwendigkeit und die Befürchtungen der jungen Menschen, dass es vielleicht irgendwann zu spät ist.

Wahlrecht mit 16?

Ein anderes Thema interessiert die Jugendlichen noch. Was hält er vom Wahlrecht mit 16? „Nicht viel“, gibt Wintermeyer zu. Das habe aber eher damit zu tun, dass Jugendliche mit 16 Jahren noch nicht mal einen Vertrag abschließen dürfen, wie sollen sie dann wählen dürfen? „Wenn man das Wahlrecht ändern will, dann muss sich strukturell was ändern. Dann sollten Sie auch andere Verantwortlichkeiten bekommen“, so seine Meinung dazu.

Die Diskussionsrunde hätte noch lange weitergehen können; so wurden noch einige Themen wie die Integration der Ukrainer, die meist gut ausgebildet sind, in den deutschen Arbeitsmarkt und die Zukunft des Landes angesprochen. Aber irgendwann muss auch ein Staatsminister weiter, und so fand ein reger Austausch ein Ende.

Dr. Richter Gymnasium

Der EU-Projekttag am Privatgymnasium Dr. Richter richtete sich an die Elftklässler, die in verschiedenen Projektgruppen rege diskutierten, Präsentationen vorbereiteten und diese zum Abschluss präsentierten. Dabei ging es um die EU und den Ukrainekonflikt, die EU in der Corona-Pandemie, Zukunftsprojekte der EU für die Jugend und der Klimawandel als Herausforderung für die EU. Gemeinsam mit den Referenten Thomas Mann, MdEP a.D., Kreis- und Landesvorsitzender der Europa-Union Hessen, Alexander Jackson, Angestellter im Öffentlichen Dienst, Verena David, Stadtverordnete in Frankfurt und Mitglied im Europa-Ausschuss, sowie Lukas Schauder, MdL, erarbeiteten sich die Jugendlichen Zahlen, Daten, Fakten, recherchierten und erhielten hilfreiche Tipps von den Fachleuten.

Ukrainekonflikt

Bei den Präsentationen zeigten sich die Schülerinnen und Schüler sehr redegewandt und reflektiert. Es wurde Kritik geübt, Lösungsvorschläge wurden präsentiert und aufkommende Fragen ausführlich beantwortet. Charlotta erläuterte anhand eines strukturierten Plakates die Rolle der EU im Ukrainekonflikt. Dabei beleuchtete sie einerseits die Rolle der NATO und der EU und die Diskussion über Waffenlieferungen. Gerade das Thema Waffen wurde kontrovers diskutiert und in ein Pro und Kontra unterteilt. „Natürlich sind Waffen keine diplomatische Lösung, andererseits verschaffen sie Respekt“, fasst Charlotta das Dilemma zusammen. Deswegen wurde auch der Nutzen hinterfragt und der Verteidigung der Demokratie gegenübergestellt. Wie bei so vielen Themen in der Politik war auch hier kein Konsens zu finden, das Thema polarisiert. Kritik übten die Projektgruppenteilnehmer auch an der Doppelmoral der EU in Bezug auf die Flüchtlinge. Sie kritisierten, dass die Geflüchteten aus der Ukraine viel leichter an Wohnraum, Hilfeleistungen und Arbeit kommen als Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan. Angesprochen wurden auch die Waffenlieferungen, die zwar an die Ukraine erfolgten, aber nicht an andere Länder, die im Krieg standen oder stehen.

Coronapandemie

Weiter ging es mit Magdalena und Milad, die die Ergebnisse ihrer Projektgruppe präsentierten. Sie zeigten auf, wie die EU durch die Pandemie gekommen ist und welche Probleme dabei auftraten oder immer noch bestehen. So wurde festgestellt, dass zum Beginn der Pandemie von Zusammenhalt noch nicht viel zu merken war. „Die ersten Monate überwog das alleinstaatliche Handeln“, erklärte Magdalena. Erst im 2. Halbjahr 2020 kam es zu ersten gemeinsamen Aktionen, zum Beispiel in der Beschaffung von Impfstoff. Allerdings zeigte sich auch die Angst der Menschen vor der Einschränkung ihrer Freiheit und die Sorge der EU vor einer Ungleichheit der Staatengemeinschaft, da es viele unterschiedliche nationale Hilfsprogramme gab, die zu sozialem Unfrieden hätten führen können. Der Anfang 2021 gemeinsame Beginn der Impfkampagne und die Hilfsprogramme der EU setzen in der Pandemie ein Zeichen. Die Digitalisierung nahm Fahrt auf, mittelständische Unternehmen erhielten Unterstützung, die Infrastruktur rückte in den Mittelpunkt, Forschung und Entwicklung wurden vorangetrieben, der soziale Frieden sollte gestärkt werden. Vieles wurde kontrovers diskutiert unter den Mitgliedsstaaten. Mit der Einführung des EU-Impfzertifikates wurde den Menschen ein Stück Freiheit zurückgegeben, konnten sie jetzt doch wieder reisen. Eine Impfallianz wurden geschmiedet, ärmere Länder mit Impfstoff versorgt. Das Ganze hat viel Geld gekostet, die EU hat sich massiv verschuldet. Doch die Jugendlichen sehen in der Pandemie auch Chancen – Chancen für die fortschreitende Digitalisierung, Chancen für ein geeinteres Europa und die Chance, im Rahmen der internationalen Gemeinschaft das Thema Nachhaltigkeit voranzutreiben.

Zukunftsprojekte

Hannah, Philip und Viktoria hatten sich in ihrer Gruppe mit den Zukunftsprojekten der EU für die Jugend auseinandergesetzt. Im europäischen Jugendjahr 2022 möchte die EU jungen Menschen eine bessere Chance für ihre Zukunft bieten. Denn Europa braucht das Visionäre, das Engagement und das Mitwirken der gesamten Jugend an einer besseren, umweltfreundlicheren, digitaleren und inklusiveren Zukunft. Davon zeigten sich auch die Gruppenmitglieder angetan und brachten ihre eigenen Ideen ein. Denn auf das, was kommt, fühlen sich die wenigsten Jugendlichen vorbereitet. Hannah fasste das in ganz simple Worte: „Wir wissen zwar, wie eine Gedichtanalyse funktioniert, aber nicht, wie man zum Beispiel eine Steuererklärung macht.“ Damit spielte sie auf die immer wieder festzustellende Realitätsferne des Fächerkanons und Lehrplans des Schulsystems an. Ein Wechsel der Lektüre im Deutschunterricht sei ein guten Anfang, und die Digitalisierung dürfe jetzt nicht stocken, so die Wünsche der Schüler. Auch die Mediennutzung müsse weiter ausgebaut werden, mit Online-Kanälen die das Zeitunglesen ersetzen, aber die Jugendlichen ansprechen. Influencer spielen da eine große Rolle, sie sollten sich mehr politisieren.

Klimawandel

Dass der Klimawandel ein Thema ist, das gerade diese Generation sehr umtreibt, sollte inzwischen jedem bewusst sein. Sie müssen mit der Welt, wie sie jetzt ist, in Zukunft klarkommen. Sie machen sich Sorgen. Und große Schlagworte stehen über diesem Thema: Lobbyismus, Globalisierung. Einen guten Ansatz für die Zukunft sehen die Schüler im Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Dieser müsse attraktiver und billiger werden, um die Leute aus den Autos auf Bus und Bahn zu ziehen. Sie beleuchteten aber auch die Vor- und Nachteile der Elektromobilität, mit ihren emissionsfreien Fahrzeugen, deren Produktion aber keinesfalls klimaneutral stattfindet. Auch Wasserstoff sehen die Jugendlichen kritisch. Und die Globalisierung tut ihr Übriges: Konflikte sind vorprogrammiert, Soziales steht der Ökologie entgegen. Doch sie plädieren auch dafür, bei sich selbst anzufangen. bewusster zu konsumieren, sich in die Eigenverantwortung zu nehmen. Nachhaltigkeit im Alltag ist ihre Devise. Sie sollte unser aller sein!



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