Geisterhaus verschwindet im Nebel der Fördermittelbürokratie – letzter Ausweg private Interessenten

Die Treppe im Geisterhaus hat viele hundert Jahre auf dem „Buckel“. Eine Architektin, die das Haus in Augenschein nahm, bestätigte Bürgermeister Kündiger die hohe Relevanz dieses Stücks Geschichte. Geschichten könnten sicherlich auch die Wände erzählen.Fotos: J. Ulbricht

Kelkheim (ju) – Betritt man das sogenannte „Geisterhaus“ in der Hauptstraße 49 riecht es weder modrig noch muffig. Staub wirbelt in den Sonnenstrahlen, die sich ihren Weg durch Ritzen und Sprünge in Mauerwerk und Fenstern gesucht haben. Tapete blättert von den Wänden. Ein Bild der heiligen Kommunion zeugt von der religiösen Einstellung der letzten Bewohner. Dornröschenschlaf oder doch eher Zeit für den Abriss?

Geschichte und Bedeutung

Das Geisterhaus steht unter Denkmalschutz und repräsentiert ein Stück Stadtgeschichte. Die Fachwerkbalken aus Eichenholz, die für den Bau verwendet wurden, stammen aus dem Jahr 1729. Es war einst ein prächtiges Gebäude, das am Eingang der alten Hauptstraße stand und einen wichtigen Teil des historischen Stadtbildes von Kelkheim darstellt. Das ursprüngliche Gebäude war doppelt so lang und bestand aus zwei getrennten Bereichen unter einem Dach: den heute erhaltenen vorderen Wohnteil und eine rückwärtige Scheune mit Tenne, Keller und Ställen. 1934 wurde die Scheune abgerissen und ein neues Wohnhaus errichtet. Das Fachwerk verschwand im 19. Jahrhundert unter einer Putzschicht. Das Haus hat im Laufe der Jahre viel Aufmerksamkeit erregt, sowohl wegen seines verfallenen Zustands als auch wegen der Diskussionen um seine Zukunft.

Förderdickicht

Bürgermeister Albrecht Kündiger hängt an dem Haus, das die Stadt vor Jahren für 30.000 Euro gekauft hat. Vehement setzte er sich für den Erhalt und die nötige Sanierung ein. Inzwischen sind gut 100.000 Euro an Planungskosten zusammengekommen. Am 31. Oktober 2023 hatte das Stadtparlament beschlossen, dass das Gebäude saniert wird, eine Konzeption lag vor, Fördermittel aus dem Programm „Lebendige Zentren“ wurden beantragt, da die Sanierung die Millionensumme überschritten hätte. In dem historischen Gebäude sollte ein multifunktionales Bürgerbüro entstehen – so der Wille der Politik.

Doch dann schlug die Bürokratie mit ihrer ganzen Härte zu. Obwohl Denkmalschutz und auch das Förderprogramm „Lebendige Zentren“ den Daumen hoch hielten und im Rathaus schon fast die Sektkorken knallten, machte die WI-Bank, die am Ende die bewilligten Gelder auszahlt, dem Ganzen einen Strich durch die Rechnung. „Sie hat anscheinend andere Kriterien angesetzt und zeigte sich nicht willig, den Bescheid positiv zu bescheiden“, erörtert der Rathauschef, – Energetische Sanierung nicht ausreichend – „da hätten wir noch was machen können.“ Doch letztlich scheiterte der Antrag an der Barrierefreiheit, im schönsten Behördendeutsch heißt es: „…der Kommune dargelegt, dass die besagte Deckenhöhe (2 Meter) einer Freigabe des Bau-/Raumprogramms im Zuge der baufachlichen Prüfung entgegensteht. Die Förderfähigkeit der Einzelmaßnahme ist damit nicht gegeben.“ Gescheitert an 20-30 Zentimetern?! „Wir hatten noch geprüft, ob der Boden abgesenkt oder die Decke rausgenommen werden können, aber das war alles nicht umsetzbar oder mit immensen Mehrkosten verbunden gewesen“, so Kündiger. „Die kommunale Familie muss sich gegen so einen Förderwahnsinn wehren. Wie viele Projekte werden durch die Förderbürokratie verhindert?“, echauffiert sich der Stadtchef. Also alles wieder zurück auf Anfang.

Aktuelle Situation

Nach dem negativen Bescheid wundert es niemanden, dass das Geisterhaus wieder Gesprächsthema Nummer 1 ist. Einige sehnen sich den Lkw herbei, der einfach mal ins Haus fährt und die Sache ist erledigt, andere würden sich wünschen, dass das historisch wertvolle Haus vor dem Verfall gerettet wird. Auf der Tagesordnung der letzten Stadtverordnetenversammlung am vergangenen Montag tauchte ein CDU-Papier auf, das klar machte, wie es für Teile der Politik weitergehen solle – ein Abriss-Antrag. Zwar steht das Haus unter Denkmalschutz, aber die Union wolle sogar juristisch eine Aufhebung durchsetzen.

In der Sitzung dann ein Einlenken der Fraktion: Der ehemalige Bürgermeister Thomas Horn erklärte, warum seine Partei den Antrag vertage. „Nach Aussage des Bürgermeisters gibt es drei private Interessenten und deswegen räumen wir der Verwaltung drei bis vier Monate Zeit ein, um zu prüfen, ob eventuell diese die nötige Sanierung übernehmen können“, so Horn. Kündiger bestätigte die Aussage. Bei den Interessenten handele es sich um Menschen mit Erfahrung in der Sanierung von Fachwerkhäusern und mit den nötigen finanziellen Mitteln. „Die Verwaltung muss jetzt tätig werden, um die nötigen Modalitäten aufzusetzen“, so Kündiger. Er könne sich auch vorstellen, das Haus zu einem symbolischen Betrag abzugeben.

Horn ließ es sich nicht nehmen, ebenfalls die hessische WI-Bank ob ihres negativen Bescheids zu rügen. „Da hat sich der Bürgermeister zu Recht aufgeregt, dass nimmt ja schon kafkaeske Züge an.“ Er betonte, dass die Stadt keine Schuld treffe. „Alles war gut geplant. Es war konsequent, das Haus zu kaufen, die Konzeption war prima und dann das. Das ist jetzt wie Monopoly spielen: Alles zurück auf Los.“ Für seine Fraktion und ihn sei das Projekt eigentlich wirtschaftlich unzumutbar, der Antrag auf Abriss hätte nach seiner Ansicht damit auch Chancen, „aber wir möchten den 3. Versuch noch wagen und erfahrene Privatleute ranlassen“, bestätigt er noch einmal den Weg des Bürgermeisters. Und falls dabei am Ende nichts raus kommt, weiß Horn auch schon, was man nach einem Abriss mit den historischen Balken des Hauses machen könnte: „Eine Rekonstruktion eines Scheunenwohnraums in unserem alten/neuen Museum.“

Zukunftsperspektiven

Bleibt zu resümieren, dass die Zukunft des Geisterhauses für die nächsten Monate weiter ungewiss bleibt. Die Verwaltung wird alle Hebel in Bewegung setzen, innerhalb der von der CDU gesetzten „Frist“ zu einem Ergebnis zu kommen. Während einige die wirtschaftliche Unzumutbarkeit einer Sanierung betonen, sehen andere das Potenzial, das historische Gebäude zu erhalten und ihm neues Leben einzuhauchen. Es bleibt abzuwarten, welche Entscheidung letztendlich getroffen wird und wie sich das Schicksal dieses besonderen Hauses entwickeln wird.

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