Das verfallene Haus in Kelkheim erzählt von Aufbruch, Vergangenheit und einem ungewöhnlichen Fund
Kelkheim (ju) – Es war einer dieser Frühlingstage in Kelkheim, an denen die Luft nach Aufbruch roch – und ein Hauch von Abenteuer in den Gassen lag.
An der Hauptstraße, wo das alte „Geisterhaus“ seit Jahrzehnten leise vor sich hin schlummerte, begann an jenem Morgen endlich ein neues Kapitel.
Das Herz in der Hand
Der neue Besitzer, Andreas Friedrich, hatte sich ein Herz gefasst und mit ein paar Helfern der Stadt die Türen aufgebrochen – Türen, die vermutlich seit den 1970er-Jahren niemand mehr durchschritten hatte. Staub wirbelte auf, alte Holzdielen ächzten unter vorsichtigen Schritten, und der modrige Duft vergangener Zeiten lag schwer in der Luft.
Was sich ihnen bot, war wie der Dachboden der eigenen Großeltern – nur in größerem Maßstab: vergilbte Zeitungen, vergessene Möbel, ein verblasstes Madonnenbild an der Wand – und mittendrin, wie ein kleiner Schatz, ein Buch mit einem Titel, der in der Runde für Schmunzeln sorgte:
„Wir jungen Männer! Das sexuelle Problem“ – ein Ratgeber aus längst vergangenen Tagen.
Wer hatte dieses Buch einst hier versteckt? War es ein junger Mann, der auf leisen Sohlen zwischen strengen Elternhäusern und großen Fragen seinen eigenen Weg suchte? Oder vielleicht eine Zeitzeugin, die das Buch als Erinnerung an eine Epoche voller gesellschaftlicher Zwänge aufbewahrte?
Die Seiten waren brüchig, die Sprache altertümlich. Doch zwischen den Zeilen blitzte etwas auf, das zeitlos war: das Ringen um Freiheit, Liebe und Selbstfindung. Vielleicht war das der wahre „Geist“ des Hauses – nicht Spuk und Schatten, sondern das Flüstern von Hoffnungen und unerzählten Geschichten.
Politischer Dauerbrenner
Dass es so weit kommen konnte, war allerdings alles andere als selbstverständlich. Jahrelang war das Geisterhaus ein politischer Dauerbrenner: In der Stadtverordnetenversammlung wurde wiederholt über den Zustand und die Zukunft des Gebäudes gestritten. Fraktionen forderten Abriss, andere plädierten für Erhalt und öffentliche Ausschreibung. Zwischen rechtlichen Hürden, haushaltspolitischen Bedenken und denkmalpflegerischen Anforderungen vergingen Jahre – ohne Bewegung.
Erst 2023 entschied sich die Stadt, das Gebäude für 35.000 Euro an einen privaten Käufer zu verkaufen. Andreas Friedrich bekam den Zuschlag – nicht nur, weil er das nötige Know-how mitbrachte, sondern auch, weil er in der Region bereits erfolgreich andere denkmalgeschützte Häuser saniert hatte. Die Hoffnung war, dass hier nicht nur jemand kauft, sondern Verantwortung übernimmt.
Behutsame Sanierung
Und das tut er: Friedrich plant eine behutsame Sanierung – in enger Abstimmung mit Denkmalschutz und Stadt. Noch stehen Bauzustandsanalyse und Sanierungsvertrag aus, doch Bürgermeister Albrecht Kündiger zeigt sich zuversichtlich. „Das ist ein Glücksfall für Kelkheim“, sagt er. „Wir brauchen mehr Menschen, die sich mit Herz für die Altstadt einsetzen.“
Am Ende dieses Tages stand das „Geisterhaus“ entstaubt und leer – und doch voller neuer Geschichten. Was aus dem gefundenen Buch wird? Man weiß es nicht – vielleicht behält Friedrich es, vielleicht wandert es in den Müll. Es ist auch egal. Was feststeht ist, dass es eine Erinnerung daran ist, dass jedes Haus, so verlassen es auch scheint, niemals ganz ohne Herz ist.
Das Buch „Wir jungen Männer – Das sexuelle Problem des gebildeten jungen Mannes vor der Ehe“ wurde von Hans Wegener verfasst und erstmals 1906 im Verlag Karl Robert Langewiesche veröffentlicht. Es gehört zur Reihe „Der Brunnen – Eine Sammlung ernster Bücher“ und umfasst 213 Seiten .
Inhalt und Zielsetzung
Wegeners Werk richtet sich an gebildete junge Männer und behandelt die Herausforderungen und moralischen Fragen im Umgang mit Sexualität vor der Ehe. Es plädiert für sexuelle Enthaltsamkeit und Selbstdisziplin und warnt vor den physischen und psychischen Folgen vorehelicher sexueller Erfahrungen. Das Buch spiegelt die damaligen gesellschaftlichen Normen und die Bedeutung von Reinheit, Kraft und Frauenliebe wider.
Historischer Kontext
In einer Zeit, in der Sexualität ein Tabuthema war, versuchte Wegener, eine moralisch fundierte Orientierung zu bieten. Sein Werk ist ein Beispiel für die damalige Sexualmoral und die Bemühungen um Aufklärung innerhalb konservativer Rahmenbedingungen.